Debatte um Kunstwerk:Das Gemälde mit der Nummer 288

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  • Ein Landwirt und ehemaliger Kunststudent aus Niederösterreich glaubt, ein verschollenes Gemälde von August Macke zu besitzen.
  • Zwei Farbgutachten würden eigentlich für die Echtheit des Gemäldes sprechen, die Macke-Werkbetreuerin des Westfälischen Landesmuseums glaubt nicht daran.
  • Auch in der Gemeinde Gmund, wo das Bild gemalt worden sein soll, gibt es Zweifel.

Von Sarah Kanning

Wie Spiess an das Bild gekommen ist

Eine weiße Kirche, eine Brücke in Schrägsicht und mehrere Häuser an einer Dorfstraße - ist dieses Ölbild auf Leinwand möglicherweise Hunderttausende Euro wert? Ein Landwirt und ehemaliger Kunststudent aus Niederösterreich glaubt, ein verschollenes Gemälde von August Macke zu besitzen, das dieser in Gmund am Tegernsee im Jahr 1910 gemalt haben soll. Vor 30 Jahren kaufte Herbert Spiess es einem Kunsthändler in Wien ab - für umgerechnet knapp 800 Euro.

Spiess war 18 Jahre alt und studierte seit Kurzem an der heutigen Universität für angewandte Kunst in Wien, als er das Gemälde 1984 bei einem seiner Streifzüge in einer Kunsthandlung entdeckte. Seither lässt es ihm keine Ruhe: "Schauen Sie sich diese Schräge an, den Lichteinfall von rechts unten, die Vermischung von Querflucht und Zentralflucht; das widerspricht der akademischen Malerei - und ist typisch für Macke", sagt er.

Wie die Echtheit geprüft werden soll

Doch seit 30 Jahren dreht sich die Suche des 48-Jährigen im Kreis. Er ließ auf eigene Kosten zwei Farbgutachten erstellen - beide besagen, dass das Bild in die Zeit um 1910 passen würde.

Doch bei der Macke-Werkbetreuerin des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte in Münster verlief seine Recherche im Sand: "Ich schickte ihr zuerst Fotos des Bildes, da war sie ganz angetan", sagt Spiess. "Sie sagte in etwa: 'Wo haben Sie das denn her, das ist ja ganz toll.'." Doch dann sei ein Brief gekommen, dass die Kollegen nicht glaubten, es sei Macke. Sehen habe das Originalbild dann keiner mehr wollen.

Argumente für und wider die Echtheit

Auch in Gmund ist man sich nicht sicher, ob das Bild eine Ansicht der Gemeinde zeigt, auch wenn der Heimatpfleger Mackes Handschrift darin sehen will - der Friedhof an der Kirche fehle, der Turm habe keine Zwiebelform, die Brücke sei nicht aus Stein.

"Macke hat idealisiert, modernisiert, das ist sein Duktus. Alles Depressive und den Tod hat er oft ausgeblendet", sagt Spiess. Er glaubt an die Echtheit des Gemäldes, zumal aus seiner Sicht auch eine Lücke im Werkverzeichnis dafür sprechen könnte. Viele Werke Mackes seien im Krieg zertört worden, von denen gebe es nur noch Beschreibungen - und von einem nicht mal das. "Das mysteriöse Gemälde mit der Nummer 288", wie Spiess sagt. Es stamme aus der Gmund-Zeit und sei nur mit "Landschaft" beschrieben - der Landwirt erkennt da klare Übereinstimmungen.

Das Interview mit Herbert Spiess lesen Sie in der Mittwochsausgabe derSüddeutschen Zeitung vom 17. Dezember oder in der digitalen Ausgabe auf dem Smartphone oder Tablet.

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