Restaurierung:Die Tage der Condor

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In Bremen restaurieren pensionierte Profis einen Focke-Wulf-Klassiker: das weltweit letzte Exemplar einer Condor. Eine Geschichte von Leidenschaft und Faszination.

Axel Vogel

Erinnerungen an eine lange zurückliegende Zeit werden bei Wilhelm Brinkmann wach, wenn er an die viermotorige Passagiermaschine vom Typ Focke-Wulf Fw 200 Condor denkt. Diese Maschinen wurden seit 1937 in Bremen für Lufthansa gebaut - jedes Mal, wenn eines dieser Flugzeuge über sein Elternhaus flog, lief Brinkmann nach draußen und schaute ihm nach. So groß war seine Begeisterung, dass er 1939 als Lehrling im Focke-Wulf-Werk anfing, heute ist Wilhelm Brinkmann 82 Jahre alt und seiner Condor so nah wie nie zuvor: Der pensionierte Flugzeugbauer ist einer von 75 ehrenamtlichen Luftfahrttechnikern, die im Airbus-Werk Bremen, bei Lufthansa-Technik in Hamburg und bei Rolls-Royce in Oberursel die weltweit letzte Maschine des Typs restaurieren. Eigentümer ist das Deutsche Technikmuseum in Berlin (DTMB) - es handelt sich um eine militärische C-3-Version, die 1999 im Auftrag des Museums im Trondheimfjord gehoben wurde.

Nur 20 Prozent des alten Rumpfes sind noch zu verwenden. (Foto: Foto: Vogel)

Das weltweit letzte Exemplar wird restauriert

Bei der komplizierten Bergung war das korrodierte Wrack, von dem nur noch 20 Prozent der Teile für die Restaurierung zu gebrauchen sind, zerbrochen. Und Bernd Poppe, 64, hat nichts von dem, was man eigentlich für ein solches Projekt braucht: "Wir haben keine Konstruktionspläne mehr, nur noch alte Fotos." Der Diplom-Ingenieur, der bis zu seiner Pensionierung bei Airbus 41 Jahre lang Flugzeuge gebaut hat, ist so etwas wie der Chefkonstrukteur der Condor-Restaurierung in Bremen. Seit 2003 sind Poppe & Co. in Bremen, wo 80 Prozent der Arbeiten konzentriert sind, mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Da heißt es für ihn, in oft stundenlanger Kleinarbeit, zu rekonstruieren, wie jene Teile, "die ich nie gesehen habe, ausgesehen haben könnten".

Viel Einsatz ist auch bei Lufthansa-Technik in Hamburg vonnöten, wo zehn Freiwillige unter Leitung des Diplom-Ingenieurs Günther Georgs, 68, ehemals Hydraulik-Experte bei Lufthansa, Fahrwerk und Heck neu entstehen lassen. Was Ingenieurskunst möglich macht, bewies jetzt ein Team bei Rolls-Royce in Oberursel. Dort haben Jürgen Schana, 44, und zehn Mitstreiter in rund 1600 Stunden einen der vier Sternmotoren vom Typ BMW-Bramo 323 R-2 neu aufgebaut; der stammt allerdings nicht aus dem Wrack, die Original-Motoren waren zu verrostet.

Nur das gesammelte Wissen und die Erfahrung der an sich längst pensionierten Luftfahrttechniker macht es möglich, die Focke-Wulf "Condor" wieder auferstehen zu lassen. (Foto: Foto: Vogel)

Die Condor war seinerzeit Spitzentechnik

So viel Mühe um eine authentische, kaum zu bezahlende Rekonstruktion hat für alle Beteiligten Sinn. "Die Condor war seinerzeit Spitzentechnik im Flugzeugbau", erklärt Horst Becker, 64, einst Fertigungstechnologe bei Airbus in Bremen, "das erste Glattblechflugzeug, das im extremen Leichtbau entstand." Immerhin hatte die Maschine, die am 10. August 1938 als erstes landgestütztes Passagierflugzeug nonstop in 24,5 Stunden von Berlin nach New York flog, Maßstäbe gesetzt: "Mit einer Flügelfläche von 118 Quadratmeter ist die Fw 200 fast genauso groß wie ein moderner Airbus A320."

Die Qualitäten der Flugzeuge machte sich nach 1940 auch Hitlers Luftwaffe zunutze. Mit der Version C 3 improvisierten die Militärs eine militärische Variante, die vor allem als Fernaufklärer flog. "Die Condor war ein phantastisches Flugzeug, zuverlässig und einfach zu fliegen", erinnert sich der heute 92 Jahre alte Werner Thieme. Der Lahnsteiner war Kapitän eben jener Maschine, die 1999 in Norwegen geborgen wurde - am 22. Februar 1942 konnte Thieme beim Landeanflug nur noch einseitig die Landeklappen ausfahren, der gesteuerte Absturz auf dem Trondheimfjord war die Folge. Die sechsköpfige Besatzung überlebte, die Maschine sank auf 60 Meter Tiefe.

Dass man nur eine militärische Version bergen konnte, schmälert den Wert des "größten Restaurierungsprojektes dieser Art nicht", betont DTMB-Projektleiter Heiko Triesch, schließlich sei es die letzte von insgesamt 273 gebauten Maschinen dieses Typs. Allerdings war manchem bei Airbus, Lufthansa und Rolls-Royce nicht wohl dabei, eine Wehrmachts- Condor zu rekonstruieren. Um Irritationen zu vermeiden, soll das Flugzeug später in einer Werft-Version im Berliner Museum zu sehen sein: mit unveränderter Konstruktion, ohne Tarnanstrich und militärische Kennungen.

Fertigstellung? Wahrscheinlich im Jahr 2025

Ein Wermutstropfen bleibt. Flugkapitän Thieme und andere am Wiederaufbau Beteiligte werden ihr Werk im Museum nicht mehr sehen können. Denn, so Bernd Poppe: "Wenn wir Glück haben, sind wir 2025 fertig."

© SZ vom 9.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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