UN-Klimabericht:"Die Politik muss Innovationen fördern"

Lesezeit: 4 min

Der Ökonom und Mitverfasser des UN-Berichts, Ottmar Edenhöfer, über die harten Auseinandersetzungen im Klimarat, die Kosten des Kampfes gegen den Klimawandel - und Erwartungen an die Politik.

Christopher Schrader

Ottmar Edenhofer ist Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Mitautor des dritten Teilberichts des Weltklimarats, der soeben in Bangkok verabschiedet wurde.

Mit Hilfe von Solarkochern werden in Indien bereits Küchen betrieben. In einem Parabolspiegel wird das Sonnenlicht gebündelt und erhitzt so die Speisen in dem Topf, der im Brennpunkt aufgehängt ist. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Der Bericht der dritten Arbeitsgruppe des Weltklimarats IPCC, der am Freitag veröffentlicht worden ist, galt als der schwierigste. Beobachter hatten befürchtet, die Staatengemeinschaft könnte sich überhaupt nicht einigen. Wie liefen die Verhandlungen?

Edenhofer: Die Auseinandersetzung war zwar hart, aber sehr fair und letztlich auch sehr, sehr konstruktiv. Man muss ausnahmsweise die konstruktive Rolle der USA hervorheben und die Chinas. Aber es war unglaublich zeitaufwändig, wir sind erst Freitag früh um fünf Uhr fertig geworden.

SZ: Besonders die Chinesen und Amerikaner, hatte man angenommen, würden Widerstand gegen konkrete Formulierungen in dem Bericht leisten.

Edenhofer: Der Bericht ist in einer Reihe von Kernbotschaften sehr konkret: Erstens, es gibt einen ungebrochenen Trend steigender CO2-Emissionen. Zweitens, um die Emissionen zu reduzieren, braucht es eine ambitionierte Klimaschutzpolitik. Alle Staaten, also auch China und die USA, haben anerkannt, dass die Reduktion notwendig ist, und - was für mich das Erstaunlichste ist - dass diese Politik finanzierbar ist.

Sie führt also nicht zu unerträglichen volkswirtschaftlichen Kosten. Das ist völlig neu. Drittens, CO2 braucht einen Preis. Es geht nicht an, dass wir weiterhin die Atmosphäre kostenlos nutzen. Daher ist es ein sehr ermutigender Bericht.

SZ: Gibt es ein Zieljahr, bis zu dem die internationale Gemeinschaft die Emissionen an Treibhausgasen stabilisieren soll, damit sie danach sinken?

Edenhofer: Man mus IPCC-Berichte lesen wie päpstliche Enzykliken. Da steht viel zwischen den Zeilen. Es gibt keine konkrete Festlegung, aber in einer Tabelle stehen verschiedene Szenarien: Wenn man zum Beispiel höchstens einen CO2-Anteil von 450 ppm zulassen will...

SZ: ...also 450 Teilchen Treibhausgas pro einer Million Luftteilchen...

Edenhofer: ...genau, und wir haben heute 380 ppm und hatten vor der Industrialisierung 280 ppm. Wenn man also höchstens 450 ppm zulassen will, dann wissen wir auch, dass die Spitze der Emissionen bis zum Jahr 2020 erreicht sein muss und der Ausstoß dann bis zum Jahr 2050 auf 15 Prozent des Werts im Jahr 2000 sinken muss. Das ist ein erhebliches Zugeständnis der Chinesen gewesen.

SZ: Aber es ist kein konkretes Ziel.

Edenhofer: Nein, der Bericht sagt nicht, welches Stabilisierungsniveau wir wann erreichen sollten. Trotzdem erzeugt er einen gewissen Zeitdruck. Er weist darauf hin, dass in den nächsten 30 Jahren mehr als 20 Billionen Dollar in den Energiesektor investiert werden. Und diese Investitionen sollen in eine Kohlenstoff-arme Wirtschaft führen.

SZ: Welches sind die wichtigsten Maßnahmen?

Edenhofer: Der IPCC-Bericht zählt die Techniken und die möglichen Innovationen in den verschiedenen Sektoren - Industrie, Verkehr, Agrar - auf. Es sind die üblichen: Energiesparen, erneuerbare Energieträger fördern, CO2-arme Kraftwerke entwickeln, die beim Verbrennen von Kohle die Treibhausgase abscheiden und einlagern. Auch die Kernenergie gehört zum Maßnahmenkatalog.

SZ: Welche Rolle soll sie spielen?

Edenhofer: Es ist kein Geheimnis, dass es um die Kernenergie eine Auseinandersetzung gegeben hat. Aber letztlich schildert der Bericht die Situation zutreffend. Ihr Potential ist begrenzt. Ihr Anteil an der globalen Stromproduktion kann bis zum Jahr 2030 von 16 auf 18 Prozent steigen, falls der Ausstoß einer Tonne CO2 ansonsten 50 Dollar kostet. Zugleich steht da, Sicherheit, Endlagerung und der Schutz vor einer Weitergabe der Nukleartechnik an unzuverlässige Regierungen seien ungelöst. Das ist ein weitreichendes Statement, und jeder kann sich klarmachen, wie unwahrscheinlich es ist, dass der Beitrag steigt. Wir werden eher sinkende Anteile der Kernenergie sehen.

SZ: Was wird der Kampf gegen den Klimawandel kosten?

Edenhofer: Selbst die ambitioniertesten Szenarien kosten bis 2030 insgesamt nicht mehr als drei Prozent des weltweiten Sozialprodukts. Wahrscheinlicher ist aber, dass wir uns diesen ambitionierten Klimaschutz für ein bis zwei Prozent leisten können.

SZ: Kann man das in einem konkreten Betrag fassen? Das Weltsozialprodukt beträgt nach Kaufkraft zurzeit 50 Billionen Euro im Jahr. Ein Prozent wären 500 Milliarden Euro im Jahr.

Edenhofer: So einfach darf man das nicht rechnen, weil man das über die Jahrzehnte mitteln muss. Anschaulicher ist es wohl, dass der Klimaschutz bis zum Jahr 2030 eine Wachstumsverzögerung von nur drei Monaten auslösen würde. Allerdings muss die Politik im ausreichenden Maß Innovationen vor allem im Energiebereich fördern. In dem Punkt, kann man sagen, haben wir uns mit unserer Handschrift ganz gut durchgesetzt.

SZ: Ist es denn realistisch, bei der Rechnung Innovation fest einzuplanen?

Edenhofer: Das ist durchaus eine realistische Erwartung. Die Innovationen sind alle in der Pipeline, aber sie können nur marktfähig werden, wenn sie sich im ausreichenden Umfang lohnen. Deswegen muss es einen weltweit einheitlichen Preis von 50 Dollar (zurzeit 37 Euro) pro ausgestoßener Tonne CO2 geben, damit die Innovationen auf den Markt kommen. Jeder Kraftwerksbetreiber würde dann sehen, dass sich ein Braunkohlekraftwerk bei 50 Dollar pro Tonne CO2 nicht mehr lohnt.

Ein global einheitlicher Preis würde dazu führen, dass die Investitionen genau da erfolgen, wo es am günstigsten ist: Solarkraftwerke in Andalusien, Photovoltaik in Indien, Biomasse in Russland. Aber der Bericht ist sehr schweigsam bei der Frage, wie man zu so einen globalen CO2-Markt mit einem einheitlichen Preis kommt.

SZ: Heute ist es oft billiger, eine Tonne CO2 durch ein Solarprojekt in Indien einzusparen als durch den Umbau eines Kraftwerks in Deutschland. Wo sollte die Menschheit also investieren?

Edenhofer: Den Luxus der Wahl haben wir wahrscheinlich gar nicht. Die ambitioniertesten Klimaschutzziele bedeuten derart massive Reduktionen der Treibhausgase, dass wir uns mit einem Verlagern der Reduktion nach Indien oder China nicht davon stehlen können. Außerdem wären wir schlecht beraten, wenn wir zum Beispiel nur Geld geben, um in China die Effizienz von Kohlekraftwerken zu verbessern.

Wir haben ja schon beschlossen, in Europa zu 20 Prozent erneuerbare Energien zu nutzen. Die europäische Industrie muss sehen, dass sie die Technologieführerschaft im Bereich von Umwelttechnologie behält. Wir können hier auch CO2-arme Kraftwerke entwickeln und später exportieren. Wenn wir das alles aus der Hand geben, berauben wir uns einer großen Möglichkeit.

© SZ vom 5.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: