Orkanschäden:Hauptbahnhof wegen Sturms geschlossen

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Orkanböen verschieben Fenster, Teile des Glasdachs sind einsturzgefährdet - die Polizei räumt deshalb die Gleishalle. Tief "Niklas" fegt mit brachialer Gewalt über München hinweg. Bis der S-Bahn-Verkehr wieder geregelt ablaufen kann, dürften noch Tage vergehen

Von Martin Bernstein und Stefan Simon, München

Das Schlimmste schien schon überstanden zu sein - da erwischten die Folgen von Sturmtief Niklas die Münchner am Dienstagnachmittag doch noch mit voller Wucht. Um 16.15 Uhr wurde die Bahnsteighalle des Hauptbahnhofs geräumt. Minuten zuvor waren Glasfenster aus der Deckenkonstruktion auf Gleis 25 heruntergefallen. Für Reisende, die zu dieser Zeit auf den Bahnsteigen im Hauptbahnhof warteten, weil wegen Sturmschäden auf den Strecken fast alle Verbindungen ausgefallen waren, bestand Lebensgefahr.

Die Räumung des Hauptbahnhofs verlief laut Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner trotz der angespannten Situation reibungslos. Nur ein einziger Reisender wollte zunächst nicht einsehen, warum er die Gleishalle verlassen sollte. Weil zu diesem Zeitpunkt auch noch Starkregen einsetzte, drängten sich Hunderte Menschen in der Schalterhalle und im Zwischengeschoss.

Am frühen Abend versuchte die Bahn dann, provisorisch einige Züge über den nicht gesperrten Bereich an den Flügelbahnhöfen abzuwickeln. Die Sperrung der Haupthalle konnte erst Stunden später, gegen 21 Uhr, aufgehoben werden.

Ungewohntes Bild: Weil Teile des Glasdachs einsturzgefährdet sind, wird die Gleishalle des Münchner Hauptbahnhofs am Dienstagnachmittag abgeriegelt. (Foto: Florian Peljak)

Weil zuvor lange Zeit unklar war, ob der Bahnhof am Abend überhaupt wieder geöffnet werden kann, wurden Reisende nachmittags per Durchsage gebeten, sich für die Nacht eine Unterkunft zu suchen. Das Technische Hilfswerk prüfte die Dachkonstruktion. Etwa 30 Experten nahmen Glasplatte für Glasplatte in Augenschein - und das unter erschwerten Bedingungen: Sturmböen peitschten immer wieder Regen gegen das Dach. Die meisten Reisenden reagierten gelassen. Manche machten sich auf die Suche nach einem Quartier, andere warteten auf eine Aufhebung der Sperrung, einige suchten Unterschlupf bei der Bahnhofsmission.

Der Hauptbahnhof ist schon lange ein Sanierungsfall. Er wurde 1960 gebaut, seither nie verändert und gilt als marode. Vom Sommer an sollten das Dach der Gleishalle saniert oder komplett erneuert werden - jenseits der bestehenden Neubaupläne für andere Teile des Bahnhofs. Die Sanierung dürfte nun an Dringlichkeit gewinnen. Vor einigen Tagen hatte die Bahn erklärt, dass die Dachhaut durch "Witterungseinflüsse abgenutzt" sei und "einzelne undichte Stellen" aufweise. Das Dach ist fast 29 000 Quadratmeter groß. Insgesamt ist die Halle des Hauptbahnhofs 140 Meter breit. Sie hat neben Randstützen nur noch eine Mittelstützenreihe.

Viele Bäume hat Niklas in der Stadt umgerissen - so wie hier in Großhadern. Ernsthaft verletzt worden ist dabei niemand. (Foto: Catherina Hess)

Die Sperrung des Hauptbahnhofs war bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe die dramatischste Folge von Niklas in München. Das Sturmtief war mit brachialer Gewalt und Spitzengeschwindigkeiten von mehr als hundert Stundenkilometern über die Stadt hinweggefegt; Polizei und Feuerwehr in Stadt und Umland rückten zu fast 3000 Einsätzen aus. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen mussten sie eine tote Frau bergen: Ein Baum war bei Dietramszell auf ihr fahrendes Auto gestürzt. Sonst aber blieb es bis zum Abend bei leichten Verletzungen und Sachschäden.

In den Einsatzzentralen gingen die Notrufe zeitweise "im Sekundentakt" ein, wie ein Polizeisprecher sagte. Bäume stürzten um, Äste fielen auf Straßen, Gehwege und Fahrzeuge. Lastwagen-Anhänger wurden einfach umgeblasen, Ziegel und Blechteile von Hausdächern durch die Luft gewirbelt. Die Donnersbergerbrücke war vorübergehend gesperrt, weil sich am Dach eines Autohauses Aluminiumteile gelöst hatten. Wegen der Gefahr blieben Wertstoffhöfe, Friedhöfe, der Schlosspark Nymphenburg, der Tierpark Hellabrunn, Teile des Viktualienmarkts und der Alte Peter geschlossen.

Der S-Bahn-Verkehr wurde am Nachmittag beinahe völlig eingestellt. Die Sturmschäden, vor allem an den Oberleitungen, seien so schwer, dass es noch Tage dauern könne, bis der Betrieb wieder normal laufe, teilte die Bahn mit. Zum morgendlichen Berufsverkehr an diesem Mittwoch hoffe man, zumindest die Linien S 2 von Riem bis Dachau, S 4 von Ebersberg bis Geltendorf sowie die S 8 vom Westkreuz bis zum Flughafen wieder bedienen zu können. Auf allen anderen Abschnitten werden wohl zunächst keine Züge, teilweise aber Busse verkehren.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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