Team 1::Kanäle in die Körperzellen

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Die Forschung an Medikamenten interessiert sich seit einiger Zeit für Ionenkanäle. Forscher der Firma Nanion Technologies und der Universität Freiburg haben eine einfache Methode gefunden, die Effekte an ihnen zu untersuchen.

Martin Thurau

Um "Angriffsziele" geht es in der modernen Arzneimittelforschung. Das hört sich nach Präzision an, nach fein kalkuliertem Einsatz. Aber ein wenig klingt es auch nach geballter Schlagkraft. Und in der Tat hat die Suche nach neuen Medikamenten etwas von solcher Überwältigungsstrategie.

Forschung an Ionenkanälen auf die einfachere Art. (Foto: Foto: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz)

Schließlich müssen mitunter Hunderttausende von Substanzen darauf getestet werden, was sie mit ihren Zielobjekten in den Körperzellen des Menschen anstellen. Dabei werden zunehmend die Schaltstellen der Zellen zum Angriffsziel moderner Arzneimittel - jene körpereigenen Steuermoleküle, welche im Stoffwechsel wichtige Funktionen übernehmen.

Ins Visier einer Medikamententherapie sind jüngst Ionenkanäle geraten - Eiweiße, die Poren bilden, durch die elektrisch geladene Teilchen ("Ionen") durch die Umhüllungen der Zellen ein- und ausströmen. Denn egal ob Herzrhythmusstörungen, Diabetes oder neurologische Probleme - die Ionenkanäle spielen eine zentrale Rolle im Zusammenspiel der Zellen.

Doch so vielversprechend sie als Angriffsziele sind, so schwierig war es zunächst, die Effekte an ihnen zu untersuchen. Niels Fertig und Andrea Brüggemann von der Münchner Firma Nanion Technologies und Jan Behrends von der Universität Freiburg haben die Methode deutlich vereinfacht und automatisiert.

Bislang waren die Tests mühsame Fummelarbeit, eine Form von Kunsthandwerk: Man muss dafür eine ultrafeine Glaspipette unter dem Mikroskop manipulieren, um jeweils nur an einer Zelle die schwachen elektrischen Ströme messen zu können. Das erfordert viel Fingerfertigkeit, Erfahrung und Zeit. Selbst ein geschickter Experimentator schafft mit dieser Patch-Clamp-Methode, für die es 1991 den Medizin-Nobelpreis gab, nicht mehr als zehn Proben pro Tag, nicht eben die beste Voraussetzung für industrielle Massentests.

Jetzt laufen die Messungen automatisch und standardisiert. Für einen größeren Probendurchsatz hat Nanion Technologies einen Roboter entwickelt. Die experimentelle Anordnung ist gleichsam umgekehrt: Statt eine Mikropipette aufwendig an die Zelle heranzuführen, sammeln sich die Zellen in ultrafeinen Perforierungen auf einem speziellen Glaschip. Die Entwicklungen begannen 1998 am Center for Nanoscience der Universität München, 2002 forcierte Fertig die Ausgründung. Heute hat das Unternehmen rund 20 Mitarbeiter.

© SZ vom 05.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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