UN-Klimabericht:"Es sind keine Opfer notwendig - aber ein anderer Lebensstil"

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Der dritte Bericht des UN-Klimarates zeigt, dass sich die Folgen des Klimawandels abbremsen lassen - sogar ohne große finanzielle Einbußen. Aber Eile tut Not.

Der Klimawandel kann nach Überzeugung der namhaftesten Wissenschaftler der Welt ohne Einbußen in der Lebensqualität gestoppt werden. Das betonte Ogunlade Davidson, der Ko-Vorsitzende der Klima-Arbeitsgruppe, die am Freitag in Bangkok ihren Bericht vorlegte.

"Es geht hier nicht um Opfer, die die Menschen bringen müssen, sondern um Änderungen des Lebensstils", sagte er nach Vorlage des dritten Teils des Weltklimaberichts. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, kommen wir in Teufels Küche".

Im Hinblick auf die Entwicklungsländer meinte Davidson: "Man kann die Einkommen der Menschen steigern und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen reduzieren."

Zu den Änderungen des Lebensstils schlagen die Wissenschaftler zum Beispiel vor, mehr Rad zu fahren und zu laufen, statt das Auto zu benutzen.

"Wir haben in unserer Sitzung hier irgendwann die Temperatur der Klimaanlage heraufgesetzt, weil es uns zu kalt war", sagte der zweite Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Bert Metz. "Damit haben wir einen Beitrag zum Klimaschutz geleistet und es angenehmer gehabt."

Nach der Analyse der Wissenschaftler sind auch die Kosten, um den Klimawandel aufzuhalten, überschaubar. "Im ehrgeizigsten Szenario würde das Weltwirtschaftswachstum bis 2030 im Jahr höchstens 0,12 Prozentpunkte niedriger liegen", sagte Metz.

Es gebe weitere Vorteile ambitionierter Klimaschutzziele: weniger Krankheiten aufgrund geringerer Luftverschmutzung und höhere Energiesicherheit, wenn die Länder unabhängiger von Importen wie Öl oder Kohle seien.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat nach der Veröffentlichung des Berichts dringendes Handeln gegen die globale Erwärmung angemahnt. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", betonte der SPD-Politiker. "Wir müssen jetzt entschlossen handeln, um schwerwiegende und nicht mehr kontrollierbare Klimafolgen zu vermeiden."

"Wir können die Katastrophe verhindern"

Noch sei es nicht zu spät, schloss Gabriel daraus. Es gebe keinen Grund zu resignieren. "Die Klimakatastrophe ist nicht unabwendbar. Wir können sie verhindern."

Die nötigen Technologien gebe es längst, betonte Gabriel. Die erneuerbaren Energien müssten weltweit ausgebaut und die Energieeffizienz massiv gesteigert werden. Dazu müsse die Politik wirtschaftliche Anreize setzen. "Der Emissionshandel ist dafür ein wichtiges Instrument", meinte Gabriel. Deutschland und Europa seien auf gutem Weg.

"Jetzt kommt es darauf an, dass wir bei der Klimakonferenz im Dezember auf Bali auch international die Weichen richtig stellen", betonte der SPD-Politiker. "Die Wissenschaft hat ihre Arbeit getan, jetzt muss die Politik handeln."

Wichtig ist dies auch, weil der Klimawandel zunehmend zu einer Bedrohung von Stabilität und Sicherheit auf der Erde werde. "Wenn in Asien das Trinkwasser knapp wird, kann dies zu Bürgerkriegen und Völkerwanderungen ungeahnten Ausmaßes führen", sagte Gabriel in Hamburg zum dritten Teil des UN-Klimareports.

50 Prozent weniger Ausstoß bis 2050 notwendig

Um die Erderwärmung im beherrschbaren Bereich von 2 bis 2,4 Grad Celsius zu halten, muss die Treibhausgaskonzentration nach den Berechnungen der Wissenschaftler des Klimarates auf 445 bis 490 ppm (Teile pro Millione Teile) begrenzt werden. Dazu muss eine Stabilisierung des Ausstoßes schon 2015 erreicht werden. Bis 2050 müsste der Ausstoß im Vergleich zu heute um 50 bis 80 Prozent gesenkt werden. "Um das zu erreichen, ist eine riesige Anstrengung erforderlich", sage Metz.

Die Wissenschaftler betonten mehrfach, dass die Arbeitsgruppe keine Empfehlungen abgibt und die Klimaschutzoptionen in dem Bericht nicht danach bewertet wurden, welche besonders wünschenswert sind. So sei die Atomenergie erwähnt, weil sie als Alternative zur Produktion von Strom aus Kohle keine Treibhausgase produziere. Jede Regierung müsse entscheiden, ob sie die Option wählen wolle oder nicht. In dem 35-seitigen Dokument, das am Freitag veröffentlicht wurde, wird auch ganz kurz auf die Sicherheitsrisiken hingewiesen.

Die Wissenschaftler haben für den Klimabericht unter anderem das wirtschaftliche Potential von verschiedenen Klimarichtlinien untersucht. "Wenn eine Tonne Treibhausgas zwischen 20 und 50 Dollar (15 bis 37 Euro) kosten würde, werden viele Investitionen (in Technologien mit weniger Treibhausgasausstoß) bereits attraktiv", sagte Metz. Der Preis richtet sich nach dem Markt. Je ambitionierter die Politikvorgaben sind und je höher die Auflagen zur Reduzierung der Treibhausgase, desto höher der Preis.

Im europäischen Handel mit CO2-Zertifikaten liegt der Preis nach Angaben der Umweltstiftung WWF zur Zeit bei rund einem Euro pro Tonne. Untern anderem seien der Industrie zu viele Zertifikate zugeteilt worden, sagte Klimaexperte Stephan Singer.

Von Anfang nächsten Jahres an soll der Preis mit den neuen Zertifikaten auf etwa 20 Euro steigen. "Ohne Marktkräfte, die den Treibhausgaspreis bestimmen, wird man die erwünschte Reduktion im Treibhausgasausstoß kaum erreichen", sagte der Vorsitzende des Weltklimarates, Rajendra Pachauri.

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