Wo kommen Nachnamen her?:Hier wohnen Hinz und Kunz

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Globalisierung hin oder her - die Deutschen bleiben gern am selben Flecken. Ihre Familiennamen verraten es.

Philip Wolff

Das Stoiber-Eck

Hier wohnen die Namensvetter des bayerischen Ministerpräsidenten. Sie ziehen ebenso ungern aus Bayern weg. (Foto: Alle Graphiken: Kathrin Dräger, Universität Freiburg / DFG-Projekt Deutscher Familiennamenatlas)

Nur wenige Stoibers haben es weit gebracht. Sie ziehen ungern weg aus dem Osten Bayerns.

Zwar ist ihr Mangel an Mobilität nicht größer als jener der Meiers oder Schulzes, doch lässt sich am Stoiber dank seiner seltenen Schreibweise leichter zeigen: Menschen sind regional meist so fest verwurzelt wie Baumarten.

Für den Deutschen Familiennamenatlas haben Forscher Telefonbücher ausgewertet und ermittelt, wie häufig Namen in den einzelnen Postleitzahlenbezirken vorkommen - je größer der Kreis, desto höher der prozentuale Anteil der Stoibers. Die Karten zeigen: Noch immer verraten Namen die geografische Heimat ihrer Träger.

Seit etwa 130 Jahren sogar mit größerer Sicherheit: Seither sind Schreibweisen verbindlich und Meldebeamte dürfen einen gen Norden gewanderten Stoiber nicht mehr hochdeutsch als Stäuber registrieren.

Daheim im Ländle

Namen mit -le am Ende sind vor allem in Baden-Württemberg anzutreffen. (Foto: N/A)

Verglichen mit den Stoibers leben in Deutschland deutlich mehr Menschen, deren Nachnamen auf -le enden. Dennoch haben auch diese Leute sich nicht breitgemacht im Land.

Sie blieben vornehmlich im Südwesten, wo -le als alemannische Verkleinerungssilbe spröde Namen wie Haber in die Koseform Häberle setzt. Gleiches gilt im Süden für Endungen wie -lein und -l. In norddeutschen Regionen wird die Verkleinerung dagegen mit k-Endungen gebildet: Häberke, Häberken oder Häberchen.

Selbst mundartlich geprägte Standesbeamte machten aus einem nach Norden migrierten Häberle keinen Häberke. Eine Verwischung der -le-Grenzen vor der Einführung verbindlicher Namensschreibweisen ist daher so gut wie ausgeschlossen: Menschen aus dem Ländle sind seit vielen Jahrhunderten ihrer Heimat treu.

Viel Mahlen - große Zahlen

Müller (grün) Möller (rot) Miller (blau)

Dank der traditionellen Benennung nach ihren Großvätern hießen in Deutschland irgendwann fast alle Jungen Heinrich oder Konrad. Im 12. Jahrhundert ließen sie sich namentlich kaum noch auseinanderhalten, erste Familiennamen mussten her.

Von den heute 50 häufigsten Namen gehen 30 auf Berufsbezeichnungen zurück. Müller, im schwäbischen Miller, in Mittel- und Norddeutschland Möller, ist der allerhäufigste - eine Art moderner Heinrich unter den Nachnamen. Der Müller war ein früher allerorts unverzichtbarer Berufsstand - auch in Ostbayern, das von Müllern dennoch nur dünn besiedelt zu sein scheint.

Warum? Weil man dort zusammengesetzte Namen bildete, um die verschiedenen Müller zu unterscheiden: in Obermüller, Waldmüller und fast tausend weitere zusammengesetzte -müller.

Geblieben wie geschrieben

Schmidt (hellgrün), Schmitt (rot), Schmid (blau), Schmitz (dunkelgrün)

Die Berufsbezeichnung Schmied wurde ursprünglich kürzer ausgesprochen als heute. Das zeigen die häufigsten Schreibweisen des späteren Familiennamens. Die Karte zeigt aber auch, dass es je nach Region unterschiedliche historische Vorlieben gab, den Namen zu Papier zu bringen: Im Westen bis zur Mitte Deutschlands mit zweit, im Süden mit d und überall gern mit dt.

Vor allem die Niederrheiner zeigen hier, wie bei vielen Namen, eine Vorliebe für Genitive zur Bezeichnung der Angehörigen "des Schmiedes" beziehungsweise "Schmitz".

Im niederdeutschen Sprachgebiet, das sich nördlich einer Linie befindet, die etwa durch Düsseldorf verläuft, sind Berufsnamen generell seltener als im süddeutschen Raum. Warum, ist unklar. Betroffen waren Schmiede, Müller - aber nicht die Meyer.

Das Meier-Loch

Meier (dunkelblau), Meyer (hellblau), Maier (dunkelgrün), Mayer (hellgrün)

Auch die Schreibweise der Maiers, ursprünglich "maiores", die vom Adel mit der Hofbewirtschaftung beauftragt waren und Abgaben eintrieben, hing von regionalen Vorlieben ab.

Sie wurde, wie alle Namensschreibweisen, erst Mitte der 1870er- Jahre verbindlich. Während im Norden die e-Varianten dominieren, haben im Süden die a-Formen die Übermacht.

Lediglich in Franken und Südbaden gibt es ein friedliches Nebeneinander - und das seit jeher, auch ohne große Umsiedlung: Wie wenig sich die Mayers, Maiers, Meyers und Meiers bewegt haben, sieht man an der noch heute deutlichen Ausprägung des sogenannten Meier-Lochs in der Mitte Deutschlands.

Dort gab und gibt es kaum Träger dieses Namens, weil man den maior dort Hof(f)mann nannte: den Mann, der für den Hof zuständig war.

Krieger und Vertriebene

Schulz (grün), Schulte (blau), Scholz (rot)

Während direkt im Meier-Loch die Hof(f)manns dominieren, werden dessen westliche Ausläufer von den Schultes gefüllt und an den nordöstlichen Rändern des Lochs leben die Schulzes. Beide trieben ursprünglich als Schultheißen die Schuld, also die Abgaben, ein und verwalteten - wie andernorts die Meier - im Auftrag des Adels die Ländereien.

Die starke nordöstliche Verbreitung der Schulzes geht zurück auf die zum Teil kriegerische Besiedlung des heutigen Ostdeutschlands, einer vormals slawischen Region, durch die Deutschen vom 12. Jahrhundert an. Die Variante Scholz dagegen ist schlesischen Ursprungs.

Ihre dünne, gleichmäßige Verbreitung zeigt: Es handelt sich um Nachfahren Vertriebener, die Ende des Zweiten Weltkriegs in alle Regionen des Bundesgebiets zogen.

Piepen bis zur Lautverschiebung

Pfeifer (grün), Peifer (rot), Pieper (blau)

Die Pfeifer oder auch Pieper waren Blasmusikanten. Die Karte zeigt, dass es sich bei ihnen und den späteren Namensträgern aber kaum um fahrendes Volk handelte.

Die meisten Träger der Namensvarianten, die sich aus regionalen Dialekten gebildet haben, blieben bis heute dort, wo die Dialekte entstanden sind - die Pieper etwa im Norden. Sprachforscher machen dabei gleich zwei regionale Lautwandel für die heutige Verteilung verantwortlich: Im 9. Jahrhundert verwandelte sich während der "Zweiten Lautverschiebung" zunächst südlich einer durch Düsseldorf verlaufenden Dialektgrenze das p in pf oder f.

Das ei anstelle des ie setzte sich schließlich im 12. Jahrhundert von Süden her durch. Im mitteldeutschen Sprachraum bildete sich, als die Familiennamen aufkamen, die Sonderform Peifer.

Fern und nah der Heimat

Huber (rot), Hübner (blau)

Deutschland, ein geteiltes Land, was die Namensvarianten Huber und Hübner angeht? Keineswegs. Die Hubers dominieren lediglich, wie schon vor Jahrhunderten, den Süden und legen damit Zeugnis ab von der regionalen Verwurzelung der Familien.

Die Hübners hingegen sind gleichmäßig dünn über ganz Deutschland verteilt. Namensforscher vermuten daher, dass es sich bei den meisten Hübners um Kriegsflüchtlinge und deren Nachkommen handelt, die im gesamten Bundesgebiet neue Familienwurzeln geschlagen haben.

Typisch ostpreußische, schlesische und sudetendeutsche Familiennamen ergeben meist ein ähnliches Kartenbild. Beide Varianten, Huber und Hübner, bezeichneten ursprünglich den Bauern, der ein eigenes Stück Land (niederdeutsch: eine Hufe) besaß und bewirtschaftete.

Kirchenberufe gab es überall in Deutschland, weshalb die Kösters (rosa), Küsters (rot), Oppermanns (hellblau), Offermanns (dunkelblau), Kirchners (gelb) und Messners (dunkelgrün) auf ganz Deutschland verteilt sind. (Foto: N/A)

Die Tücken der Wortgeschichte

Köster (rosa), Küster (rot), Oppermann (hellblau), Offermann (dunkelblau), Kirchner (gelb), Messner (dunkelgrün)

Die bunte Karte regionaler Namen, die auf Kirchenberufe zurückgehen, führt leicht zu einem Fehlschluss: Ist der Messner tatsächlich das Gleiche wie der Kirchner und wird er nur, je nach Gegend, so oder so genannt?

Bezeichnen Köster und Küster denselben Beruf, die eine Variante vornehmlich im heutigen Westfalen und Niedersachsen und die zweite im Rheinland? Sprachgeografisch scheinen sich die Varianten tatsächlich gegenseitig zu verdrängen.

Aber eben nicht ganz, was an den inhaltlichen Unterschieden der Bezeichnungen liegt: Der Köster war als "costurarius" der Aufseher der Kirchengewänderkammer, der Küster ein "custor": Hüter der Kirche. Der Messner war der "mansionarius", der Hüter des Gotteshauses, Kirchner und Oppermann waren Kirchendiener, der Offermann brachte Opferdienste.

Während ein Violinist im Norden Fiedler geheißen wurden, nannte man sie im Süden Geiger. (Foto: N/A)

Nord-Süd-Gefälle

Fiedler (rot), Geiger (blau)

Einen Violinisten Fiedler zu nennen, ist nicht nett. Geiger geht schon eher. Doch das sind stilistische Grenzverläufe aus der heutigen Zeit.

Früher konnte man beides ohne Wertung sagen, die Grenze war rein geografischer Natur: Im Süden hieß es Geiger, im Norden Fiedler, wie die Verteilung der darauf zurückgehenden Familiennamen zeigt. Dass die Fiedler-Familien heute über ganz Deutschland verteilt sind, führen Sprachwissenschaftler darauf zurück, dass unter den Flüchtlingen des Zweiten Weltkriegs der Name häufig vertreten war.

Und auch für die großen Fiedler-Flecken im Dreiländereck aus Thüringen, Sachsen und Bayern haben die Forscher eine Erklärung. Hier sind "Sippennester" entstanden: Orte, an denen sich männliche Angehörige der Familie Fiedler besonders erfolgreich fortgepflanzt haben.

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