Verhaltensforschung:Schwalben auf Sendung

Lesezeit: 3 min

Immer kleinere Peilgeräte liefern erstaunliche Einblicke in das Leben von Tieren. Schweizern Forscher haben Vögel nun mit einem 0,2 Gramm leichten Sender ausgestattet.

Beate Kittl

Was macht eine junge Rauchschwalbe, wenn sie ihr Nest an einem Schweizer Hausgiebel verlassen hat? Bis vor kurzem war das eine müßige Frage - es gab keinen Sender, der für die nur 19 Gramm wiegenden Flieger leicht genug gewesen wäre.

Schweizer Forscher haben winzige Sender für Schwalben entwickelt. (Foto: Foto: ddp)

Doch dann gelang es Beat Naef-Daenzer von der Schweizer Vogelwarte Sempach und Kollegen der Hochschulen Winterthur und Burgdorf, den bislang kleinsten Radiosender der Welt zu basteln: ein nur 0,2 Gramm leichtes Gerätchen, das über sieben Wochen hinweg den Standort der Jungvögel preisgab.

Bevor es solche tragbaren Sender gab, glich die Beobachtung wild lebender Tiere einer Lotterie. Man fing ein Exemplar, markierte es und hoffte, es irgendwann wieder zu sichten. Doch von den Metallringen, mit denen Vögel seit 100 Jahren markiert werden, finden sich bei Kleinvögeln weniger als ein Prozent wieder.

Und: Wo die Tiere in der Zwischenzeit sind, bleibt unklar. Mit den ersten tragbaren Radiosendern konnten von 1962 an größere Tiere auch bei Nacht, Nebel und in unwegsamem Gelände verfolgt werden. Zu den ersten Testobjekten gehörten Baumwollschwanz-Kaninchen, Waschbären und Stockenten. Sie mussten noch mit Peilantennen zu Fuß oder vom Auto aus lokalisiert werden.

Seit den Siebziger und Achtziger Jahren erleichtern Satelliten den Forschern die Arbeit. Je nach Fragestellung verwenden die Wissenschaftler eines von zwei Systemen: Beim Argos-System trägt das Tier einen Radiosender, der Positionsdaten an Satelliten sendet. Beim Global Positioning System (GPS) trägt das Tier einen Empfänger für die GPS-Signale, der die Positionsdaten speichert.

GPS ist genauer - es bestimmt den Standort auf wenige Meter genau, Argos nur auf etwa 300 Meter -, doch das Tier muss bei der GPS-Variante zum Auslesen der Daten gefangen werden. Oder es muss das Extragewicht eines Funksenders tragen.

Weltweit werden heute mehrere tausend Tiere per Satellit überwacht, obwohl einer der Sender mehrere tausend Euro kosten kann. "Die spektakulärsten Einsichten bekommt man bei biologischen Systemen, die echt globale Dimensionen haben", sagt Naef-Daenzer. Beispiele dafür sind die Routen von Langstrecken-Zugvögeln, die gigantischen Räume, die Albatrosse befliegen oder die gewaltigen Wanderungen von Walen und Meeresschildkröten.

Die Informationen, welche die Geräte liefern, sind für den Schutz bedrohter Arten von hohem Wert. So erfuhr man, dass Waldelefanten auf Borneo den dichten Dschungel im Tiefland den Bergen vorziehen - ebenso wie die Holzfäller. In der Schweiz gaben ausgewilderte Luchse, Bartgeier und Steinböcke dank GPS preis, wie sie ihre Lebensräume nutzen.

Der Mensch profitiert vom neuen Wissen

Überrascht wurden die Forscher auch, als sich herausstellte, dass die Störchin "Max", die seit 1999 einen Sender trägt, den Winter 2007 in Spanien statt in Nordafrika verbrachte - wohl klimabedingt.

Auch der Mensch profitiert vom neuen Wissen: Wilde Enten wurden mit Sendern ausgestattet, um genauer abschätzen zu können, wie sich das Vogelgrippevirus H5N1 verbreitet. Elefanten werden überwacht, um Zusammenstöße mit Bauern zu vermeiden. Von wirtschaftlichem Nutzen ist die Erkenntnis, dass es im Atlantik zwei Populationen von Blauflossenthunfischen gibt. So können ihre Laichplätze besser geschützt werden.

Welche Tierarten wie beobachtet werden können, wird bis heute vor allem durch das Gewicht der Batterien begrenzt, die in den Geräten stecken. Die leichtesten Satellitensender wiegen 30 Gramm. Das ist zwar leicht genug für einen Schreiadler, aber viel zu schwer für Singvögel.

"Weitaus die meisten Zugvögel wiegen unter 50 Gramm, legen aber dennoch Strecken von vielen tausend Kilometern zurück", sagt Naef-Daenzer. Sein Miniradiosender wiegt 0,2 Gramm, hat dafür aber nur eine Reichweite von fünf Kilometern.

Wo Zugvögel überwintern, ist deshalb bei den meisten Arten nur in gröbsten Zügen durch Ringfunde bekannt. Einige Arbeitsgruppen arbeiten derzeit an sehr kleinen Geo-Datenschreibern, welche die Zeit von Sonnenauf- und -untergang aufzeichnen. Daraus lässt sich grob der Aufenthaltsort des Tieres berechnen.

Wasser stellt die Tierforscher nochmals vor ganz andere Herausforderungen. Satellitensender können nur bei Arten angewendet werden, die gelegentlich zur Meeresoberfläche kommen, wie zum Beispiel Wale, Seelöwen oder manche Haie.

Mit Messgeräten ausgestattet

Aber nicht nur die Position des Tieres ist interessant, sondern auch die Umwelt, in der sie leben und damit Angaben über Tiefe, Temperatur, Licht oder Salzgehalt des Gewässers. Die Tiere sind mit entsprechenden Messgeräten ausgestattet, die nach einer bestimmten Zeit von selbst abfallen und an der Meeresoberfläche ihre Daten via Satellit an die Forschungsinstitute senden.

"In jüngster Zeit können wir immer mehr Tierarten verfolgen, mit größerer Genauigkeit und über längere Perioden", sagt Randy Kochevar, Meeresbiologe am Monterey Bay Aquarium in Kalifornien. "Aus der Kombination verschiedener Daten erfahren wir, wo das Tier ist und was es womöglich gerade tut." Heute kann man bereits so unwahrscheinliche Dinge wie die Magentemperatur eines fressenden Thunfischs oder das dreidimensionale Tauchprofil eines See-Elefanten messen.

Auch im Meer sind kleine Fische das große Problem. Die jüngste Verbesserung geht zurück auf ein System von fest installierten akustischen Empfängerstationen. Sie registrieren vorbeischwimmende Fische, die implantierte, nur mandelgroße Schallsender tragen - ähnlich wie ein Strichcodeleser im Supermarkt die Waren erkennt.

Das größte derartige System reicht 2500 Kilometer von Südalaska bis Zentralkalifornien. 2006 konnten auf diese Weise 1000 junge Lachse von den Rocky Mountains bis Alaska verfolgt werden. "Wir lernen nicht nur die Tiere, sondern ganze Ökosysteme besser kennen", sagt der Meeresbiologe Kochevar. "So können wir besser entscheiden, wie man diese sinnvoll nutzen und schützen kann."

© SZ vom 18.11.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: