Kleinwagen in Deutschland:Wir konnten es schon mal

Lesezeit: 3 min

Billige Kleinwagen wie der Tata Nano sind keine neue Idee: In den fünfziger Jahren verkauften sich bei uns Autos wie Lloyd, Isetta oder die Messerschmitt-Kabinenroller ziemlich gut. Warum nicht auch heute?

Günther Fischer

Eigentlich verwunderlich: Ein indischer Automobilhersteller kommt und kauft nicht nur Großbritanniens Edelmarken Jaguar und Land Rover, er stellt mit dem Tata Nano auch das momentan billigste Auto der Welt auf vier Räder. Mit Folgen: Auf allen Automessen weltweit stiehlt der indische Kleinwagen seither den etablierten Herstellern die Schau.

"Leukoplast-Bomber": der Lloyd LP 300 (Foto: Foto: Lothar Spurzem)

Preiswert dank billiger Technik? Alles schon dagewesen

Zwar ist klar, dass dieses Billigauto mit seinem reduzierten Sicherheitskonzept (ohne ESP, Airbags und ABS), den 12-Zoll-Reifen und seinem 0,6-Liter-Motor so nie nach Deutschland rollen wird, europäische und amerikanische Automanager - darunter auch VW-Konzernchef Martin Winterkorn - bestaunen und umkreisen ihn dennoch wie ein Wunderwerk von einem anderen Stern.

Das Staunen und Prüfen verwundert vor allem deswegen, weil der Billig-Nano nicht viel mehr zu bieten hat als deutsche Kleinwagen vor einigen Jahrzehnten auch schon: Es waren Billig- und Kleinst-Autos wie der VW Käfer, die Lloyds von Borgward, die Kabinenroller von Messerschmitt, die Isettas von BMW und all die Goggomobile, die in den Jahrzehnten nach dem Krieg Hochkonjunktur hatten und Deutschland neu motorisierten.

Für die vom Krieg gebeutelten Menschen war der Kaufpreis das einzige und entscheidende Kriterium. Unter der Bezeichnung Lloyd brachte der Hersteller Borgward 1950 deswegen den Kleinwagen LP 300 auf den Markt, dessen Karosserie wegen der damals herrschenden Materialknappheit aus Sperrholz bestand, die mit Kunstleder überzogen war - weswegen er seinen Spitznamen "Leukoplast-Bomber" schnell weg hatte.

Ein 300 cm3 großer und zehn PS starker Zweitakter trieb das 3334 Mark billige Wägelchen an. Das war natürlich nicht viel - weswegen es bei jeder Steigung aufgrund der begrenzten Fahrleistung bald hieß: "Der Lloyd steht am Berg und heult." Aber immerhin: Es gab ihn. Von 1954 an wurde das Holz sukzessive durch Stahl ersetzt, 1955 hielt sogar der Viertaktmotor Einzug.

Deutsche Kleinwagen
:Es ging auch mal billig

Kleinwagen wie der Smart, der Tata Nano oder die kommenden Elektromobile sind keine neue Idee: In den fünfziger Jahren verkauften sich Autos wie Lloyd, Isetta oder die Messerschmitt-Kabinenroller ziemlich gut. Warum nicht auch heute?

1953 begann auch die Serienproduktion des ersten Kabinenrollers - des KR 175. Der Flugzeughersteller Messerschmitt macht es noch billiger als Lloyd und stattete den zweisitzigen und dreirädrigen Kabinenroller für 2100 Mark mit einem von Fichtel & Sachs gelieferten Einzylindermotor aus (173 cm3, neun PS).

Römischer Doppelkopfgott als Namensgeber: Zündapp Janus (Foto: Foto: The Bruce Weiner Microcar Museum)

Ein einziges Allerlei: die Türvarianten

Es gab den Kabinenroller bald mit Plexiglashaube und auch als Cabrio, 1954 wurde er gar vierrädrig. Dennoch bleibt er bis heute wohl das einzige Auto, das zum Einsteigen eine Anleitung brauchte.

Aus der Bedienungsanleitung: "Einsteigen: Das Ein- und Aussteigen ist beim Kabinenroller etwas anders, als Sie es bei anderen Fahrzeugen gewöhnt sind. Vor dem Öffnen der Haube überzeugen Sie sich, ob rechts des Fahrzeugs auch genügend Platz ist. Haube langsam anheben und nach rechts überkippen, bis Lederriemen straff gespannt ist.

Nun wie folgt Platz nehmen: Sitz hochschwenken; Lenkung leicht nach rechts einschlagen; rechten Fuß in Fahrzeugmitte setzen; Platz nehmen; linken Fuß hineinsetzen; beide Füße nach vorn setzen; jetzt erst mit beiden Händen an den schrägen seitlichen Rahmenrohren abstützen und Sitz nach vorne schwenken lassen."

Zum Erfolgsmodell dieser Zeit avancierte jedoch die Isetta von BMW. Am 5. März 1955 stellte der bayerische Hersteller seine kleine "Asphaltblase" vor, deren Fronttür wie bei einem Kühlschrank nach vorne aufklappte und so den Einstieg freigab. Für 2580 Mark gab es anfangs 250 cm3 und zwölf PS. Die Isetta hatte sogar einen Rückwärtsgang - was bei Kleinstwagen damals nicht die Regel war. Angenehmer Nebeneffekt: Zwischen 1955 und 1962 verkaufte BMW exakt 161.728 Stück - was nicht wenig zur finanziellen Gesundung des damals maroden bayerischen Autoherstellers beitrug.

Selbst ein Motorrad-Hersteller wir Zündapp (einst der große Kreidler-Konkurrent) sprang auf den Kleinstwagen-Zug auf und präsentierte 1957 den Janus, ein viersitziges Rollermobil mit Mittelmotor (sonst nur bei Sportwagen üblich). Den Namen Janus bekam es, weil sich die Türen an Front und Bug öffneten und die Fondpassagiere mit dem Rücken zur Fahrtrichtung saßen. Für 3290 Mark (die Heizung kostete 40 Mark Aufpreis) bekamen die Käufer 248 cm3 Hubraum und 14 PS Leistung.

Nur der Vollständigkeit halber: 1954 erschien noch der Victoria Spatz auf der Autobühne (191 cm³, zehn PS, 2957 Euro) und das Goggomobil (anfangs 250 cm3, 3500 Mark) machte von 1955 an der Isetta von BMW heftig Konkurrenz. Nicht zu vergessen: Schon 1946 wurde der erste VW Käfer ausgeliefert (Typ 11, "Brezelkäfer"), am 5. August 1955 bereits der einmillionste Käfer gebaut. Der Rest ist eine bis heute andauernde VW-Erfolgsgeschichte.

Heute muss kein vom Krieg zerstörtes Land wieder aufgebaut werden, auch sind unsere Ansprüche in puncto Sicherheit und Leistung enorm gestiegen. Die deutschen Kleinwagen von einst hätten deswegen - genau wie der Nano auch - in Deutschland keine Chance mehr. Aber all die Lloyds, Isettas und Messerschmitts hatten Charme - gerade durch ihre oft aus der Not heraus geborenen, sehr speziellen Konstruktionen. Auch das fehlt heute.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Klimaerwärmung, der andauernden CO2-Debatte und steigenden Benzinpreise aber wäre es mehr als erfreulich, wenn es endlich wieder einen netten Kleinwagen aus deutschen Landen gäbe (und eben nicht nur einen 20.000 Euro teuren Mini). Wissen und technisches Know-how sind zur Genüge vorhanden. Der Erfolg eines Dacia Logan zeigt zudem, dass auch bei uns die Menschen wieder zunehmend auf den Preis achten.

Leider lässt VWs neue Kleinwagenfamilie noch lange auf sich warten, von BMW und Mercedes ist in diesem Segment wohl nichts zu erwarten. Hersteller wie Toyota dagegen - und viele andere - arbeiten bereits jetzt mit Hochdruck an kleinen automobilen Lösungen.

© sueddeutsche.de/als - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: