Urzeit-Forschung:Kein Mahlwerk im Magen

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Sogenannte Magensteine, die bei einigen Riesen-Dinosauriern gefunden wurden, dienten offenbar doch nicht der Verdauung.

Wer Jurassic Park gesehen hat, erinnert sich sicher an die Szene, in der die Paläobotanikerin Ellie Sattler auf einen kranken Triceratops stößt.

So könnte ein Sauropode an die Steine gekommen sein. (Foto: Zeichnung: Uni Tübingen/Jordan Mallon)

Der Dinosaurier, so ihre Diagnose, hatte bei der Aufnahme von Steinen, die ihm bei der Verdauung helfen sollten, zugleich giftige Früchte verschluckt.

Diese Erklärung wäre allerdings auch dann falsch gewesen, wenn es tatsächlich gelungen wäre, die Reptilien wieder zum Leben zu erwecken.

Erstens gehört die Urzeit-Echse mit den drei Hörnern nicht zu den sogenannten Sauropoden oder Theropoden, von denen bislang vermutet wird, dass sie dieses Verhalten zeigten.

Und zweitens haben zumindest die Sauropoden Steine gar nicht verschluckt, um besser verdauen zu können - vermuten deutsche Paläontologen.

Bislang ging man davon aus, dass die rundgeschliffenen, gewissermaßen polierten Steine, die manchmal zusammen Dinosaurier-Knochen ausgegraben wurden, Magensteine (Gastrolithen) seien, die der Nahrungszerkleinerung dienten.

Noch heute nehmen viele pflanzenfressenden Vögel Steine auf, die ihnen helfen, ihre Nahrung im Magen zu verkleinern.

Die Sauropoden der Jura- und Kreidezeit, zu denen zum Beispiel die riesigen Apato- oder Seismosaurier gehören, besaßen einen winzigen Kopf mit kleinen Zähnen, mussten jedoch riesige Nahrungsmengen verarbeiten.

Deshalb wurde vermutet, dass sie wie ihre heutigen fliegenden Verwandten Gastrolithen benutzten.

Steinfresser Strauß

Wie Oliver Wings von der Universität Tübingen und Martin Sander von der Uni Bonn in den Proceedings der Royal Society B berichten, ist diese Annahme vermutlich falsch.

Die beiden Wissenschaftler nutzten für ihre Untersuchung den größten lebenden Pflanzenfresser unter den Vögel: den Strauß.

Um die Wirkung einer "Magenmühle" auf Steine zu überprüfen, boten sie den Tieren auf einer deutschen Zuchtfarm verschiedene Gesteine an.

Nach der Schlachtung der Vögel stellten sie fest, dass die Magensteine nicht etwa glatt poliert waren wie die Gastrolithen der Sauropoden. Vielmehr waren sie durch den Einsatz im kräftigen Muskelmagen rauer als zuvor.

Zwar wurden gelegentlich Steine zusammen mit Sauropodenskeletten gefunden, erklärt Sander. Doch wären sie Teil einer Magenmühle gewesen, wie sie bei Vögeln vorkommt, müssten sie anders aussehen.

Außerdem hätten Gastrolithen dann häufiger und vor allem in größeren Mengen entdeckt werden müssen.

Bei ihrer Untersuchung der Straußenvögeln hatten Wings und Sander festgestellt, dass das Gewicht der Magensteine im Schnitt einem Prozent des Körpergewichts der Tiere entsprachen.

Eine halbe Tonne Steine

Wenn man die Magensteine eines Rotkehlchens und eines fast 90 Kilogramm schweren Strauß' vergleicht und das Gewicht dann für einem 50.000 Kilogramm schweren Sauropoden extrapoliert, käme man Wings zufolge auf etwa eine halbe Tonne. Solche Mengen von Magensteinen wurden jedoch noch nie entdeckt.

Trotzdem gibt es die Gastrolithen bei Sauropoden - und einen Zweck dürften sie auch gehabt haben, wenn sie nicht versehentlich aufgenommen wurden. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Tiere die Steine aufnahmen, um ihren Mineralstoffbedarf zu decken. Wie sie allerdings ihre Nahrung zerkleinert und verdaut haben, bleibt weiter offen.

Einige Vertreter der Dinosaurier-Gruppe der Theropoden haben nach Einschätzung der Forscher allerdings tatsächlich eine Art Magenmühle genutzt. Aus dieser Gruppe haben sich vor etwa 150 Millionen Jahren auch die Vögel entwickelt. Und die haben die Methode, ihre Nahrung mit Hilfe von Steinen zu zerkleinern, vermutlich von ihren Vorfahren geerbt.

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