Studie:Gewaltbereiter Zeigefinger

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Kann die Hand etwas über den Charakter eines Mannes sagen? Als Peter Hurd von der University of Alberta von dieser Idee hörte, dachte er nur: "Blödsinn". Dann prüfte er es nach - mit überraschendem Ergebnis.

Von Markus C. Schulte v. Drach

Kann das Verhältnis der Länge der Finger und die Bereitschaft eines Mannes, physische Gewalt anzuwenden, zusammenhängen? Als Peter Hurd von der University of Alberta, Kanada, von dieser Idee hörte, dachte er, das wäre "ein Haufen Blödsinn".

Immerhin wurde in der Vergangenheit bereits viel Unsinn darüber verbreitet, wie man vom Gesicht eines Menschen oder seines Körperbaus auf seinen Charakter schließen könnte.

Man denke nur an die Arbeiten von Johann Caspar Lavater (1741-1801), dem deutschen Begründer der Physiognomik, der glaubte, aus den Gesichtszügen des Menschen Aufschluss über ihren Charakter zu erhalten. Franz Joseph Gall wiederum unterschied 27 Charaktereigenschaften, die sich anhand verschiedenen Schädelformen nachweisen lassen sollten.

Der Italiener Cesare Lombroso (1836 - 1909) schließlich war überzeugt, bestimmte Schädelformen oder etwa zusammengewachsene Augenbrauen seien Merkmale einer niedrigen Entwicklungsstufe und damit Hinweis auf die Anlage zum Gewaltverbrecher.

Besonders abstrus war die Rassenlehre der Nazis, die mit dieser Pseudowissenschaft ihre Verbrechen gegen Juden und Minderheiten öffentlich zu legitimieren versuchten.

Doch ausschließen kann man einen Zusammenhang zwischen Körpermerkmalen und Charaktereigenschaften offensichtlich tatsächlich nicht. Darauf deutet zumindest eine Reihe neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen.

Männerhände - Frauenhände

So haben die Daten seiner Studie auch den Skeptiker Peter Hurd überzeugt. Hurd und seine Mitarbeiterin Allison Bailey untersuchten die Hände von 300 Studenten. Mit Hilfe von Fragebögen versuchten die Psychologen außerdem, die Bereitschaft der Männer zu Gewalt und Aggressionen zu bestimmen.

Schon länger ist bekannt, dass sich das Verhältnis zwischen der Länge des zweiten und vierten Fingers bei Männern und Frauen unterscheidet: Männer haben einen verhältnismäßig kürzeren Zeigefinger. Es wird vermutet, dass dies mit dem Testosteronspiegel bei Jungen vor der Geburt zusammenhängt - je mehr Testosteron der Fetus ausgesetzt ist, desto kürzer ist der Zeigefinger im Verhältnis zum Ringfinger.

Die kanadischen Forscher überprüften nun die Hypothese, dass das Finger-Verhältnis mit der Neigung zu aggressivem Verhalten korreliert.

Tatsächlich stellte sich heraus, dass Männer mit besonders "männlichem Fingerlängen-Verhältnis" stärker zu physischer Gewalt neigen.

Keinen Zusammenhang gab es mit der Bereitschaft zu verbaler Aggression, Zorn oder unfreundlichem Verhalten. Und bei Frauen konnte überhaupt kein Zusammenhang zwischen Fingerlängen-Verhältnis und Aggression festgestellt werden ( Biological Psychology, Bd.68, S.215, 2005).

Hurd warnt davor, die Ergebnisse seiner Studie falsch zu interpretieren oder mehr als Hinweise auf einen Trend darin zu sehen.

"Diese Forschung erlaubt uns keinen Schluss über einzelne Personen", so der Psychologe. So macht es zum Beispiel keinen Sinn, "Menschen, die sich für bestimmte Jobs bewerben, auf ihre Fingerlänge zu untersuchen".

Mehr als alles andere, so glaubt Hurd, bestätigen seine Daten die Annahme, "dass unsere Persönlichkeiten und unsere Charakterzüge zu einem großen Teil bereits bestimmt werden, während wir noch im Mutterleib sind".

Der Wissenschaftler plant nun, die Fingerlängen von Hockey-Spielern zu messen - und zu prüfen, ob es einen Zusammenhang mit den Strafminuten gibt, die gegen die Spieler verhängt wurden.

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