Transplantationsmedizin:Babys aus Omas Gebärmutter

Transplantationsmedizin: Das erste Baby aus einer gespendeten Gebärmutter kam im Jahr 2014 im schwedischen Göteborg zur Welt.

Das erste Baby aus einer gespendeten Gebärmutter kam im Jahr 2014 im schwedischen Göteborg zur Welt.

(Foto: UNIVERSITY OF GOTHENBURG/EPA/Johan Wingborg)

Erstmals in Deutschland kamen Kinder zur Welt, nachdem den Müttern ein Uterus transplantiert wurde. Allerdings ist umstritten, ob ein unerfüllter Kinderwunsch derart schwere Eingriffe rechtfertigt.

Von Werner Bartens

Die Geburten verliefen unauffällig und normal, wie es überhaupt so weit kam, war allerdings ziemlich außergewöhnlich. In Tübingen haben eine 25-Jährige und eine 26-Jährige jeweils ein Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, nachdem ihnen zuvor die Gebärmütter von Spenderinnen transplantiert worden waren. Eines der Kinder kam im März zur Welt, das andere erst kürzlich, Mitte Mai.

Beide Mütter wurden ohne Gebärmutter geboren, weil sie an einer seltenen Krankheit leiden, dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom. Diese Fehlbildung des weiblichen Genitals kommt bei einem von 4500 weiblichen Neugeborenen vor. Ihre Vagina und Gebärmutter sind nicht angelegt. In Deutschland leben etwa 8000 Mädchen und Frauen mit dem Syndrom, das meist erst in der Pubertät entdeckt wird, wenn die Menstruation ausbleibt. Die Funktion der Eierstöcke und damit die Produktion von Östrogenen und Gestagenen ist hingegen nicht beeinträchtigt, so dass sich die sekundären Geschlechtsmerkmale der Frauen normal entwickeln können.

Die Spenderinnen der beiden Gebärmütter standen den Empfängerinnen nahe; in beiden Fällen waren es die Mütter der Patientinnen. Auch wenn die Spenderin bereits die Wechseljahre überschritten hat, nimmt das Organ bei der Empfängerin wieder seine Funktion auf und es kommt zu Regelblutungen. Die empfindlichen Eierstöcke werden nicht transplantiert, weswegen eine Schwangerschaft nur per künstlicher Befruchtung möglich ist.

Die Übertragung der ersten Gebärmutter fand im Oktober 2016 statt und war damit eine Premiere für Uterus-Transplantationen in Deutschland. Nach Anlegen einer Scheide im Jugendalter, einer Neovagina, wurde in Deutschland bei mittlerweile drei Frauen ein Uterus transplantiert. "Ich freue mich, dass sich die jungen Mädchen mit unserer Hilfe und dank der Neovagina als Frau fühlen können", sagt Sara Brucker von der Unifrauenklinik Tübingen. "Und jetzt endlich auch als Mutter." An den Operationen in Tübingen waren Ärzte aus Göteborg um Mats Brännström beteiligt; sie gelten als Pioniere auf dem Gebiet der Gebärmutter-Transplantation und verpflanzten 2012 den ersten Uterus weltweit.

Gesunde stundenlang operieren, um Frauen doch noch zum Kind zu verhelfen - ist das ethisch fair?

Bisher wurden rund um den Globus fast 60 Gebärmütter transplantiert; in Tübingen kamen das weltweit 15. und 17. Kind zur Welt, das nach einer solchen Verpflanzung geboren wurde. In Brasilien wurde 2018 sogar ein Kind geboren, nachdem der Uterus einer Verstorbenen verpflanzt worden war. "Dieses sind jedoch die ersten zwei erfolgreichen Schwangerschaften nach Uterus-Transplantation in Deutschland und selbst innerhalb der acht europäischen Länder, die im Rahmen von Eurotransplant bei Organspende und Transplantation zusammenarbeiten", sagt der Transplantationsexperte Xavier Rogiers vom Uniklinikum Gent. Nach der Organverpflanzung sollte mindestens ein Jahr gewartet werden, bis eine Schwangerschaft eingegangen werden kann.

Sowohl die Schwangerschaft als auch die Entbindung des im Mai geborenen Jungen - per Kaiserschnitt in der 36. Schwangerschaftswoche - verliefen unauffällig. "Wie bei jeder anderen Frau", sagt Brucker. Der Junge wog zur Geburt fast 2200 Gramm und war 45 Zentimeter groß. "Ich kann es noch gar nicht glauben, unseren kleinen Sohn in den Armen zu halten. Unser sehnlichster Wunsch ist in Erfüllung gegangen", wird die 26-jährige Mutter zitiert. Eine vaginale Entbindung gilt als zu riskant, weil die verpflanzte Gebärmutter keinen Wehen ausgesetzt werden soll und zudem die Naht zur Scheide reißen könnte.

Aufgrund des guten Verlaufs von Schwangerschaft und Geburt spricht laut Tübinger Gynäkologen nichts gegen eine zweite Schwangerschaft "Spätestens nach dem zweiten Kind werden wir die Gebärmutter aber wieder entfernen", sagt Brucker. Um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden, ist die Einnahme von Immunsuppressiva notwendig. Sie soll aber zum Wohl der Frau auf einen kurzen Zeitraum begrenzt werden. "Für das ungeborene Kind ist die in der Schwangerschaft angepasste Immunsuppression ungefährlich", sagt Transplantationschirurg Alfred Königsrainer. "Langzeiterfahrungen zeigen, dass das Immunsystem des Kindes im Mutterleib nicht geschädigt wird."

Obwohl sich erwiesen hat, dass die Operation technisch machbar ist und das Organ anschließend oft so gut funktioniert, dass Schwangerschaften möglich sind, bleibt das Verfahren umstritten. "Aus ethischer Sicht ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Risiken für die Lebendspenderin und der Chance der Empfängerin, ein eigenes Kind zu bekommen", sagt Rogiers. "Auch Vor- und Nachteile einer Adoption oder Leihmutterschaft müssen abgewogen werden."

Frauenärzte sehen weitere Bereiche, in denen die Uterus-Transplantation eine Rolle spielen könnte, etwa Infertilität durch Verwachsungen im Inneren des Organs oder wenn nach Trauma oder Krebs die Gebärmutter entfernt werden musste. Ethiker bewerten die Methode skeptischer. "Wesentlicher Bestandteil des ärztlichen Ethos ist die Pflicht, Patienten nicht zu schaden", sagt Medizinethikerin Claudia Bozzaro von der Universität Freiburg. "Bei einer Uterus-Transplantation wird eine gesunde Spenderin einer äußerst invasiven Maßnahme - nämlich einer mehrstündigen Operation - unterzogen, die für sie keinen gesundheitlichen Nutzen hat."

Wie groß muss der Leidensdruck sein, damit die Risiken für die Spenderin gerechtfertigt sind?

Im Unterschied zu anderen Transplantationen etwa von Herz, Leber oder Nieren, geht es bei Gebärmutterverpflanzungen nicht darum, das Leben der Empfänger zu retten oder zu verlängern, sondern um Lebensqualität. Unfruchtbarkeit ist keine lebensbedrohliche Erkrankung. "Dies wirft die Frage auf, ob die Schaden-Nutzen-Abwägung in diesem Fall eine ethische Legitimation für den Eingriff liefert", sagt Bozzaro. "Ich halte die Transplantation für nicht verhältnismäßig, um einer Frau eine Schwangerschaft zu ermöglichen." Der Tübinger Medizinethiker Urban Wiesing betont hingegen, wie sehr viele Frauen darunter leiden, wenn sie kein Kind bekommen können und befürwortet daher den Eingriff. "Es gehört zum originären Aufgabenbereich der Medizin, leidenden Menschen zu helfen", sagt Wiesing.

Letztlich geht es um die Frage, wie hoch der Kinderwunsch einer Frau gegenüber den Risiken für Spenderin und Empfängerin zu bewerten ist. Ein unerfüllter Kinderwunsch kann zwar zur Belastung werden. Ethikerin Bozzaro hält die Uterus-Transplantation jedoch für "derart invasiv, risikoreich und sowohl ökonomisch als auch personell aufwendig", dass sie es nicht plausibel findet, sie mit Verweis auf einen unerfüllten Kinderwunsch zu rechtfertigen. Das sei der Unterschied zu Methoden wie der künstlichen Befruchtung. Zudem ermögliche auch eine Adoption Kinder.

Umstritten bleibt zudem, wer die Kosten des Eingriffs von etwa 50 000 Euro tragen soll und ob Krankenkassen - und damit die Solidargemeinschaft - verpflichtet werden können, die Therapie für etwas zu bezahlen, dass keine Krankheit mit Dringlichkeitswert darstellt. Bisher findet die Transplantation einer Gebärmutter in Deutschland im Rahmen von Forschungsprojekten statt. Auch die Medizinethikkommission der Schweiz bewertet Uterus-Transplantationen noch als experimentelles Verfahren. Allerdings sei nicht ausgeschlossen, dass sie nach weiterer Forschung - vor allem zu den möglichen Langzeitfolgen für die Gesundheit der Kinder - mehr und mehr Teil des medizinischen Alltags werden könnten.

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