Honda Accord:Schönheit muss leiden

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Der neue Honda Accord setzt Form vor Funktion: Außen ist er größer geworden, aber Gepäck passt nun weniger rein.

Joachim Becker

Autos werden immer größer, da macht der neue Honda Accord keine Ausnahme: Mit rund 4,75 Meter zwischen den Nummernschildern gehörten Limousine und Tourer schon bisher zu den langen Kerlen ihrer Klasse. An diesem Gardemaß ändert sich auch in der achten Modellgeneration nichts. Acht Zentimeter mehr Breite (1,84 Meter) lassen Hubgaragen allerdings kneifen wie einen alten Konfirmationsanzug.

Doppelpack: Der Honda Accord mit neuem Auftritt - vorgestellt als Kombi und als Limousine. (Foto: Foto: Honda)

25 Prozent weniger Kofferraum beim Tourer

Und zumindest beim Kombi weckt der stattliche Auftritt falsche Erwartungen. Während die Passagiere komfortabel untergebracht sind, reist das Gepäck nun deutlich beengter. Der Kofferraum schrumpfte um mehr als 100 auf 406 Liter, damit der Tourer nicht mehr wie ein Lastesel aussieht. Bei der Schönheitsoperation wurde der hintere Überhang gekürzt, die Dachlinie abgesenkt und Schultern sowie Radläufe ausgeformt. Und siehe da: Der alte Lademeister verwandelte sich auf wunderbare Weise in einen schicken Lifestyle-Kombi, der prompt den begehrten Red Dot Design Award erhielt.

Wer vom aktuellen Tourer auf den Nachfolger umsteigt, muss also auf ein Viertel des gesamten Stauvolumens verzichten. Bei umgeklappten Rücksitzen sank die maximale Beladung von 1657 auf 1252 Liter - eine Schrumpfkur auf Sportwagon-Niveau. Der VW Passat bietet bei ähnlicher Außenlänge bis zu 1731 Liter Laderaum.

Ein Fahrrad passt zwar immer noch zwischen die Federbeindome des Honda. Die Rolle des Raumtransporters überlässt der Tourer jetzt aber anderen. "Beim CRV hatten wir wegen der hohen Nachfrage anfangs Lieferprobleme mit der Topausstattung. Mehr als die Hälfte der Käufer des SUV kamen von deutschen Marken wie Audi und Mercedes", sagt Alexander Heintzel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit.

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Was die Qualität betrifft, kommt der Accord den Klassenbesten tatsächlich nahe. Bereits die sechste Modellgeneration belegte den ersten Platz ihrer Klasse in der deutschen Kundenzufriedenheitsstudie von J.D. Power & Associates. Auch der Nachfolger macht mit hochwertigen Interieurmaterialien einen soliden Eindruck. Nur einige Hartplastikblenden und das mit Knöpfen übersäte Cockpit der Executive-Ausstattung trüben das Bild ein wenig.

Auch das Fach darunter hilft nicht viel: Der Kofferraum schrumpfte um mehr als 100 auf 406 Liter. (Foto: Foto:)

Technik, Technik, Technik

Mit der Mischung von Dreh- und Drückreglern über der Mittelkonsole wird die Bedienung des Navigations- und Soundsystems zum Geduldsspiel. Nicht weniger verwirrend ist die Schalter-Klaviatur auf dem Lenkrad. Wer glaubt, ein Volant diene hauptsächlich zum Lenken und Hupen, ist noch nicht im Zeitalter moderner Assistenzsysteme angekommen.

Mit dem Advanced Safety Paket für 2450 Euro will Honda zu den besten deutschen Wettbewerbern aufschließen. Die adaptive Temporegelung, ein aktiver Spurhalteassistent und ein radargesteuertes Notbremssystem, das automatisch mit bis zu 60 Prozent der Bremsleistung verzögern kann, versprechen Sicherheit rundum.

So viel intelligente Elektronik ist gewöhnungsbedürftig. Wird sie aktiviert, piept und blinkt es allerorten, die unachtsame Annäherung an den Mittelstreifen wird mit einem strengen Warnton quittiert, während die Lenkung sachte gegensteuert. Vor der Qual dieser Wahl stehen aber ohnehin nur Käufer der Executive-Versionen, denen das Sicherheits-Paket vorbehalten bleibt.

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Der 150-PS-Diesel und der 201-PS-Benziner kosten mit der Topausstattung jeweils rund 34.600 Euro - plus besagter 2450 Euro für die Rundumsicherheit. Damit liegt der Accord Tourer ziemlich genau auf dem Preisniveau eines VW Passat Variant Highline TSI mit 200 PS. Allerdings lässt der Japaner auf diesem Niveau kaum Wünsche offen: Neben der Volllederausstattung und den elektrisch einstellbaren Frontsitzen gehören auch ein Premium-Sound-System und ein kleines Glasschiebedach zum Paketumfang.

Die Form muss überzeugen

Während der Diesel (in der mittleren Elegance-Ausstattung ab 29.975 Euro) brave Hausmannskost bietet, wird der überarbeitete 2,4-Liter-i-VTEC-Benzinmotor dem Premium-Anspruch eher gerecht. Der Vierzylinder dreht seidig bis 7000 Umdrehungen und liefert seine Kraft gleichmäßig wie eine Turbine. Weniger schön der Durchschnittsverbrauch der Tourer-Version, die mit 9,0 Liter je 100 Kilometer einen Liter mehr verbraucht als besagter Passat TSI mit 200 PS. Der doppelt aufgeladene Turbo aus Wolfsburg stemmt zudem schon bei 1800 Touren bärige 280 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Solcher Kraft von unten kann der Accord wenig entgegensetzen, er erreicht maximal 234 Newtonmeter erst bei 4300 Umdrehungen.

Für einen Spitzenplatz in der Champions-Leage reicht das nicht, aber vielleicht kann der Accord ja mit seinen Formen überzeugen.

© SZ vom 3.5.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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