ICE-Direktverbindung nach Kopenhagen:Auf Linie gebracht

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Von diesem Wochenende an gibt es erstmals wieder eine direkte Bahnverbindung zwischen Berlin und Kopenhagen.

Klaus C. Koch

Hier wohnt der Friede: Moore, Wiesen und ab und zu ein kleinerer See prägen das platte Land zwischen Heringsdorf und Scharbeutz. Büsche und Bäume ducken sich unter dem Wind. Der Mensch, so er Zeit hat, genießt die Idylle.

Traut vereint: Der ICE neben Sattelschleppern und Omnibussen auf der Fähre. (Foto: Foto: Deutsche Bahn AG)

Das tun auch die Reisenden in dem weißen Lindwurm, der sich im Zeitlupentempo durch die Landschaft bewegt. Auf der einspurigen Strecke muss der Lokführer des ICEs das Tempo stark drosseln. Mitunter eilen Radfahrer auf einem Feldweg vorbei. Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, und auch keine Oberleitung das Panorama verschandelt, muss der Zug öfter stoppen, damit der Gegenverkehr passieren kann.

Mit der Fähre nach Dänemark

Ob zwischendurch das Bullern der Dieselaggregate verstummt, um die Umwelt zu schonen, oder der Lokführer nur testen will, ob die Maschine auch wieder anspringt, steht unausgesprochen im Raum. Richtung Rödby und Kopenhagen wollen wir heute noch, und auch die Fähre wartet nicht ewig.

Vom 9. Dezember an gibt es zwischen Berlin, Hamburg und der dänischen Hauptstadt erstmals wieder eine Direktverbindung der Bahn. Und zwar mit dem schnellsten Dieselzug, den Deutschland je hatte.

"Velkomm" (Willkommen) an Bord heißt es jetzt. Aber der "Nödhammer" bleibt, wo er ist, "misbrug er strafbart" - Missbrauch wäre strafbar. Hinweise auf den richtigen Gebrauch der Toilette, des Telefons und der Sitze erscheinen zwar immer noch auf Deutsch, Französisch und Englisch. Aber Italienisch wurde gegen die Sprache der Nordmänner getauscht.

Berlin-Kopenhagen
:Übers Wasser rollen

Direkt und ohne Umsteigen - ab 9. Dezember fährt täglich ein ICE von Berlin nach Kopenhagen. Und über die Fähre.

Tatsächlich ist der ICE TD mit Geschwindigkeiten von mehr als 200 km/h der rasanteste Dieseltriebwagen, der je auf deutschen Schienen verkehrte - wenn er verkehrte. Denn der VT 605, im Jahr 2001 als "Renner" in Dienst genommen, war bislang ein Sorgenkind. 20 Stück wurden damals gekauft. Rund 14 Millionen pro Zugeinheit - damals noch in Mark - kostete das Vergnügen, mit 2857 PS, Turbolader und der wegen ihrer Anfälligkeit bald berüchtigten Neigetechnik auch auf Nebenstrecken hohes Tempo zu fahren.

Bei Großenbrode geht es über die Brücke nach Fehmarn und in Puttgarden auf eine der Autofähren. (Foto: Foto: dpa)

Der löbliche Ansatz, nicht nur die Hauptstrecken mit kurzen Fahrzeiten zu versorgen, ging in zahlreichen Pannen unter. Schon bei der Premiere auf der kurvenreichen Trasse von Nürnberg nach Dresden blieb die politische Prominenz aus Bayern und Sachsen beinahe auf der Strecke. Im Bahnbetriebswerk Hof stürzte ein Triebwagen von einer Hebebühne, beim ICE Franken-Kurier brach Anfang Dezember 2002 eine Radsatzwelle.

Neigetechnik stillgelegt

Das Eisenbahn-Bundesamt legte die Neigetechnik still. Nach Sachsen sowie zwischen München und Zürich durften die schnellen Dieselzüge fortan nur noch ohne verkehren.

Nach Ausbesserungen hätten sie sich von Herbst 2003 an wieder in die Kurve legen dürfen. Doch diesmal war die Bahn - wegen der Preisschwankungen des Brennstoffs und der Mineralölsteuer - dagegen. Die Diesel-Baureihe landete auf dem Abstellgleis. Bei Gelegenheitsverkehren, etwa anlässlich der WM 2006, leisteten die Diesel-ICEs dann wieder gute Dienste.

Jetzt lernt der Diesel erstmal Schwimmen. Line Lundum Matthäi, Projektleiterin der Dänischen Staatsbahnen (DSB), gibt sich tapfer. Die Lokführer der DSB, sagt sie, seien begeistert.

Bei Großenbrode geht es über die Brücke nach Fehmarn und in Puttgarden auf eine der Autofähren, die über den Belt nach Rödbyhavn im Stundentakt fahren. Durch die geöffnete Bugklappe schiebt sich der mehr als hundert Meter lange ICE 78762 neben Sattelschleppern und Omnibussen aufs Unterdeck.

45 Minuten dauert die Überfahrt, etwa eine Viertelstunde das Be- und Entladen. Damit die Akkus des ICEs nicht in die Knie gehen, wenn jemand vergessen sollte, die Mikrowelle im Bistro abzuschalten, wird der Zug an die 1000-Volt-Bordstromanlage der FS Deutschland angeschlossen.

In Rödbyhavn darf der Lokführer dann endlich von der deutschen auf die dänische Geschwindigkeitsanzeige umschalten. Der Vorteil des Dieselantriebs ist, dass keine unterschiedlichen Stromsysteme aufeinander abgestimmt werden müssen, wie sie die Anpassung des ICEs zwischen Paris und Mannheim verteuerten.

Steuermerkmale und Sicherheitssysteme, die beim Überfahren eines Signals, das auf Rot steht, den Zug automatisch zum Stehen bringen, mussten trotzdem angepasst werden. So kostet es immer noch eine Million Euro pro ICE, sagt DB-Projektleiter Lars Müller, bis der deutsche Hochgeschwindigkeitszug "Dänisch kann".

1800 Meter Kabel für 120 Anschlüsse mussten die Techniker pro Triebkopf verlegen, Platz für 50 neue Komponenten musste her, und für weitere fünf Zentner an Schaltschränken. Neben der deutschen Linienzugbeeinflussung LZB und der punktförmigen Zugbeeinflussung PZB galt es, die Funkanlage und den Zentralrechner für das dänische Zugbeeinflussungssystem, das GPS-Ortungssystem und den Havarielog, den dänischen Unfalldatenschreiber, unterzubringen. Schließfächer wurden in eine Gepäckablage umgebaut, ein zusätzlicher Feuerlöscher montiert.

Angenehme Arbeitsbedingungen

Großes Vergnügen macht es, neben dem Lokführer zu sitzen. Nicht nur der Aussicht halber, sondern weil der sogar über eine Halterung für Kaffeetassen verfügt. Sie wurde von den Dänen rechts vom Kontrollpult erbeten, um während der Fahrt nichts vom Getränk zu verschütten. Schräg hinter dem Fahrer wurde eine Ablage gepolstert, um dänischen Gewerkschaftern, die die Arbeitsbedingungen der Kollegen regelmäßig überprüfen, das Sitzen angenehm zu gestalten.

Ökologisch, heißt es, punkte der Diesel-ICE mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 14,3 Liter pro Person auf der 650 Kilometer langen Strecke zwischen Berlin und Kopenhagen, das sind 2,2 Liter auf 100 Kilometer. Entsprechend positiv sei auch die CO2-Bilanz: 56 Gramm Ausstoß pro Kilometer. Schade, dass er keinen Partikelrußfilter hat.

Im Stand bullern die Lkw-Dieselmotoren US-amerikanischer Bauart im Takt der (mit denselben 19-Liter-Hubraum-Aggregaten von Cummins ausgestatteten) Nahverkehrstriebwagen VT 612, im Bordbistro klingeln die Gläser, und wirkliche Laufkultur ohne lästige Vibrationen vermittelt der ICE TD nur im günstigen Drehzahlbereich.

Dafür vermittelt die Tour mit der Fähre, bei der die Passagiere aussteigen und sich an Deck tummeln dürfen, Urlaubsstimmung. Nun hofft die Deutsche Bahn auf entsprechende Fahrgastzahlen, um auch die restlichen Diesel-ICEs entmotten zu können.

© SZ vom 08.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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