UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung:Mittel zum Leben und Keim des Todes

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Verschmutztes Trinkwasser ist Todesursache Nummer eins. An den Folgen sterben etwa zehnmal so viele Menschen, wie durch Kriege umkommen.

Wolfgang Roth

(SZ vom 20.08.2002) - Das Wort "Rivale" bezeichnet ursprünglich jemanden, der berechtigt ist, einen Wasserlauf mitzunutzen.

Ein unterernährtes Kind in Gode im Südosten Äthiopiens trinkt Wasser aus der Hand seiner Mutter. (Foto: N/A)

Was daraus geworden ist, zeigt sich am krassesten in der düsteren Prognose, künftige Kriege würden vor allem um das ungleich verteilte Gut Wasser geführt.

Für diese Annahme spricht zum Beispiel eine Reihe von Konflikten im Nahen Osten, die sich an der Nutzung von Jordan, Euphrat und Tigris entzündeten; der ägyptische Präsident Sadat drohte einmal mit Bomben, falls Äthiopien Dämme am Blauen Nil bauen würde.

Millionenfacher Tod ohne Kriegserklärung

Es bedarf aber keiner Kriegserklärung, um millionenfachen Tod über die Erde zu bringen. Während es sich jeder Deutsche leisten kann, pro Tag 130 Liter besten Trinkwassers weitgehend für Hygiene und Toilettenspülungen zu verbrauchen, haben nach Schätzungen der Vereinten Nationen weltweit ungefähr 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser.

Etwa 2,4 Milliarden müssen ohne Abwasserentsorgung auskommen - mit gravierenden Folgen. Verschmutztes Trinkwasser ist Todesursache Nummer eins, an den Folgen sterben jährlich vier bis fünf Millionen Menschen, die Hälfte von ihnen Kinder. Das sind etwa zehnmal so viele Menschen, wie durch Kriege umkommen.

Weil sich Trinkwasser nicht wie Erdöl beliebig transportieren und aufbewahren lässt, kann man Abhilfe nur an Ort und Stelle schaffen. Wie das geschehen kann, darüber wurde auf zahlreichen Fachkonferenzen schon vor dem Weltgipfel von Rio verhandelt.

Konzentration auf Mega-Zentren

Es gab nationale und internationale Aktionsprogramme mit erheblichen Investitionen, das Ergebnis war allerdings ernüchternd. Zwar konnte der Anteil der mit sauberem Wasser versorgten Menschen in den achtziger Jahren auf 70 Prozent gesteigert werden. Jedoch änderte sich kaum die absolute Zahl derer, die davon ausgeschlossen blieben.

Die Gründe sind vielfältig. Neben dem Bevölkerungswachstum spielt die zunehmende Verstädterung eine Rolle. "Wenn die Energie und das Trinkwasser nicht aufs Land kommen, zieht die Landbevölkerung in die Stadt", lautet eine Regel.

Die Landflucht wird auch gefördert durch den Wunsch, den witterungsbedingten Schwankungen der Felder- und Weidewirtschaft zu entgehen. Die Konzentration auf Mega-Zentren wie Jakarta oder Mexiko-City hat aber schwere Nachteile. Zwar kann dort, über staatliche oder private Institutionen, die Wasserversorgung halbwegs funktionieren. Da aber der finanzielle Anreiz für die Abwasserentsorgung fehlt, machen die verheerenden sanitären Verhältnisse alle Bemühungen zunichte, die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Cholera, immer noch eine Geißel der Menschheit, ist theoretisch relativ leicht zu verhindern und zu behandeln. Praktisch ist sie ein reines Armutsproblem, wie Durchfall-Erkrankungen generell - weltweit die häufigste Todesursache bei Kindern.

Pumpen mit Solaranlagen

Eine der Lehren der Vergangenheit lautet, dass zentrale Lösungen, an denen die multinationalen Konzerne interessiert sind, nur bedingt helfen. Um den Trend zur Landflucht aufzuhalten, bedarf es lokaler, mit der Bevölkerung entwickelter Konzeptionen, in die vor allem die Frauen einbezogen werden. Einfache Solaranlagen können schon dafür sorgen, dass mit einer Pumpe sauberes Wasser geschöpft wird.

Ein ständiger Konflikt besteht zwischen der Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen, die weltweit etwa 70 Prozent des nutzbaren Süßwassers schlucken, und der Grundversorgung der Familien. Bewässerung ist ein Segen, wie sich in Süd- und Ostasien zeigt, wo mit der Arbeit der Pumpen 50 bis 75 Prozent der Getreideproduktion gesichert werden.

Sie ist aber auch ein Unglück, wo Grundwasserspiegel sinken, Dünger, Pestizide und Krankheitserreger sich großräumig verteilen, Versalzung und Staunässe die Böden verderben.

Ein gutes Geschäft sind viele dieser Großprojekte für die nationalen Clans und Herrschercliquen im Zusammenspiel mit Investoren. Sie ziehen kurzfristig hohen Gewinn aus den Flächen, indem sie einen Teil der Nahrungsmittel exportieren. Letztlich importieren reiche Länder auf diese Weise mit dem Getreide auch große Mengen Wasser aus wasserarmen Regionen.

Wasser für die Oberschicht umsonst

Es gilt, die Schieflage der Vergangenheit zu korrigieren: In Afrika und Südamerika ist es üblich, dass die Oberschicht kostenlosen Zugang zum Trinkwasser hat, während das Gros der Bevölkerung Kanister für Kanister zahlen muss.

Und es wird nicht ausreichen, die Millenniumsdeklaration der Vereinten Nationen einfach nur zu bekräftigen: Bis 2015 soll der Anteil der Menschen ohne sauberes Wasser halbiert werden. Wie das geschehen soll, darauf erwarten die Betroffenen in Johannesburg eine konkrete Antwort.

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