Ein Spruch macht Karriere:"We are we"

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Kiffen, Starkbier, Rauchen, Unabhängigkeit - was in Bayern als liberal gilt

In der Sprache der Politik spielt der umformulierte Begriff Liberalitas Bavariae eine zentrale Rolle, und zwar unabhängig von der weltanschaulichen Überzeugung. "Keine andere Partei verkörpert die Liberalitas Bavariae so sehr wie wir Freien Demokraten", brüstete sich zum Beispiel der frühere Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch beim Parteitag von 2012 und reklamierte die daraus resultierende Haltung "Leben und leben lassen" für die FDP: "Wir Liberale stehen für das bayerische Lebensgefühl."

Die folgende Formulierung im Koalitionsvertrag von CSU und FDP aus dem Jahr 2008 ist also nicht zufällig vom Himmel gefallen: "Die Menschen in Bayern wollen ihre Traditionen und Werte bewahren. Sie sind aber offen für Neues. ,Leben und leben lassen' - das steht für Lebensfreude und Toleranz, aber auch für Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft." Wie lebensfroh und tolerant sie sind, demonstrieren die Politiker am liebsten auf dem Nockherberg. "Es war wieder die Stunde der Liberalitas Bavariae", schrieb der Bayernkurier nach dem Spektakel im vergangenen Februar: "Wo sonst lassen sich die Politiker in aller Öffentlichkeit derblecken als beim Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg." Für Wilfried Scharnagl, den ehemaligen Chefredakteur des Bayernkuriers, berührt die Liberalitas Bavariae in jedem Fall einen Kern bayerischer Lebensart. Kein Wunder, dass er sie in seinem Buch "Bayern kann es auch alleine", in dem er für einen unabhängigen bayerischen Staat plädiert, an mehreren Stellen geradezu beschwört.

Die Grünen wiederum werben mit dem Begriff für die Legalisierung von Cannabis: "Eine echte Liberalitas Bavariae beinhaltet das Recht des mündigen Bürgers, sich statt einer Mass Bier einen Joint zu genehmigen." Die SPD führt dagegen den Fall eines 18-jährigen Asylbewerbers an, für den sich viele Unterstützer stark gemacht hatten. Das sei ein wahrer Ausdruck der Liberalitas Bavariae, schwärmen die Sozialdemokraten.

Nicht zuletzt hat der Begriff auch in der Wirtschaft einen würdigen Platz gefunden. Ein Braumeister aus Nesselwang hat kurzerhand eine Biersorte mit dem Namen Liberalitas Bavariae gebraut. Als vor fünf Jahren das Rauchverbot erlassen wurde, war oft die Klage zu hören, diese Entscheidung markiere das Ende der Liberalitas Bavariae. Und doch übersteht sie solche Krisen locker. Die Zeiten, welche schon von der Biermösl Blosn besungen wurden, sind noch lange nicht vorbei: "We are we und we write us us / it's bavarian liberalitas.

© SZ vom 18.04.2015 / hak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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