Tabak-Richtlinie:Schock-Schachtel

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Schockfotos sind umstritten, aber bereits in 70 Ländern Pflicht. (Foto: EU-Kommission/AP)

Am Freitag wird die neue EU-Tabakrichtlinie auch in Deutschland Gesetz. Künftig müssen Zigarettenpackungen mit drastischen Fotos bedruckt sein, welche auf die Folgen des Rauchens hinweisen. Auch Mini-Packungen werden verboten.

Von Berit Uhlmann

"Wer Tabakprodukte kauft, wird mit dem grausigen Bild einer von Krebs zerfressenen Lunge konfrontiert", berichtete die Nachrichtenagentur dpa über den "neuesten Plan kanadischer Gesundheitshüter", der "angeblich" Rauchern die Lust nehmen könne. Das war 2001, und selbst aus dieser kleinen Meldung ist ein leiser Unglaube herauszulesen. Doch: Was damals bestaunt wurde, ist heute in mindestens 70 Ländern Standard. Deutschland gehört ab Freitag dazu: Dann tritt das Gesetz in Kraft, das die EU-Tabakrichtlinie umsetzt. Die Schockfotos sind deren offensichtlichste - und umstrittenste - Neuerung.

Während Länder wie Thailand, Australien und Uruguay mittlerweile fast die gesamte Schachtel mit grafischen Warnhinweisen bedecken, wurde in der EU um jeden Millimeter Fotogröße gefeilscht. Nun müssen die Bilder 65 Prozent der Schachtel einnehmen, ursprünglich wollte die EU-Kommission 75 Prozent der Fläche mit Fotos versehen. Das Schrumpfen der Bilder ist nicht der einzige Punkt der Tabakrichtlinie, an dem die Politik einknickte. So wurde das ursprünglich geplante Verbot von Slim-Zigaretten gekippt. Aromen sind zwar wie geplant in Zigaretten verboten, doch für Menthol gibt es eine Übergangsfrist bis 2020. Weitgehend umgesetzt wurden dagegen strengere Regeln für den Versandhandel und ein Verbot von Minipackungen, die als Mittel zum Anfixen von Jugendlichen gelten. Dass einige der Pläne aufgeweicht wurden, ist nicht verwunderlich, meinen britische Forscher, die Dokumente der Tabakindustrie ausgewertet haben: Allein Philip Morris beschäftigte 160 Lobbyisten, um Einfluss auf die Verhandlungen zur Tabakrichtlinie zu nehmen.

Lange Zeit war auch die Bundesregierung skeptisch und fragte nach Beweisen für die Wirksamkeit der Schockfotos. Definitive Aussagen sind schwierig, denn die Bilder gehen mit weiteren Anti-Tabak-Maßnahmen einher, deren Effekte sich nur schwer voneinander trennen lassen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Länder, welche die Fotos als erste einführten, niedrige Raucherquoten haben. In Kanada, Brasilien, Singapur, Thailand und Venezuela sind zwischen zwölf und 17 Prozent der Erwachsenen nikotinabhängig. In Deutschland brauchen 21 Prozent ihre täglichen Zigaretten. Wird sich dies ändern?

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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