Bedienkonzepte in Autos:Sprachgesteuerte Befehlsverweigerer

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Eine Probandin fährt während der Studie durch Salt Lake City. (Foto: AP)

Dem Navi die Adresse diktieren, das Telefon per Zuruf steuern: Spracherkennung soll Autos sicherer machen, weil sie den Fahrer weniger ablenkt. Tatsächlich kann sie aber auch das Gegenteil bewirken.

Von Helmut Martin-Jung

Die gute Nachricht zuerst: Es gibt heute schon sprachgesteuerte Systeme, die einem beim Autofahren das Fummeln an Reglern und Knöpfen ersparen. Sie sind sicherer, weil sie nicht bloß zuverlässig funktionieren, sondern der Blick so aufs Verkehrsgeschehen gerichtet bleibt. Und jetzt die schlechte Nachricht: Die meisten dieser Infotainment-Systeme fürs Auto lenken aber ähnlich oder sogar noch mehr ab, wie wenn man im Auto mit dem Handy telefoniert. So lassen sich grob zwei Studien zusammenfassen, welche die University of Utah und die Stiftung für Verkehrssicherheit des US-Automobilverbandes veröffentlicht haben.

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Sprachsteuerung gilt eigentlich als das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, die vielfältigen Möglichkeiten zu nutzen, die sich mit dem Einzug von Elektronik und Internet ins Auto ergeben: Als Fahrer kann man sich Mails oder SMS vorlesen lassen und per Spracheingabe beantworten, man kann dem Navigationssystem Anweisungen geben, Internetradio hören oder sich aus dem reichhaltigen Angebot an digitalisierter Musik auf einem Speichermedium ein individuelles Musikprogramm zusammenstellen. Und für Autokäufer wird es auch immer wichtiger, dass ihr Neuer das kann. 20 Prozent der Kunden, bei Vielfahrern sogar 40 Prozent, würden Umfragen zufolge die Automarke wechseln, wenn die Konkurrenz elektronisch besser aufgestellt wäre.

In einer der beiden Studien ließ ein Team der University of Utah 36 Versuchspersonen in sechs verschiedenen Autos auf einer kurzen Teststrecke in Salt Lake City fahren, die durch ein Wohngebiet führte. Dabei mussten die Probanden verschiedene Aufgaben erfüllen wie zum Beispiel eine zehnstellige Telefonnummer eingeben oder ein Musikstück von einer CD abspielen - alles mithilfe der jeweils eingebauten Sprachsteuerung.

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Systemfehler lenken ab

Indem sie eine Reihe von Messwerten erfassten, zum Beispiel die Reaktionszeit auf Signale oder die Herzfrequenz, versuchten die Forscher einen Maßstab dafür zu finden, wie stark es die Probanden mental beanspruchte, wenn sie die geforderten Aufgaben erfüllten. "Wenn diese Systeme komplexer werden, etwa beim Senden von SMS oder beim Posten auf Facebook, treibt das die Belastung ganz schön hoch und kann beim Fahren gefährlich sein", sagte einer der Autoren, der Psychologieprofessor David Strayer der Nachrichtenagentur AP.

Es gibt jedoch Unterschiede. Während Apples Siri - getestet allerdings ohne die neue Hands-free-Funktion - schlechte Noten bekam, schnitt das integrierte System von Toyota ordentlich ab. Wer es nutzt, wird der Studie zufolge nicht mehr belastet, als wenn er einem Hörbuch lauschen würde. Was aber macht ein gutes System besser ? Nach den Erkenntnissen von Strayer und seinem Team schneiden die Infotainment-Einheiten am besten ab, bei denen man klar und konzis zum Ziel geführt wird. Es lenkt dagegen stark ab, wenn das System Fehler macht, die der Fahrer korrigieren muss.

Eigentlich aber ist die ganze Sache ohnehin nur eine Übergangslösung. Wenn es in einigen Jahren selbstfahrende Autos geben wird, dann kann man sich wieder ganz aufs Simsen und Posten konzentrieren.

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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