Schienenverkehr:Neues aus der Provinz

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Mit innovativer Technik, frischen Ideen und gutem Design macht ein Schweizer Zughersteller den Schienenverkehr in Algier und Budapest flott.

Klaus C. Koch

Der Wunsch nach attraktiver Gestaltung hat längst auch die Betreiber von S-Bahnen und Regionalfahrzeuge erreicht - was ehemals ein Schienenbus von schlichter Tristesse war, ist heute vielfach ein schickes und attraktives Beförderungsmittel. Unter anderem auch dank des Ideenreichtums von Stadlerrail im Schweizer Thurgau - dort wurden zum Beispiel die Panoramawagen für den Glacier Express gebaut, daneben Niederflur- und Gelenktriebwagen oder auch Straßenbahnen für die Münchner Verkehrsbetriebe.

Lange Zeit standen in Bussnang nur akkubetriebene Lokomotiven auf dem Programm, die in Bergwerken und beim Bau von Tunnels zum Einsatz kommen. Dazu kamen in kleinerem Umfang Rangierloks und in den achtziger Jahren die Zubringerbahn für das inzwischen autofreie Zermatt. 1989 ging das Unternehmen in neue Hände über - um alsbald auf ungewöhnliche Weise Karriere zu machen.

Während die Branche stürmische Zeiten erlebte, viele ihre Tore schlossen oder fusionierten, boten die Schweizer sogenannte Regio-Shuttles an. Es war die Zeit, in der in Deutschland viele Nebenstrecken neu ausgeschrieben wurden, die spurtfreudigen Pendlerzüge fanden unerwarteten Absatz.

Zum Beispiel eingesetzt zwischen Tübingen und Sigmaringen, wo die Deutsche Bahn Ende der achtziger Jahre kleinere Haltepunkte links liegenließ: Dort konnten die Bahnhöfe aufgrund besserer Beschleunigungswerte wieder bedient werden, ohne den Taktfahrplan zu stören. Auch wenn aufgrund der platzsparenden Bauweise der Shuttles ein Problem auftauchte: Vieles ist so kompakt, dass selbst bei Standardreparaturen Teile des Motors oder des Getriebes zuvor ausgebaut werden mussten.

Inzwischen wird in Bussnang eine knappe Milliarde Schweizer Franken umgesetzt. Dafür sorgen gute Aufträge aus Basel, wo eine Alternative zur von Rissen geplagten Fahrzeugstruktur eines Mitbewerbers gesucht wurde oder Zugkombinationen, die beispielsweise zwischen Bern und Solothurn verkehren.

Neuen Schwung verdankt auch der Glacier Express den Designern bei Stadlerrail. Sie entwarfen neue Panoramawagen, die für rund 20 Millionen Franken geordert wurden; die Waggons bieten bequeme Sitzgruppen, luftgefederte Drehgestelle sorgen für Reisekomfort. Zum Erfolg wurden auch die Doppelstockwagen für die S-Bahn in Zürich - hergestellt aus leichtem Aluminium, was schlussendlich dazu führt, dass beim Betrieb deutlich weniger Energie gebraucht wird.

Aufgereiht für die Endmontage ragen derzeit die Chassis neuer Triebwagen für die Ungarischen Staatsbahnen in den Mittelgang der Werkshalle. Städte wie Budapest, die durch den Anschluss ihrer Länder an die EU neue Dynamik entfalten, sind stolz auf die Technik made in Switzerland. Sie erschließen damit ihre Vorstädte und bringen bescheidenen Wohlstand ins Umland, nach Pusztaszabolcs, Tatabánya und Székesfehérvár. Zugleich gibt es neue Arbeitsplätze beim Service und in der Instandhaltung.

Auch die algerische Hauptstadt Algier vertraut auf die Schweizer Zugprofis und lässt sich aus der Ära quietschender Waggons in die Zukunft katapultieren: Die Staatsbahn SNTF orderte 64 Züge samt Fahrsimulator. Auf den blau-weiß lackierten Wagenkästen aus Glasfaserverbundstoffen in der Halle in Bussnang prangen bereits arabische Schriftzeichen, die Fahrstände erinnern an Flugzeugcockpits.

© SZ vom 28.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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