Bündle, Knöchle, saure Lunge:Alles, was ein Schwein hergibt

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Karin Bayer ist die Wirtin des "Bayerischen Johann". (Foto: Peter Roggenthin)

Im "Bayerischen Johann" kochen sie so richtig traditionell

Von Lisa Schnell, Oed

Ob Karin Bayer wirklich will, dass der Rest von Bayern von den Blutwürsten und Bauernseufzern erfährt, zu denen wöchentlich mehr als hundert Gäste in ihren Gasthof nach Oed pilgern? Zaghaft hält die Wirtin die Fleischplatte hoch, gerade so lang, dass der Fotograf einmal Knips machen kann. Ein Wunder, dass sie überhaupt auf dem Foto ist. Zuerst hat Karin Bayer nur abgewinkt voller Erstaunen, warum irgendjemand sich gerade für sie interessieren könnte. Zur Begrüßung hält sie dem Gast entschuldigend den Ellenbogen entgegen, an den runden, roten Fingern klebt noch der Knödelteig. Bayer muss weiterarbeiten, schließlich ist sie da, um ein Wirtshaus zu führen und nicht, um Werbung zu machen.

Die scheint der "Bayerische Johann" in Oed auch gar nicht nötig zu haben. In der Wirtshausküche ist keine einzige der begehrten Blutwürste mehr zu finden, denn es ist Donnerstag, der Tag nach dem Schlachtschüssel-Mittwoch. Dann ist die kleine, kurvige Straße, an der sich die Häuser von Oed entlangziehen, so befahren wie sonst wohl nie. Von überall aus der Umgebung strömt das Volk zum Schwein, geschlachtet am Montag, ausgenommen am Dienstag und auf der Schlachtschüssel am Mittwoch. An der Durchreiche hängt noch die Speisekarte: Blut- und Leberwurst, Kesselfleisch, geräuchertes Bündle, Salzknöchle, saure Lunge, Schweineleber, und die Liste ist noch nicht zu Ende. So ziemlich alles, was ein Schwein hergibt, gibt es jeden Mittwoch ab elf Uhr im Wirtshaus, um 9.30 Uhr stehen die Leute schon Schlange, um noch eine Stadtwurst in der Metzgerei der Bayers zu ergattern. Die ist gleich nebenan, der Besucher muss einmal ums Haus, Karin Bayer aber streicht nur kurz den Knödelteig an der Schürze ab, drückt die Türklinke runter und tritt von der Wirtshausküche in den Metzgerladen.

Hier hängen sie alle versammelt, die wurstigen Berühmtheiten vom "Bayerischen Johann": die Bauernseufzer oder die Stadtwurst, eine Kochwurst, verfeinert mit Majoran, die gewurstet wird, wenn das Fleisch noch warm ist. "Das ist das Besondere", sagt Metzgermeister Werner Bayer, inzwischen wieder zurück in der Wirtsstube, wo der Besucher versucht, noch mehr über das Wurstwunder von Oed zu erfahren. "Die Stadtwurst gibt's dann mit Musik", sagt Karin Bayer. Man denkt an die vier Akkordeons, die hinten in der Stube stehen. Nicht selten setzt sie sich ein talentierter Gast auf die Knie und spielt auf. Oder an die vergilbten Bilder des Männergesangsvereins, die neben allerlei ausgestopftem Getier an den Wänden hängen. Und trotzdem: Wie passt das zur Wurst? "Des kann keiner sagen", meint eine ältere Dame in der Sitzecke gegenüber, bevor sie sich ihr Stück Kuchen in den Mund schiebt. "Essig, Zwiebeln und Öl gibt's zur Wurst, keine Musik", sagt sie. Das mache keinen Sinn. Müsse es aber auch nicht, denn auch ohne Sinn schmecke die Stadtwurst einfach köstlich.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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