Ärzte-Betrugsverfahren:Schottdorfs Gegner positionieren sich

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Schlagabtausch unter Juristen: Der Anwalt des Augsburger Großlabor-Unternehmers und ein Medizinjurist streiten über das umstrittene Geschäftsmodell des Bernd Schottdorf. Damit liefern sie der Opposition immer neuen Stoff für den Untersuchungsausschuss.

Von Stefan Mayr, Augsburg

Während sich Freie Wähler, Grüne und SPD auf den Untersuchungsausschuss zur sogenannten Labor-Affäre vorbereiten, liefern Hauptfigur Bernd Schottdorf sowie der juristisch-medizinische Experte Reinhold Altendorfer neuen Stoff für die Fragenkataloge der Landtagspolitiker. Der Augsburger Großlabor-Unternehmer Schottdorf lässt in einem 13-seitigen Schreiben seines Anwalts Martin Imbeck scharfe Kritik an den Ermittlern des Landeskriminalamtes üben und sein umstrittenes Geschäftsmodell verteidigen.

Reinhold Altendorfer, promovierter Allgemeinarzt und Fachanwalt für Medizinrecht aus München, sieht das auf SZ-Anfrage etwas anders: Er spricht von einem "klaren Fall von Abrechnungsbetrug" und kritisiert die Staatsanwaltschaft Augsburg. Diese habe im Januar 2009, als sie die Verfahren gegen 150 verdächtigte Ärzte einstellte, damals geübte Rechtsprechung außer Acht gelassen. Altendorfer zufolge habe "schon viele Jahre" vor der umstrittenen Entscheidung "Einigkeit" geherrscht, dass die praktizierte Abrechnungsmethode im Widerspruch zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) stand. Bereits vor dem Urteil des Landgerichts München I in einem Muster-Prozess 2010 gegen einen Münchner Arzt habe es eine gefestigte Rechtsprechung gegeben. Und als der Bundesgerichtshof 2012 das Münchner Haft-Urteil bestätigte, habe sich dieser "auf bereits lange zurückliegende Urteile und Rechtssätze" bezogen. "Diese waren der Staatsanwaltschaft Augsburg anscheinend vor 2010 nicht bekannt", sagt Altendorfer. "Andernfalls hätte es keinen Grund gegeben, die Ermittlungsverfahren einzustellen."

Der "normative Schadensbegriff"

Die Staatsanwaltschaft Augsburg begründet die Einstellung der Verfahren mit der damals unsicheren Rechtslage. Zudem sei schon alleine deshalb kein Betrug vorgelegen, weil kein "Vermögensschaden" entstanden sei. Dieser Argumentation widerspricht Reinhold Altendorfers ebenfalls: In "vielen vergleichbaren höchst- und obergerichtlichen Urteilen" sei bereits vor 2009 festgestellt worden, dass das entscheidende Kriterium nicht der Vermögensschaden, sondern der sogenannte normative Schadensbegriff sei: "Demnach liegt der für den Betrug notwendige Vermögensschaden bereits dann vor, wenn von Bestimmungen der GOÄ abgewichen wird."

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Schottdorfs Anwalt Martin Imbeck weist seinerseits "den Vorwurf einer systemischen Verleitung niedergelassener Ärzte zu falscher Abrechnung mit Entschiedenheit" zurück. Sein Mandant habe zweimal - 2000 und 2002 - in "Massenanschreiben" an alle Ärzte auf die Beschränkungen der GOÄ hingewiesen.

Es wird eine zentrale Frage im Untersuchungsausschuss sein: Wie kam die vermeintlich gravierende Fehleinschätzung der Augsburger Anklagebehörde zustande? Besonders kurios dabei ist, dass der Staatsanwaltschaft Augsburg ansonsten der Ruf vorauseilt, die Gesetze überaus streng auszulegen (siehe die Fälle Cornelius Gurlitt oder Max Strauß). "Das stinkt einfach extrem politisch", sagt Sepp Dürr von den Grünen. Die Oppositionsparteien wittern politische Einflussnahme auf die Staatsanwälte, die in Bayern ja tatsächlich im Gegensatz zu den Richtern weisungsgebunden sind: Die Staatsanwaltschaften berichten an die Generalstaatsanwaltschaften, diese unterstehen wiederum direkt dem Justizministerium - also der Politik.

Rechtsanwalt Martin Imbeck bestätigt, dass sein Mandant Bernd Schottdorf seit "Jahrzehnten" CSU-Mitglied ist. In seinen zahlreichen Prozessen wurde Schottdorf von den ehemaligen CSU-Ministern Hermann Leeb und Peter Gauweiler anwaltschaftlich vertreten. In der Kanzlei seines aktuellen Anwalts Martin Imbeck sind die zwei Töchter des ehemaligen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber beschäftigt. Gauweiler hatte 2010 in Briefen an den LKA-Präsidenten und die Staatsanwaltschaft München I offensiv gebeten, gegen einen LKA-Beamten zu ermitteln. Der Wunsch wurde ihm erfüllt. Am Ende wurde gegen die Kommissare Robert Mahler und Stephan Sattler - unter anderem wegen Verfolgung Unschuldiger - ermittelt. Doch die Verfahren wurden nach zwei Jahren eingestellt.

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Dennoch kritisiert Schottdorfs Anwalt die zwei Beamten nach wie vor scharf: "Sie konnten und können ersichtlich nicht die gesetzlich geforderte persönliche Distanz zu den Sachverhalten aufbringen und haben selbst massive Vorwürfe auf sich gezogen", schreibt Imbeck. "Ihre Befangenheit - um noch das Mindeste zu sagen - haben insbesondere die Herren Sattler und Mahler in Fernsehinterviews und sonstigen Presseaktivitäten erneut eindrucksvoll zur Schau gestellt." Die zwei Polizisten kritisierten das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Augsburg zuletzt auch öffentlich.

Die Oppositionsparteien wollen über Pfingsten ihre Fragen für den Untersuchungsausschuss ausarbeiten. Dieser soll noch vor der Sommerpause eingesetzt werden. Der Ausschuss wird wohl auch der Frage nachgehen müssen, ob im Gesundheitssystem eine Gesetzeslücke klafft: Kann es wirklich sein, dass Laborärzte wissentlich gegen die GOÄ verstoßen und dabei gutes Geld verdienen, ohne dass ihnen dabei eine Straftat nachzuweisen ist? Und: Steht es einer Justiz gut zu Gesicht, wenn engagierte Polizisten in dieser Grauzone agieren müssen und dann auch noch wegen Verfolgung Unschuldiger selbst verfolgt werden?

© SZ vom 30.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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