Weltraumforschung:Lauschangriff auf Aliens

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Seit 40 Jahren gibt es Versuche, intelligentes Leben im All zu finden. Im Nordosten Kaliforniens steht nun das erste Radioteleskop der Welt, das rund um die Uhr nach einer Nachricht von Außerirdischen sucht.

Hubertus Breuer

Rick Forster steht vor einem weißen Verschlag und blickt auf ein merkwürdiges Maschinenballett. In einem Talkessel namens Hat Creek im Nordosten Kaliforniens, eingebettet zwischen den schneebedeckten Vulkanen Mount Lassen und Mount Shasta, schwenken ein paar Dutzend silbrig glitzernde Teleskope synchron ihre angewinkelten Schalen in der Sonne.

Das Paul Allen Telescop Array in Nordkalifornien. (Foto: Foto: Paul Allen Telescop Array)

Sie verfolgen einen unsichtbaren Satelliten über den blauen Himmel. "Wir kalibrieren die Antennen noch", sagt der Astronom. "Außerdem müssen wir Satelliten und sogar Sonden lokalisieren, um deren Signale bei künftigen Messungen herauszufiltern. Schließlich wollen wir die nicht mit einer Nachricht Außerirdischer verwechseln."

Es ist still in dieser wilden Ecke Kaliforniens - funkstill. Die Berghänge schützen vor Fernsehsignalen, Handys funktionieren hier nicht. Die nächste Kleinstadt liegt zehn Kilometer entfernt. Ein idealer Standort für das im Oktober vom namensgebenden Microsoft-Mitbegründer eingeweihte " Paul Allen Telescope Array (ATA)".

Das Observatorium fahndet nach den elektromagnetischen Postkarten außerirdischer Zivilisationen. 42 Schüsseln mit je sechs Metern Durchmesser stehen auf dem Lavaboden, in der Luft liegt der ölige Geruch surrender Teleskopmotoren. Irgendwann einmal sollen 350 der Schüsseln wie ein Mosaik ein Superteleskop formen.

"Na, wo sind sie denn?"

Nach über 40 Jahren von Versuchen, intelligentes Leben im All zu finden, ist diese Anlage der erste große Lauschangriff auf die Aliens.

Rund um die Uhr wird das Teleskop künftig das Firmament nach Funksignalen außerirdischer Zivilisationen absuchen. Zuständig dafür ist das in Mountain View bei San Francisco ansässige, privat finanzierte Seti-Institut ("Search for Extratrerrestrial Intelligence"), das sich ganz der Suche nach Außerirdischen verschrieben hat.

Sein Gründer, der Astronom Frank Drake, richtete bereits 1960 die Ohrmuscheln des Green Bank Radioobservatoriums im US-Bundesstaat West Virginia auf die Sterne Tau Ceti und Epsilon Eridani - Fehlanzeige. Mehr als 100 Versuche, im kosmischen Trüben nach Botschaften zu stochern, gab es seither.

Zuletzt hörten von Mitte der neunziger Jahre bis 2004 die Kontakt-Jäger im Rahmen des "Projekts Phönix" 800 sonnenähnliche Sterne in der galaktischen Nachbarschaft ab - vor allem um die Frequenz von 1,4 Gigahertz, einem ruhigen Strahlungsbereich, der auch von Staub- und Gaswolken kaum absorbiert wird. Ein gewiefter E.T., so die Seti-Forscher, würde diese Leitung wählen. Doch die Fahndung fand abermals nur stumpfsinnigen Wellensalat.

Die Experten sind sich uneins, was das Schweigen des Alls bedeutet - gibt es andernorts in unserer Galaxie etwa keine klugen Köpfe, melden sie sich absichtlich nicht oder funktioniert unser Horchposten nicht?

Einer Anekdote zufolge meinte der Physiker Enrico Fermi 1950 beim Mittagstisch in der Laborkantine in Los Alamos, dass eine technisch versierte Zivilisation nach Jahrmillionen Entwicklung längst auf der Erde hätte landen müssen - und schloss die Überlegung mit: "Na, wo sind sie denn?"

Ideal für die Suche nach Vulkaniern und Klingonen

Drake entwickelte in den 1960er Jahren eine Formel mit sieben Faktoren, um abzuschätzen, wie viele der 100 Milliarden Sterne in unserer Galaxie über Planeten mit intelligentem Leben verfügen. Die Rechnung steht und fällt mit den einzusetzenden Größen - die Zahl lebensfreundlicher Planetensysteme, die Wahrscheinlichkeit, dass sich intelligente Wesen entwickeln, oder die mittlere Lebenszeit technischer Zivilisationen.

Da fast alle Werte bis heute nicht hinreichend bekannt sind, gibt es vorläufig keine eindeutige Lösung. Alles kein Hinderungsgrund, meint Seth Shostak, Chefastronom des Seti-Instituts: "Das Einzige, was wir tun können, ist nachzusehen."

Sein Büro in Mountain View zieren Fotos wuchtiger Teleskope, bunter Sternennebel und etliche Plastik- und Stoffaliens. "Das ATA stellt einen Quantensprung für uns dar", erklärt der Astroforscher an seinem kleinen Konferenztisch. Nicht nur, weil es den Datenstrom von Radiosignalen 24 Stunden am Tag nach einem Grußtelegramm durchkämmen wird.

Das Teleskop klappert dank eines zweieinhalb Grad großen Sichtfelds gleichzeitig mehrere Sterne am Himmel ab und deckt simultan diverse Frequenzen zwischen 0,5 und 11,2 Gigahertz ab.

Überdies durchmustert es den Himmel mit nur 42 Antennen bereits so schnell wie das weltgrößte Radioteleskop im puertoricanischen Arecibo, ohne dass die Auflösung der Radioquellen stark leiden müsste. Und ist der Antennenwald erst einmal vollständig angepflanzt, "fegt die Sternwarte alle anderen vom Tisch". Ideal also für die Suche nach Vulkaniern und Klingonen.

Wenn das ATA fertig gestellt ist, werden 350 Radioschüsseln die Milchstraße nach Signalen außeriridscher Zivilisationen absuchen. (Foto: Grafik: Isaac Gary)

Innerhalb von 20 Jahren, rechnet Shostak dann vor, bedeute der Teleskopbetrieb in Hat Creek allein Millionen überprüfter Sonnen. In mehreren 1000 Lichtjahren Entfernung müssten die Fremdlinge allerdings schon mit gigantischen Transmittern trommeln, um sich auf der Erde noch Gehör zu verschaffen.

Doch in der galaktischen Umgebung - in bis zu 1000 Lichtjahren Entfernung - kann das Teleskop künftig ein Signal empfangen, das nur wenig stärker ist als eine mit der Arecibo-Antenne verschickte SMS. Zudem würden sich die Mittel, die Galaxis abzuhorchen, stetig verbessern. Und wenn denn tatsächlich bis zu einer Million Funker in der Milchstraße hausen sollten, wie Shostak keck Drakes Gleichung auflöst, dürfte der nächste Sternenmitbewohner nicht weit sein.

Eine Einschätzung, die nicht jeder teilt. Die amerikanischen Astrobiologen Peter Ward und Donald Brownlee behaupteten vor einigen Jahren in dem Buch "Rare Earth", wir trieben mutterseelenallein durchs Universum - die Bedingungen für komplexes Leben, noch dazu intelligente Sonderausgaben, seien extrem selten.

"Wir sind nicht die große Ausnahme"

Shostak ficht das nicht an: "Angesichts von Abermilliarden Sternen und der allein in den letzten Jahren entdeckten Exoplaneten glaube ich nicht, dass wir die große Ausnahme sind." Die Chancen, auf Empfang zu gehen, stehen in seinen Augen also gut. "Mit dem Telescope Array haben wir ein Fernglas ins All. Zuvor haben wir allenfalls nur durch einen Strohhalm gestarrt."

Obwohl nicht jeder so zuversichtlich ist - und zumeist andere Sorgen hat -, verfolgt die amerikanische Öffentlichkeit die Seti-Forschung stets mit wohlwollendem Interesse. Dennoch sind die Volksvertreter in Washington unwillig, die Suche nach E.T. auch mit nur einem Cent zu finanzieren.

1993 strich der Kongress dem Seti-Projekt der Nasa aufgrund mangelnder Aussicht auf Erfolg die finanziellen Mittel zusammen. Übrig blieb in der Raumfahrtbehörde die Astrobiologie. In dieser Notsituation war es der Großzügigkeit von High Tech-Unternehmern aus dem Silicon Valley - wie David Packard, William Hewlett oder Paul Allen - zu verdanken, dass zumindest das Seti-Institut auf kleiner Flamme nach den hypothetischen Außerirdischen weitersuchen konnte.

Doch auch Förderer sehen es ungern, wenn die Kosten für ein riskantes Unternehmen einen dreistelligen Millionenrahmen sprengen. Ein eigenes Seti-Teleskop stand damals nicht zur Debatte. Ende der neunziger Jahre begann sich jedoch abzuzeichnen, dass die Preise für die Teleskopschüsseln drastisch fallen würden: Sie ließen sich in Serienproduktion ausstanzen, und auch die Elektronik gab es immer effizienter und billiger.

Heute muss man in Hat Creek schlappe 150.000 Dollar für eine Radioschüssel samt Messingschild mit eingraviertem Namen spenden. Der eigentliche Clou des Unternehmens war aber die Kooperation mit einer weltweit angesehenen Universität, die geschickt erlaubte, klassische Astronomie mit der Suche nach kosmischen Nachbarn zu verbinden.

Leo Blitz, in München geborener Direktor des Labors für Radioastronomie an der Universität Berkeley, sitzt in einem Seminarraum im sechsten Stock der Campbell Hall akademisch würdig vor einer weißen mit Gleichungen und farbigen Graphen bedeckten Tafel. "Dank neuer Verstärkertechnologie wussten wir um 1999, dass wir Radiosignale erstmals aufteilen könnten, ohne Information zu verlieren. Einer Zusammenarbeit stand also technisch nichts im Wege."

Jeder profitierte von der Zusammenarbeit: Die Berkeley-Universität erhält Zugang zu Setis wohlhabenden Mäzenen. Die Gönner freuen sich, dass ihr Geld ebenso in seriöse Wissenschaft fließt - so fiel es Paul Allen leichter, 25 Millionen Dollar für die erste Bauphase zu stiften.

Auch ein negatives Ergebnis wäre ein Gewinn

Und schließlich bekommt das Seti-Institut durch die Hintertür Zugang zu staatlichen Fördergeldern: Die von der amerikanischen National Science Foundation vergebenen Gelder für Berkeleys Projekte decken weitgehend die Betriebskosten des Teleskops ab.

Dass Berkeley in Hat Creek offiziell das Sagen hat, bekümmert die Jäger extraterrestrischer Intelligenz wenig. Denn die Hochschule betreibt hier bereits seit 50 Jahren Radioastronomie. Und wenn sich die Parabolantennen in Berkeleys Auftrag drehen, um die Verteilung von Wasserstoffs im Universum zu messen oder das Magnetfeld der Galaxis zu inspizieren, klinkt Seti sich ein und durchforstet das Rauschen im All nach Botschaften aus der Ferne.

Blitz hält das Seti-Projekt für eine gute Sache, doch ist er skeptisch, ob sich mit dem Allen-Teleskop die Nadel im Sternenhaufen finden lässt. "Vielleicht klappt es mit dem geplanten Superteleskop 'Square Kilometer Array', das im nächsten Jahrzehnt aus Tausenden Einzelantennen gebaut werden soll."

Doch ein negatives Ergebnis wäre ebenfalls ein Gewinn, so Blitz, denn es würde zu einem vertieften Verständnis der Erde und unseres Lebens beitragen. Und Shostak gesteht zu: "Wenn wir in den nächsten zwei Jahrzehnten nichts finden, müssen wir uns natürlich die Frage stellen, welchen Sinn die Suche noch hat."

Die kosmische Einsamkeit der Sternenlauscher, die seit Jahrzehnten auf Post aus den Tiefen des Alls warten, endet also womöglich nie. In Hat Creek wirkt diese Isolation greifbar, in der kargen Hochebene, in der außer Kiefern, Büschen, Teleskopen und verschneiten Bergkuppen wenig zu sehen ist. Doch das stört nicht jeden Erdling. Rick Forster erforscht die Geburt kurzlebiger Riesensonnen in der Milchstraße: "Ich lebe seit 18 Jahren hier. Mir liegt die Abgeschiedenheit."

© SZ vom 22.01.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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