Verdächtige DNS:Den Verwandten auf der Spur

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Genetische Fingerabdrücke könnten ganze Familien belasten - aber auch zum Täter führen.

Nina Götte

Der genetische Fingerabdruck ist für die Polizei längst zu einem wichtigen Hilfsmittel bei der Aufklärung von Verbrechen geworden. Doch bei welchen Straftaten der Eingriff in die Privatsphäre von Verdächtigen oder Zeugen erlaubt ist, der die Speicherung der DNS-Daten bedeutet, ist umstritten.

Eine Speichelprobe soll zum Täter führen - selbst wenn diese nicht von ihm selbst stammt, sondern von einem Verwandten. (Foto: Foto: ddp)

Nun bringen amerikanische Forscher in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Science einen weiteren Aspekt in die Diskussion: Können mithilfe einer solchen Datenbank Täter identifiziert werden, wenn Verwandte dort gespeichert sind: Brüder, Eltern oder Töchter zum Beispiel?

Dafür hat es zwei spektakuläre Beispiele gegeben. So konnte der brutale Mord an der 16-jährigen Lynette White 1988 in Cardiff, Wales, erst im Jahr 2003 aufgeklärt werden.

Beim Abgleich des Beweismaterials mit der britischen DNS-Datenbank stießen die Ermittler auf einen 14-jährigen Jungen, dessen genetischer Fingerabdruck den Tatortspuren auffallend ähnlich aber nicht identisch war.

Dieser Hinweis führte die Polizei zu einem Onkel väterlicherseits, Jeffrey Gafoor, der schließlich die Tat gestand.

Auch in den USA ermöglichte eine Untersuchung der DNS Verwandter die Aufklärung eines Mordfalls aus dem Jahre 1984: Hier wurde der Bruder eines Mannes, der in der Datenbank gespeichert war, verurteilt.

Die Wissenschaftler von den Universitäten Harvard und Berkeley haben nun mit einer Computersimulation berechnet, wie aussichtsreich die Suche in der Verwandtschaft ist, wenn die Datenbank der genetischen Fingerabdrücke einen Fast-Treffer liefert.

Bei der Identifikation von Opfern einer Katastrophe gehen Rechtsmediziner oft genauso vor, nun fragten sich die Forscher, ob das Verfahren für die Strafverfolgung taugt.

Ihren Kalkulationen zufolge könnte die Aufklärungsquote um 40 Prozent steigen. In der Hälfte der Fälle könne es genügen, der aussichtsreichsten Fast-Übereinstimmung nachzugehen, um zum Beispiel auf das leibliche Kind eines in der Datenbank gespeicherten Straftäters als wahren Schuldigen zu stoßen.

In der anderen Hälfte der Fälle müssten aber bis zu hundert solcher Spuren verfolgt werden; ganz selten noch mehr. In jedem Fall würde dann der so gefundene Verdächtige seinerseits zum genetischen Fingerabdruck gebeten.

Jedoch wirft dieses Vorgehen Fragen über die Verhältnismäßigkeit auf: Was wiegt schwerer: die kollektive Sicherheit oder die individuelle Privatsphäre?

Bisher werden in Deutschland am Tatort gefundene genetische Fingerabdrücke mit dem DNS-Datenbestand verurteilter Täter abgeglichen - jedoch nur auf richterliche Anordnung.

Kommt es zu einer 99-prozentigen Übereinstimmung, gilt der Tatverdacht als erhärtet und der Spur wird nachgegangen. Allein deswegen verurteilt wird niemand.

An der Möglichkeit aber, auch auf Verwandte verurteilter Straftäter zu stoßen, scheiden sich in Deutschland die Geister.

"Die Vorteile liegen auf der Hand. Ohne großen Aufwand ließe sich so die Aufklärung von Strafdelikten erleichtern. Man bekäme eine höhere Trefferquote und zudem würden weniger Unschuldige verdächtigt", erklärt der Kölner Forensiker Mark Benecke. Diese Methode dürfe allerdings nicht nur auf Tötungsdelikte beschränkt werden, sondern müsse auch bei anderen Straftaten greifen.

Ohnehin werde die Gefahr für die Privatsphäre übertrieben, sagt Stefan Pollak, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. "Die Tatsache, dass der genetische Fingerabdruck einer Person am Tatort gefunden wurde, macht ihn noch lange nicht zum Täter."

Es gäbe lediglich Aufschluss darüber, wer sich dort aufgehalten habe. Dennoch hält Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz, die Untersuchung der DNS von Verwandten der in einer Datenbank gespeicherten Personen für einen gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.

Eine solche Überprüfung widerspreche in Deutschland den gesetzlichen Vorgaben. Klaus Volk, Strafrechtler an der Universität München, hält eine Änderung des deutschen Rechts, um die Überprüfung von Verwandten zu erlauben, für undenkbar.

© SZ vom 12.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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