Weltraumforschung:Auf den Spuren der ersten Sterne

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Astronomen versuchen mit Hilfe von Computersimulationen die Entstehung der Materie im Universum zu erklären.

Thomas Bührke

Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall herrschte im Universum völlige Dunkelheit. Schwaden aus Wasserstoff und Helium erfüllten den Raum. Dann verdichteten sich einige dieser Wolken, die ersten Sterne entstanden - es wurde Licht.

Der Galaxienhaufen Abell 2218, wie er etwa 750 Millionen Jahre nach dem Urknall aussah. (Foto: Foto: AFP)

Diese Vorgänger unserer Sonne müssen viel schwerer gewesen sein als heutige Sterne, und sie müssen binnen kurzer Zeit ihr Leben in den gewaltigsten Explosionen seit dem Urknall beendet haben.

Nur so lässt sich mit den heutigen Theorien die Entstehung der Materie im Universum überhaupt erklären. Doch von dieser ersten Sternengeneration fehlt bislang jede Spur.

Astrophysiker versuchen nun mit Hilfe von Computersimulationen, die Eigenschaften dieser frühen Giganten zu ergründen. Sie wollen verstehen, wie die stellaren Vorfahren die Entwicklung des Universums beeinflusst haben und gleichzeitig Strategien entwickeln, um Reste der frühen Stern-Giganten aufzuspüren.

Die Mission hat große Bedeutung: Ohne eine erste Sternengeneration ließe sich die Entstehung des Universums mit den gängigen Szenarien der Kosmologie nicht erklären. In den ersten drei bis vier Minuten nach dem Urknall entwickelten sich demnach jene atomaren Bausteine, aus der die heutige Materie zu 99 Prozent besteht.

Doch der Raum expandierte so schnell und die Temperatur sank so rasch, dass nur die leichtesten Elemente Wasserstoff und Helium entstanden. Schwerere Substanzen, wie Kohlen-, Sauer- oder Stickstoff, konnten nicht mehr gebacken werden. Doch es gibt sie im heutigen Universum, und ohne sie könnten weder Planeten noch Leben existieren. Wo also kommen diese Stoffe her?

Erste Sternengeneration aus Wasserstoff und Helium

Sie müssen bei Kernfusionsreaktionen im Innern der ersten Gestirne und bei Sternexplosionen erzeugt und dann an die Umgebung abgegeben worden sein. Dort dienten sie dann als Rohstoff für den Bau der nächsten Generation von Himmelskörpern. Die erste Sternengeneration, die nur aus Wasserstoff und Helium zusammengesetzt war, bestand gewissermaßen aus den Urahnen aller heutigen Sterne und unserer Sonne.

Sie aufzuspüren ist eine der vorrangigen und auch schwierigsten Aufgaben der Astrophysik. Volker Bromm von der Universität in Austin, Texas, ist einer der Wissenschaftler, die sich seit vielen Jahren mit diesem Problem beschäftigen.

Ähnlich wie wenige Gewürze den Geschmack einer Mahlzeit beeinflussen, legen die schweren Elemente die Eigenschaften von Sternen fest, obwohl sie nicht einmal ein Prozent der Gesamtmasse ausmachen. Grund dafür ist, dass sie sehr effektiv Strahlung abgeben. Auf diese Weise leiten sie bei der Sternentstehung Energie aus dem heißen Gasgemisch heraus, das sich unter dem Einfluss der eigenen Schwerkraft zusammenzieht und zu einem Stern verdichtet.

Das Gas kühlt dabei stark ab und kann sich deshalb zusammenziehen, bis der Stern entsteht. Im Urgas fehlten diese kühlenden Substanzen jedoch. Die Schwerkraft musste also bei den ersten Sternen viel größer gewesen sein als bei den heutigen, um sich gegen den Druck des Gases durchzusetzen. Es bildeten sich extrem große Sterne, die bis zu 500-mal schwerer waren als die Sonne.

Das hatte fatale Folgen: Je massereicher ein Stern ist, desto verschwenderischer verpulvert er seine Energie und umso kürzer ist seine Lebensdauer. "Als diese Megasterne nach nur zwei bis drei Millionen Jahren ihren Brennstoff aufgezehrt hatten, vergingen sie als Hypernovae in den wohl gewaltigsten Explosionen seit dem Urknall", sagt Bromm.

Die größten Giganten zerfetzte die Explosion wahrscheinlich vollständig. Sterne mit 100 Sonnenmassen oder weniger kollabierten zu Schwarzen Löchern. Diese konnten dann weitere Materie aus der Umgebung aufsaugen und wurden immer größer.

Schließlich wirkten sie mit ihrer starken Schwerkraft wie Kondensationskeime auf die Umgebung und bildeten - so die Vermutung - die Keime der ersten Galaxien. Auf welche Weise dies geschah, und welchen Einfluss die zentralen Schwarzen Löcher auf die weitere Entwicklung der Galaxien nahm, sind zentrale Fragen der Kosmologie.

Kurzlebige Megasonnen

Gleichzeitig überschwemmten die Hypernovae ihre weitere Umgebung mit den ersten schweren Elementen. Diese Anreicherung ging wahrscheinlich sehr schnell vonstatten.

Das würde auch erklären, warum man in den Lichtspektren von Quasaren, die etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall geleuchtet haben, bereits sehr viele schwere Elemente nachgewiesen hat. Ein Quasar ist ein extrem leuchtkräftiges Zentralgebiet einer Galaxie, in der ein viele Hundert Millionen Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch sämtliche heiße Materie in der Umgebung verschluckt.

Astrophysiker schätzen, dass die ersten Sterne 150 bis 200 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind. Diese Megasonnen selbst wird man in absehbarer Zeit nicht entdecken können, dafür sind sie zu weit entfernt. Aber ihre Explosionen, die bis zu 100-mal mehr Energie freisetzten als heutige explodierende Sterne, sollten sich auffinden lassen.

Das Nasa-Weltraumteleskop Swift sucht seit Anfang 2005 den Himmel nach Gammastrahlenblitzen (Gamma-Ray-Bursts) ab. Sie entstehen, wenn extrem massereiche Sterne explodieren. Der bislang entfernteste Burst ereignete sich knapp eine Milliarde Jahre nach dem Urknall. Er stammte nicht von einer Hypernova der ersten Generation. Grundsätzlich sollte der Satellit aber in der Lage sein, diese zu finden. Sie sollten laut Theorie noch heller sein als "normale" Gamma-Ray-Bursts und länger dauern.

Große Hoffnung setzen Bromm und Kollegen aber vor allem auf den Hubble-Nachfolger, das Weltraumteleskop James Webb, das in sechs Jahren starten soll. "James Webb könnte im Prinzip pro Jahr 100 Hypernovae auf einer Himmelsfläche entdecken, die etwa dem Vierfachen des Vollmonddurchmessers entspricht", sagt Bromm.

Allerdings hat das James Webb stets nur ein Zehntel dieses Himmelsausschnitts im Visier. Und insbesondere gibt es bislang keine ausgereifte Vorgehensweise, die Hypernovae aufzuspüren. Die ist aber nötig, denn schließlich explodieren sie unvorhersehbar an irgendeiner Stelle des Himmels. Bromm hat gerade einen Forschungsantrag bei der Nasa eingereicht, in dem er vorschlägt, eine Suchstrategie zu entwickeln. Sein Projekt wird allerdings mit vielen anderen Anträgen konkurrieren, und Beobachtungszeit wird bei James Webb knapp sein.

© SZ vom 31.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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