Von Betten und Matten:Fremde Nächte

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Andere Länder, andere Schlafgewohnheiten? Von wegen: Wir schlafen immer ähnlicher. Von einigen Ausnahmen abgesehen.

Von Nicola Holzapfel

In schönen Sommernächten träumen manche davon, mal wieder unter freiem Sternenhimmel einzuschlafen. Die wenigsten machen es. Zu sehr sind sie an ihr Bett gewöhnt und daran, für sich zu sein beim Schlafen. In der Öffentlichkeit schläft man nicht, nicht in Deutschland. In anderen Ländern gibt es da weniger Scheu. In Japan gehört das Bild des schlafenden Pendlers zum Berufsverkehr dazu. Auch in der Schule nicken japanische Schüler ganz offen ein: Mit einem Handtuch unterm Kopf dösen sie mitten im Unterricht weg.

Gute Nacht und Augen zu? Das klappt nur, wenn man so schläft, wie man es gewohnt ist. (Foto: Foto: dpa)

Wer bei uns lange arbeitet, hebt sich seine Müdigkeit dagegen bis zur nächsten Nacht auf. Tagsüber wird nicht geschlafen. Selbst zum "Power-Napping" aufgepeppt hat es das Nickerchen bislang nicht in die Arbeitswelt geschafft.

Was sich bei uns noch gar nicht durchsetzen konnte, landet woanders schon wieder auf dem Abstellgleis. Die Spanier müssen um ihre altbewährte Siesta fürchten. Eine Initiative von verschiedenen Berufsgruppen will die traditionell lange Mittagspause abschaffen.

Doch die Schlafgegner springen nur auf einen fahrenden Zug auf. Brigitte Steger hat ihre Dissertation über die Schlafkultur Japans geschrieben und festgestellt, dass sich in allen industrialisierten Ländern die Schlafgewohnheiten ändern. Schuld sei die Entwicklung zur 24-Stunden-Gesellschaft. Wenn nirgendwo mehr Zeit für lange Schlafpausen bleibt, gleichen sich unsere Schlafrhythmen zwangsläufig an.

Es sei denn, man schläft fern von zuhause. Dort, wo es keine Betten mehr gibt und wo unsere Schlafgewohnheiten an fremden Bedingungen scheitern.

So wie Wolfgang Kapfhammer. Der Ethnologe von der Uni München hat mehrere Monate bei den Sateré-Mawé-Indianern am Amazonas gelebt. Dort wird ausschließlich in der Hängematte geschlafen. "Das ist ja eine indianische Erfindung. Sie ist die ideale Lösung für das Klima und auch angesichts der vielen Insekten praktisch", sagt Kapfhammer.

Aber kann man darin auch gut schlafen? "Wenn man sich in die Hängematte diagonal hineinlegt, liegt man gerade. Das ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber es geht. Schwieriger war die fehlende Privatsphäre." Denn die gesamte Großfamilie schläft zusammen in einem Raum. Wenn es eng wird, werden die Hängematten einfach übereinander gehängt. "Das ist eine ganz andere Vorstellung von Nähe als bei uns", sagt Kapfhammer. Immerhin konnte der Ethnologe so feststellen, dass die zahlreichen Kinder, die oft schon morgens um vier lärmen, anderswo gezeugt werden. Dafür scheint die Hängematte wohl weniger geeignet.

Wolfgang Kapfhammer hat sich seinen privaten Rückzugsbereich schließlich wieder zurückerobert: Am Ende schlief er in alleine in einem kleinen Häuschen.

Auch Gerd Spittler musste seinen Schlafgewohnheiten für seine Forschung so gut es ging umstellen. Der Ethnologe der Universität Bayreuth hat jahrelang mit den Tuareg, einem Nomadenvolk in der Sahara, zusammengelebt.

Die Tuareg stellen ihren Schlafrhythmus häufig um. "Das hat etwas mit dem Weiderhythmus ihrer Tiere zu tun. Manche Tiere weiden nachts, andere am Tag", sagt Spittler. "Wenn sie als Karawane umherziehen, kann es sein, dass sie 18 Stunden am Stück gehen müssen und nur vier Stunden schlafen können." Das holen die Tuareg später nach. "Sie schlafen hinterher tagelang durch", sagt Spittler.

Auch die Tuareg ziehen sich zur Nachtruhe nicht zurück. Geschlafen wird immer gemeinsam in der Gruppe. Sie legen sich auf Matten, die sie im Zelt oder im Freien ausrollen. Während des Schlafes, passen die Tuareg auf, was um sie herum passiert. "Sie achten auf Geräusche. Man spricht daher auch von einem Ammenschlaf", sagt Spittler. In den Städten würden sie wegen dieser Fähigkeit gerne als Nachtwächter eingestellt.

Dass sie ganz leicht ihren Schlafrhythmus umstellen können, nützt den Tuareg auch weit weg von zuhause. Wie Gerd Spittler bei seinen Tuareg-Studenten in Bayreuth beobachten kann, profitieren sie von dieser Fähigkeit an der Universität: Während der Prüfungszeiten wird ohne Unterbrechung gelernt und danach 40 Stunden am Stück ausgeschlafen.

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