Startschuss für Röntgenlaser:Lichtblitze aus der Kälteröhre

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In Hamburg entsteht der stärkste Röntgenlaser der Welt. Wissenschaftler sollen mit ihm Atome in Zeitlupe sehen und mehr über das Innerste der Erde herausfinden.

Frank Grotelüschen

Bundesforschungsministerin Annette Schavan benutzt große Worte für eine große Maschine: Das, was hier entsteht, ist Weltspitze!" 3,4 Kilometer lang und knapp eine Milliarde Euro teuer soll der Europäische Röntgenlaser XFEL sein, der von 2008 an in Hamburg gebaut wird und 2013 erstmals leuchten soll. Gestern wurde in der Hansestadt der Startschuss für das Großprojekt gegeben.

Teilchenbeschleuniger bei Genf: Atome in Zeitlupe (Foto: Foto: dpa)

Basis des XFEL ist ein unterirdischer Teilchenbeschleuniger, entwickelt vom Forschungszentrum Desy in Hamburg. Man kann ihn sich vorstellen wie einen hochgezüchteten Fernseher, der Elektronen auf Lichtgeschwindigkeit bringt. "Am Ende des Beschleunigers jagen die Elektronen durch lange Spezialmagneten", sagt XFEL-Projektleiter Massimo Altarelli.

"Darin fangen sie an zu schlingern, wodurch sie ultrakurze, extrem starke Röntgenblitze aussenden." Die Blitze sind bis zu eine Milliarde Mal intensiver als bei den stärksten Röntgenquellen, die Forscher bisher kennen.

Weil die Superlampe so kurz und intensiv leuchtet, lässt sie sich wie ein Fotoapparat auf Ebene der Moleküle einsetzen. Molekularbiologen wollen Detailaufnahmen einzelner Eiweißmoleküle erstellen, um Informationen für das gezielte Design von Medikamenten zu gewinnen. Physiker werden Reibungsprozesse analysieren, um das bislang nur mäßig erforschte Phänomen der Reibung grundlegend zu verstehen.

Geoforscher haben vor, Schockwellen durch Gesteinsproben zu jagen und mit dem Röntgenlicht zu analysieren. Die Experten möchten die Druckverhältnisse im Erdkern simulieren und herausfinden, was sich im Inneren unseres Planeten abspielt.

Chemiker schließlich hoffen, den Ablauf chemischer Reaktionen regelrecht filmen zu können und dabei in Zeitlupe zu erkennen, wie einzelne Atome miteinander reagieren.

Im Hintergrund steht der Wettbewerb mit den USA und Japan

Die Erkenntnisse könnten für die Entwicklung neuer Katalysatoren etwa in Autos nützlich sein. "Wir können noch gar nicht genau abschätzen, was sich mit dieser Röntgenlampe alles anfangen lässt", sagt Desy-Chef Albrecht Wagner. "Da werden sich sicher Möglichkeiten auftun, an die wir heute noch nicht einmal denken."

Das unterirdische Bauwerk für den Laser beginnt auf dem Desy-Gelände im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld, verläuft dann in Richtung Nordwesten und endet just am Industriegebiet hinter der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein.

Ein geschickter Schachzug, denn damit bekommen die Physiker neben Hamburg noch ein zweites Bundesland ins Boot, was insbesondere für die Finanzierung der Anlage wichtig ist. Hamburg und Schleswig-Holstein tragen zusammen immerhin 7,5Prozent der Baukosten von 850 Millionen Euro.

Neben Deutschland beteiligen sich noch zwölf weitere Nationen an dem Projekt, darunter Frankreich, Großbritannien und die Schweiz, aber auch Russland und China. Zwar hatte die damalige Bundesregierung 2003 gefordert, dass Ausland solle sich zur Hälfte an den Kosten beteiligen. Nur: Erreicht wurde dieses Ziel nicht.

Das Ausland übernimmt jetzt nur etwa ein Viertel der Ausgaben. "25 Prozent sind eine gute internationale Partnerschaft", sagt Ministerin Schavan. "Dieser Leuchtturm wird gebraucht, und jetzt ist der richtige Zeitpunkt, das Ding konkret werden zu lassen."

Die Ministerin spielt auf die Konkurrenz aus Japan und den USA an. Beide Länder planen ebenfalls, Röntgenlaser zu bauen. Deshalb sahen sich die Europäer jetzt gezwungen nachzuziehen. Denn sonst, so fürchteten die Experten, würden sie abgehängt im internationalen Forscherwettbewerb. Technisch gesehen jedenfalls scheint der XFEL der Konkurrenz aus Übersee deutlich überlegen zu sein.

"Im Unterschied zu den Anlagen in Japan und den USA basiert der europäische Röntgenlaser auf einem supraleitenden Beschleuniger", sagt Projektchef Altarelli. Er müsse zwar mit Flüssighelium auf minus 270 Grad Celsius gekühlt werden, erzeuge dafür aber wesentlich mehr Röntgenblitze - 30000 pro Sekunde statt nur 120 wie bei der Konkurrenz. Und das hält er für einen entscheidenden Vorteil.

© SZ vom 6.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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