Streit um den Bayerischen Wald:"Was soll ein Nationalpark, in dem die Natur tot ist?"

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Der Bayerischer Wald hat seinen internationalen Status als Nationalpark, weil 75 Prozent seiner Fläche für Eingriffe tabu sein sollen. Auch der Borkenkäfer darf dort nicht bekämpft werden. Das sorgt für Streit.

Um den Nationalpark Bayerischer Wald ist neuer Streit entbrannt. Grund ist die Ausweisung von Naturzonen, in denen jeder menschliche Eingriff tabu ist. Helmut Brunner, der Vorsitzende des Agrarausschusses im Landtag, will ihre Erweiterung verzögern.

Nationalpark-Chef Karl Friedrich Sinner sieht dadurch bereits die internationale Anerkennung des Schutzgebietes in Gefahr.

Wälder mit mächtigen Bergfichten, Bäche mit glasklarem Wasser, Seen und Blumenwiesen von seltener Pracht - der Nationalpark gilt als Inbegriff wildromantischer Natur. Das ist die eine Seite.

Die andere sind riesige Flächen voll grauer Baumleichen, die der Borkenkäfer hinterlassen hat.

Denn anders als in gewöhnlichen Wäldern bleibt in einem Nationalpark die Natur sich selbst überlassen - auch wenn Schädlinge Tausende Hektar Wald zerstören. Seit Jahren bekämpft deshalb eine Bürgerbewegung die Erweiterung des Nationalparks, die eigentlich längst beschlossene Sache ist.

"Was soll ein Nationalpark, in dem die Natur tot ist", sagt ihr Chef Heinrich Geier.

Noch im Oktober 2006 hatte es so ausgesehen, als wäre ein Kompromiss gefunden.

Renommee als Nationalpark steht auf dem Spiel

Der Nationalpark-Ausschuss, dem auch Vertreter der Anliegergemeinden und der Kreise Freyung-Grafenau und Regen angehören, einigte sich nach heftigen Debatten darauf, dass die Frist, in der 75 Prozent des Nationalparks in sogenannte Naturzonen ohne menschliche Eingriffe umgewandelt werden müssen, bis 2027 verlängert werden soll.

Eigentlich läuft sie nur bis 2017. Die zehn Jahre Aufschub sollen genützt werden, um in anfälligen Gebieten Mischwälder zu pflanzen, die resistent gegen den Borkenkäfer sind. Dazu und für die schrittweise Ausweisung der Naturzonen sollte ein Gesamtkonzept entwickelt werden, damit der Streit nicht bei jedem Einzelprojekt neu aufflammt.

Die Erfüllung der 75-Prozent-Vorgabe ist Voraussetzung für die internationale Anerkennung des Nationalparks und damit Basis seines hohen Renommees.

Deshalb wollen weder der Bund Naturschutz (BN) noch Umweltminister Werner Schnappauf, dem der Nationalpark untersteht, an der Vorgabe rütteln lassen.

Doch derzeit sind nicht einmal 50 Prozent des 24.000 Hektar großen Gebiets zwischen Lusen und Falkenstein Naturzonen. Das liegt daran, dass ein 11.000 Hektar großer Abschnitt zwischen Rachel und Falkenstein erst seit 1997 Nationalpark ist. Wegen des Streits um den Borkenkäfer kam dort die Erweiterung der Naturzonen kaum voran.

Einer, dem die 75-Prozent-Vorgabe schon immer zu viel war, ist Helmut Brunner, der örtliche CSU-Abgeordnete und Vorsitzende des Agrarausschusses im Landtag.

Er preschte jetzt mit einem Antrag vor, nach dem die Umwandlungsfrist bis 2030 gestreckt werden soll. Außerdem fordert er "behutsame Ausweisungen im Einvernehmen mit den betroffenen Gemeinden".

Schließlich, so Brunner, "identifizieren sich viele Einheimische nur schwer mit dem Nationalpark". Die dürfe man aber nicht ausgrenzen.

Für Nationalpark-Chef Sinner ist das ein Affront. "Zwar haben wir etwa 4500 Hektar Borkenkäfer-Flächen", sagt er. "Aber es zeigt sich, dass gerade dort besonders stabiler Jungwald nachwächst."

Der Schädlingsbefall sei kein Problem für die Natur, sondern allenfalls für das ästhetische Empfinden der Besucher. Nach Sinners Einschätzung wird die IUCN - die International Union for the Conservation of Nature und Natural Ressources, die für die internationale Anerkennung eines Nationalparks zuständig ist - die Fristverlängerung nicht akzeptieren.

"Damit wäre der internationale Status gefährdet", sagt er. BN-Chef Hubert Weiger sieht das genauso. Für ihn ist Brunners Antrag eine "Mogelpackung, mit der der Titel Nationalpark beibehalten werden soll, ohne die Vorgaben zu erfüllen". Der BN-Ehrenvorsitzende Hubert Weinzierl fordert deshalb ein "Machtwort der Staatsregierung".

Der Regener Landrat Heinz Wölfl (CSU), der Sprecher des Nationalparkausschusses ist, weist die Kritik zurück: "Brunners Antrag weicht kaum von unserem Beschluss ab." Auch Minister Schnappauf wiegelt ab: "Ich habe stets deutlich gemacht, dass ich am internationalen Status festhalte. Das bleibt so." Für ihn ist vordringlich, dass rasch mehr als 50 Prozent des Nationalparkgebiets zur Naturzone werden.

"Dann hätten wir zumindest die nationalen Vorgaben erfüllt", sagt er. "Ob wir die internationalen drei Jahre früher oder später schaffen, darüber kann man reden."

© SZ vom 1.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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