Strahlend im Spital:Langer Draht

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Das Handyverbot in Krankenhäusern ist technisch weitgehend haltlos - aber für die Kliniken lukrativ.

Andreas Grote

Das Handyverbot in Krankenhäusern ist so alt wie die Mobiltelefone selbst. Die Strahlung störe die Elektronik der medizinischen Geräte, heißt es.

Doch dieses Argument scheint nicht mehr zeitgemäß, denn Handy- und Medizintechnik haben sich entwickelt. Handys mit dem in Europa gebräuchlichen GSM-Standard würden Medizingeräte schon ab einem Meter Abstand nicht mehr stören, berichten verschiedene Forscherteams nun.

Wissenschaftler von der US-amerikanischen Mayo-Klinik hielten Handys in verschiedenen Abständen an Medizingeräte und ließen sich dann von einem Festnetzanschluss aus anrufen. Insgesamt 510 Tests absolvierten Forscher und Mobiltelefone.

Beatmungsgerät abgeschaltet

Bei sieben der 16 getesteten Medizingeräte waren Störungen zu beobachten, im Wesentlichen bei EKG- und EEG-Geräten. Doch nur in 1,2 Prozent der Testfälle hätte es zu klinisch relevanten Störungen kommen können - da befand sich das Handy besonders nah am Gerät.

Die Wissenschaftler empfehlen daher einen Abstand von 80 Zentimeter (Mayo Clinic Proceedings, Bd. 80, S. 1286, 2005). Zu einem ähnlichen Schluss kamen Forscher von der Universität Gießen, die einen Abstand von einem Meter empfehlen, um bedrohliche Situationen auszuschließen.

Vor diesem Hintergrund lässt sich das in den meisten deutschen Kliniken geltende generelle Handyverbot nicht mehr begründen. "Das ist in normalen Patientenzimmern nicht praxisgerecht", kritisiert Achim Enders, Experte für Elektromagnetische Verträglichkeit an der TU Braunschweig.

Bisher sei nur ein einziger Zwischenfall aus dem Jahr 2004 dokumentiert. Damals schaltete in Australien ein Mobiltelefon ein Beatmungsgerät ab. "Selbstverständlich kann man Medizingeräte mit Handys stören", sagt Enders. "Aber das Risiko ist minimal und lässt sich mit verantwortungsvollem Gebrauch so gut wie ausschließen."

In normalen Krankenzimmern ohne Apparate sei die Handynutzung kein Problem, so Enders. Medizintechnische Geräte seien durch bessere Konstruktion und Abschirmung zudem weitaus weniger empfindlich als noch vor zehn Jahren.

Nur im Operationsbereich, auf der Intensivstation und in der Nähe von Beatmungsgeräten oder Infusionspumpen sollten Mobiltelefone weiterhin verboten sein. Auch das wäre aber nicht nötig, wenn die Hersteller ihre Medizingeräte besser abschirmen würden. "Die Zusatzkosten wären minimal", sagt Enders.

Bislang hat sich in Deutschland nur die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) vom generellen Handyverbot gelöst und die Nutzung auf fast allen Stationen freigegeben. "Bereits 1999 hat unsere Technik auf Normalstationen keine Gefahr mehr durch Handys feststellen können", sagt MHH-Sprecher Arnd Schweitzer.

Auch dem Bundesgesundheitsministerium zufolge sollte auf Handys nur in "kritischen Bereichen" verzichtet werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft empfiehlt hingegen das generelle Verbot, um die Patienten vor Fehlfunktionen der Geräte zu schützen.

Doch die Abwehrhaltung bröckelt, wie Enders beobachtet, der viele Anfragen von Kliniken erhält. Allerdings könnten finanzielle Gründe die Lockerung des Handyverbots hinauszögern. Denn die Klinikbetreiber verdienen gut mit dem Telefonverleih am Krankenbett. "Auch wir propagieren die Handynutzung nicht aktiv, da der externe Betreiber unserer Telefonanlage diese refinanzieren muss", sagt Schweitzer. "Dieses Handicap haben auch die meisten anderen Kliniken."

© SZ vom 17.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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