Krisenmanagement beim Automobilclub:So könnte die Revolution beim ADAC aussehen

ADAC

Mit neuer Führung und neuer Struktur soll der ADAC wieder auf Vordermann gebracht werden.

(Foto: dpa)
  • Am kommenden Wochenende trifft sich der ADAC zu einer außerordentlichen Hauptversammlung. Das Bekanntwerden massiver Manipulationen hatte den Automobilclub im Januar in eine Tiefe Krise gestürzt. Nun soll er für die Zukunft gerüstet werden.
  • Auf dem Programm steht die Präsidentenwahl. Für Interims-Präsident und Reformer August Markl wird es die Woche der Wahrheit.
  • Zur Abstimmung steht auch das von Markl favorisierte Reformpaket. Es würde den Automobilclub in seiner Grundstruktur verändern. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass dem ADAC der Vereinsstatus aberkannt wird.
  • Kurz vor der Versammlung haben der Verein und sein früherer Medienchef Ramstetter ihren Rechtsstreit nach SZ-Informationen außergerichtlich beigelegt. Ramstetter gilt als Verantwortlicher für Manipulationen beim Autopreis "Gelber Engel".

Von Bastian Obermayer und Uwe Ritzer

Aus einem der hinteren Fenster der ADAC-Zentrale im Münchner Westend lugte in den vergangenen Wochen starren Blicks ein Skelett nach draußen. Auf dem Totenkopf ein dunkles Käppi, über den blanken Rippen ein gelbes T-Shirt mit ADAC-Logo. Sah man hier eines der Opfer der Reformen? Oder wollte da jemand bedeuten, der ADAC sei nur noch ein Gerippe seiner selbst? Der ehemals große ADAC?

Tatsächlich scheint man beim ADAC einfach erkannt zu haben, dass eine ordentliche Portion Selbstironie schwere Zeiten leichter macht - dafür spricht auch der Begleiter des Skeletts: ein Teddybär.

Die schweren Zeiten sind beim mit 19 Millionen Mitgliedern größten europäischen Automobilclub bekanntlich im Januar ausgebrochen, als die Manipulationen bei der Wahl zum "Lieblingsauto der Deutschen" aufflogen, einem bis dahin nicht ganz unwichtigen Autopreis. Dieser Vorgang, der Umgang der damaligen Führung mit der Krise und viele fragwürdige Geschäfte des ADAC, die anschließend öffentlich diskutiert wurden, beschädigten das wichtigste Kapital des Vereins: Das Vertrauen der Deutschen.

Noch nie war in Deutschland ein derartiger Riese schneller und tiefer gestürzt. Das Amtsgericht München prüft sogar, ob der ADAC noch zu Recht ein Verein ist; wann die Entscheidung kommt und wie sie ausfällt, ist allerdings völlig unklar. Klar ist nur: Würde der Vereinsstatus aberkannt, wäre das der Super-Gau. Es würde den ADAC viele Millionen Euro kosten und einen Gutteil seiner Identität.

Die Prüfer vom Münchner Amtsgericht werden mit Sicherheit genau verfolgen, was am kommenden Wochenende in München passieren wird: Am Nikolaustag trifft sich der ADAC zur ersten außerordentlichen Hauptversammlung in seiner 111-jährigen Geschichte. Der wichtigste Programmpunkt: Die Delegierten sollen ein Reformpaket verabschieden, mit dem unter anderem verhindert werden soll, dass der Vereinsstatus aberkannt wird.

Oberster Krisenmanager des ADAC

Außerdem sollen sie den Mann zum Präsidenten wählen, der die Reformen vorangetrieben hat: Interims-Präsident August Markl. Für ihn wird es die Woche der Wahrheit, denn ob seine ADAC-Kollegen ihm wirklich mit der überwältigenden Mehrheit folgen werden, die all die Reformen legitimieren würde, ist längst nicht gewiss.

Markl, ein 66-jähriger Radiologe aus Schaftlach bei München, wurde zum obersten Krisenmanager des Vereins, nachdem der langjährige Präsident Peter Meyer und der oberste ADAC-Manager, Geschäftsführer Karl Obermair, über die Affäre gestolpert waren. Markl, bis dahin einer von fünf Vizepräsidenten, war plötzlich Herr im ADAC-Haus.

Gerüchte über handstreichartige Übernahme

Anfangs hatte er kategorisch ausgeschlossen, seiner Zeit als Übergangspräsident auch eine wahrhaftige Wahl folgen zu lassen. Jetzt also doch die Volte. Das Lager seiner Gegner behauptet, die Macht habe Markl eben zu gut geschmeckt. Markls Freunde sagen, er habe sich geopfert, weil nicht, wie eigentlich geplant, die große Persönlichkeit von außen gefunden worden sei, die dem ADAC ihr Gesicht geliehen hätte.

Krisenmanagement beim Automobilclub: Der ADAC, Helfer in der Not? Das Motiv aus dem Jahr 1925 wirkt derzeit besonders alt, aktuell ist der ADAC selbst hilfsbedürftig.

Der ADAC, Helfer in der Not? Das Motiv aus dem Jahr 1925 wirkt derzeit besonders alt, aktuell ist der ADAC selbst hilfsbedürftig.

(Foto: TV Yesterday)

Und dann gibt es noch diese Geschichte, die nach SZ-Informationen Anfang November bis in den Beirat getragen wurde: Aus dem Lager der Reformgegner - die vor allem in den Regionalclubs zu finden sind, wo im Zug der Reform die größten Machtverluste entstehen würden - soll eine handstreichartige Übernahme des Vereins geplant worden sein. Man habe einen Kandidaten präsentieren wollen, der Macht und Ansehen im Verein genießt, und doch eher gegen die Reform stand.

Also, so sagt es ein hochrangiger Reformer, "haben wir Markl in die Pflicht genommen." Mit dessen Kandidatur sei klar gewesen, dass nur er Chancen habe.

Reformpaket zerlegt Grundstruktur des ADAC

Ob sich all das genau so zugetragen hat, oder ob mit dieser Erzählung vor allem die Reihen geschlossen werden sollten, ist für die vier unabhängigen Mitglieder des Beirats letztlich nicht entscheidend. Wichtiger sei, sagt etwa Beirätin Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, "dass Markl die Reform glaubwürdig verkörpert." Sie sagt aber auch: "Ich kann mir gut vorstellen, dass das, was jetzt geplant wird, zur ein oder anderen internen Diskussion beim ADAC führen wird."

Und so ist es: Wenn das von Markl favorisierte Reformpaket am Samstag eine Mehrheit findet, wird dies den ADAC in seiner Grundstruktur verändern. Das zeigt eine Reihe von internen Dokumenten, die der SZ vorliegen. Demnach soll der Verein ADAC vom Konzern ADAC getrennt werden.

Provinzfürsten entmachten

Der kommerzielle Teil des ADAC soll dabei von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Warum? Der Geschäftsführer einer GmbH ist weisungsabhängig vom Gesellschafter. Der Vorstand einer AG nicht - so lautet die Begründung in einer internen Präsentation. Das hieße: Die ADAC-Präsidialen könnten künftig nicht mehr mit Weisungen Einfluss auf das operative Geschäft nehmen.

Damit würde auch das bisherige ADAC-Prinzip - nämlich dass ehrenamtliche Provinzfürsten in alles hineinregieren können - abgeschafft. Eine kleine Revolution.

Eine ADAC-Stiftung soll zudem 25,01 Prozent an der künftigen AG halten. Damit hätte die Stiftung, in der auch externe Entscheider sitzen sollen, laut Aktienrecht bei wesentlichen Entscheidungen eine Sperrminorität. Unklar bleibt, wie unabhängig diese Stiftung sein wird, wer dort das Sagen hat und wer die Kontrolle.

Die neue Struktur ist das Grundgerüst der Reformen, die sich durch fast jeden Bereich des ADAC ziehen sollen. Auch, weil zur Hochzeit der Krise im Frühjahr fast aus jedem Bereich haarsträubende Zustände ans Licht gekommen waren.

In sieben Reformgruppen wurden die Themen diskutiert, und der Verein soll sich grundlegend ändern: vom Leitbild bis zu den Leistungen, von den Rechtsformen bis zur Unternehmenskultur. Mehr Transparenz, mehr Mitgliedereinbindung, weniger Geschäftemacherei, weniger Tests, und, auch das, weniger Einmischung in die große Politik.

Anderer ADAC ist möglich

Bevor sich der ADAC in Zukunft etwa zu verkehrspolitischen Themen öffentlich positioniert, sollen online Mitglieder befragt werden. Bislang entschieden ausschließlich der Präsident und seine Paladine darüber, wofür und wogegen der ADAC eintrat, von der Maut bis zum Tempolimit. Es wäre ein anderer ADAC, keine Frage.

Vieles bleibt zwangsläufig noch im Vagen, etwa wie man die Mitglieder genau einbinden will - und ob sie das überhaupt wollen, wie ein Beiratsmitglied unkt. In manchen Bereichen konnten sich auch die alten Fraktionen durchsetzen, etwa wenn es um die problematische aber lukrative Doppelfunktion hoher ADAC-Funktionäre geht, die weiterhin gleichzeitig ADAC-Vertragsanwälte sein dürfen. Ein Vorgang, der Beiratsmitglieder geradezu empört.

Mit der großen Linie aber, und vor allem mit der Reformwilligkeit der Münchner ADAC-Spitze, ist der Beirat sehr zufrieden. Der Reformentwurf wird am Freitag von den Delegierten nichtöffentlich beraten, ehe am Samstag die Hauptversammlung darüber abstimmt. Die Spannung steigt täglich.

Vergleich beendet Streit mit Ex-Medienchef Ramstetter

Denn obwohl Markl mit allen 18 Regionalclubs das Gespräch gesucht hat - wie deren Leute letztendlich stimmen werden ist unsicher. Durchkommen, so heißt es, wird die Reform. Nur wie? "In den Regionalclubs haben viele Angst um ihren Einfluss", sagt ein ranghoher Insider aus der Zentrale, "da brodelt es gewaltig".

Rechtzeitig zur Hauptversammlung hat der ADAC auch die lästige rechtliche Auseinandersetzung mit dem früheren Medienchef Michael Ramstetter beendet. Ramstetter, mutmaßlich Verantwortlicher für die Manipulationen beim Autopreis, hatte nach seinem Rauswurf Kündigungsschutzklage eingereicht. Der ADAC forderte im Gegenzug Schadensersatz. Nun gab es eine außergerichtliche Einigung.

Wie die genau aussieht, soll nicht nach außen dringen, nur so viel: Ramstetter hat eine Ausgleichszahlung zugesagt. Nicht, dass der ADAC das Geld bräuchte. Der Sinn der Zahlung ist ein höherer: Es ist eine Art Geständnis.

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