Section Control:Kontrolle ist überall

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Mit einer neuartigen Tempoüberwachung sollen gefährliche Strecken entschärft werden, doch Datenschützer warnen.

Uwe Schmidt-Kasparek

Es besteht Handlungsbedarf: Regelmäßig wickeln sich junge Fahrer auf gefährlichen Alleen in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern um die Bäume. In Baustellen auf Landstraßen und Autobahnen starben im vergangen Jahr 23 Menschen und 2725 wurden verletzt. Noch immer ist zu schnelles Fahren eine Hauptunfallursache.

Mess-Strecke: Das System basiert darauf, dass auf einer definierten Entfernung die tatsächliche Duchfahrtszeit pro Fahrzeug festgestellt und mit der Zeitspanne verglichen wird, die sich aus der aktuellen Geschwindigkeitsbegrenzung ergibt. (Foto: N/A)

Doch gefährliche Strecken sollen bald ihren Schrecken verlieren - dank Section Control. Dabei werden die Autofahrer am Beginn und am Ende der Kontrollstrecke erfasst, die Fahrzeit wird per elektronischer Stoppuhr gemessen. Entscheidend ist die Durchschnittsgeschwindigkeit. Wer zu schnell am Endpunkt ankommt, muss zahlen, bekommt Punkte oder verliert sogar seinen Führerschein.

Section Control läuft bereits erfolgreich in Großbritannien, den Niederlanden und Österreich. Es ist das genaue Gegenteil der fiesen Radarfallen-Abzocke mancher deutscher Städte und Gemeinden. "Bei uns ist sogar gesetzlich verankert, dass der Beginn und das Ende der Messstrecke sowie die Datenerhebung angezeigt werden müssen", sagt Klaudia Niedermühlbichler, Sprecherin der Asfinag, dem privaten österreichischen Autobahnbetreiber.

Drei Anlagen sind derzeit in Österreich scharfgeschaltet. Mit Erfolg. Die Unfallzahlen sinken. "Während nur 0,5 Prozent der Autofahrer im Kaisermühlentunnel noch das Tempo überschreiten, sind es auf nicht kontrollierten österreichischen Autobahnstrecken rund 70 Prozent", so die Unfallforscherin Ernestine Osrael von der Fachhochschule des Bundesförderungsinstituts Wien.

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Solche Erfolgsmeldungen lassen dem deutschen Bundesverkehrsministerium keine Ruhe. "Section Control scheint gegenüber punktuellen Kontrollen Vorteile zu bieten", so Andreas Marquardt, im Verkehrsministerium für die Ordnung des Straßenverkehrs zuständig. Die neue Methode wurde bereits dem Bund-Länder-Fachausschuss vorgestellt.

Klassische Tempoüberwachung hilft auf gefährlichen Strecken kaum. So wirken beispielsweise fest installierte Starenkästen nur rund 300 Meter weit. Dies haben Unfallforscher in Versuchen längst bewiesen. Der Glaube, mit Tempokontrollen die Autofahrer zur Vernunft zu bringen, ist eine Illusion. "Einen Flächendruck kann die Polizei einfach nicht erzeugen. Dafür gibt es viel zu wenig Kontrollen", sagt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer. Section Control wäre somit durchaus segensreich, wenn es um besonders gefährliche Alleen, Baustellen oder Tunnel geht.

Noch gibt es eine große Klippe für die Einführung des Systems in Deutschland. Marquardt: "Aus Beweisgründen müssen die Fahrer auch fotografiert werden." Im Gegensatz zu anderen Ländern, bei denen wegen der sogenannten Haftung des Autohalters schon das Erfassen des Kennzeichens reicht. "Auf keinen Fall darf mit dem System quasi durch die Hintertür die Halterhaftung eingeführt werden", warnt Volker Lempp vom Automobilclub Europa (ACE). Noch härter urteilt der ADAC: "Wir lehnen ein System, das jeden wie einen Verdächtigen behandelt, Autofahrer also unter Generalverdacht stellt, grundsätzlich ab", so Markus Schäpe, Verkehrsjurist beim ADAC in München.

Rechtlich sei eine sogenannte Vorratshaltung von Daten nicht erlaubt. Das habe das Bundesverfassungsgericht Anfang 2008 längst klargestellt. Mit ihrer kritischen Haltung sind die Autoklubs nicht allein. "Wir sehen das Thema sehr kritisch", sagt Peter Schaar, der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, "ohne konkrete Verdachtsmomente darf niemand gespeichert werden."

Bedeutet das das Aus für das neue Messverfahren? Das Thema soll auf dem 47. Verkehrsgerichtstag in Goslar Ende Januar 2009 umfassend diskutiert werden. Dort hat Section Control allerdings einen Mentor von Gewicht. "Wenn ins Gesetz hineingeschrieben wird, dass die Daten der Autofahrer, die sich an die Durchschnittsgeschwindigkeit halten, sofort gelöscht werden, habe ich keine Bedenken", sagt Friedrich Dencker, Präsident des Verkehrsgerichtstags.

Sympathie für die neue Art der Tempokontrolle gibt es aber sogar im Lager der Verkehrsanwälte. "Ich finde das gerechter. Jeder fährt kurzfristig mal etwas schneller als erlaubt. Steht da gerade eine Radarfalle, hat der Autofahrer Pech gehabt", sagt Michael Burmann von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV), "bei Section Control gleicht sich ein kleiner Schnitzer auf der Strecke wieder aus."

© SZ vom 15.11.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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