Rekord-Rückruf bei Toyota?:Tod am San Diego River

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Nichts ist unmöglich: Wegen eines blockierten Gaspedals könnte Toyota fast vier Millionen Autos in den USA zurückrufen müssen.

Thomas Fromm

Es geschah am Spätnachmittag des 28. August, am Ende der Bundesstraße 125 nahe San Diego. Als der Toyota Lexus ES 350 des kalifornischen Autobahnpolizisten Mark Saylor, 45, mit hoher Geschwindigkeit zuerst einen Ford rammte, dann von der Straße abkam, einen Zaun durchbrach, schließlich am Ufer des San Diego Rivers landete und dort in Flammen aufging, gab es kein Entrinnen. Saylor, seine Frau Cleofe, ihre 13-jährige Tochter Mahala und Saylors Schwager Chris Lastrella waren sofort tot.

Der Fall wäre wohl eine Fußnote in den lokalen Medien von San Diego geblieben - hätte Lastrella nicht Sekunden vor dem tödlichen Aufprall mit seinem Handy die Notrufnummer gewählt und berichtet, dass sich das Gaspedal nicht mehr lösen lasse. Das Pedal hatte sich wegen der Fußmatte blockiert, und die Insassen waren gefangen - bei Tempo 190. Rasch hieß es, dass das Problem ein Toyota-Problem sei. US-Verkehrsminister Ray LaHood bezeichnete die Angelegenheit als dringend; in den US-Medien kursierten Berichte von mindestens 100 Fällen, bei denen das Gaspedal durch die Fußmatte eingeklemmt war.

Vier Wochen nach dem Unfall auf der Route 125 hat Toyota nun reagiert. Zwar wollte ein Konzern-Sprecher am Mittwoch eine Rückrufaktion für 3,8 Millionen Autos in den USA nicht ausschließen - aber auch noch nicht bestätigen. Zunächst setze der Konzern auf eine Informationskampagne. "Wir werden die Kunden der Fahrzeuge darauf hinweisen, wie mit der Fußmattenthematik umzugehen ist", lautet der Kommentar aus der Toyota-Deutschlandzentrale in Köln.

Schon jetzt klärt der Konzern auf seiner Internet-Seite über den richtigen Umgang mit der Matte auf. Denkbar sei auch, den Kunden eine Broschüre mit Piktogrammen an die Hand zu geben, heißt es in der Deutschlandzentrale: "Darin könnte man erklären, wie die Originalfußmatte eingehakt wird und warum es falsch ist, zwei Matten übereinanderzulegen."

So lange nicht abschließend geklärt sei, wie es zum blockierten Gaspedal kam, werde das Thema aber ein US-Thema bleiben. In Deutschland und Europa sei zunächst nichts geplant, weder eine Aufklärungskampagne noch eine Rückrufaktion. Obwohl hier laut Toyota im Hybrid-Vorzeigemodell Prius die gleichen Fußmatten serienmäßig liegen wie in den USA.

Gerne würde es der Weltmarktführer beim reinen Service-Thema "Sachgemäßer Umgang mit Fußmatten" belassen. Tatsächlich aber trifft Toyota die Sicherheitsdiskussion zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Der Konzern versucht, auf dem wichtigsten Markt der Welt, den USA, wieder aufzuholen und Verluste abzubauen. Zwischen Januar und August war der Absatz um fast 30 Prozent eingebrochen.

Dazu kommt: Nach dem Auslaufen der US- Abwrackprämie "Cash for Clunkers" ist es in den USA wieder schwieriger geworden, Autos zu verkaufen. 2008 hatte Toyota in den USA 2,2 Millionen Autos an den Mann gebracht; der Absatz ging da um 15 Prozent zurück. Toyota galt lange als hocheffizient und ebenso hochprofitabel. Mitten in der Krise dann mussten die Japaner jedoch nicht nur den ersten Verlust in ihrer 70-jährigen Unternehmensgeschichte ausweisen - seitdem droht auch der Rivale Volkswagen bei jeder Gelegenheit damit, die Japaner bis 2018 an der Weltspitze abzulösen.

Für den Weltmarktführer mit mehr als acht Millionen verkauften Fahrzeugen 2008, der auch in den USA zu den größten drei Herstellern gehört, ist die Fußmatten-Affäre daher ein schwerer Schlag. Ausgerechnet der Konzern, der schon früh Millionen in seine Hybrid-Technik investiert hatte und nach fast 80 Jahren den US-Rivalen General Motors an der Weltspitze ablösen konnte, kommt nun wegen einer Gummimatte ins Gerede. Auto-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler meint: "Eine Fußmatte ist billig, sie zu ersetzen, geht schnell. Ich schätze, dass eine Rückrufaktion den Konzern an die 100 Millionen Euro kosten würde." Teurer sei für den Konzern der Imageschaden.

"Der Erfolg von Toyota beruht vor allem auf dem Thema Qualitätsvorsprung", sagt Pieper. "Wenn man diesen Toyota-Bonus abzieht, bleibt ein Durchschnittsauto übrig."

Toyota ohne Qualität - das schmerzt. Schon wird in der Branche gemunkelt: Wie stark profitieren einheimische Konkurrenten wie General Motors am Ende vom Imageschaden der Japaner? Kommt das Thema in den Händlerfilialen der US-Rivalen bei Verkaufsgesprächen auf den Tisch? "Es ist, wie wenn man BMW die Dynamik absprechen würde", sagt Analyst Pieper.

Dabei ist es nicht nur die verrutschte Fußmatte, die Toyota zu schaffen macht. Die Insolvenzen der Platzhirschen General Motors und Chrysler hat die US-Wirtschaft bis ins Mark getroffen. "Schon seit langem macht sich in den USA eine buy-American-Mentalität breit", berichtet ein Insider. "Die jüngsten Probleme Toyotas spielen denen in die Hände, die meinen, Amerikaner sollten lieber amerikanische Autos kaufen als asiatische."

© SZ vom 1.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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