Sprengstoff-Suche:Wie man Gefahr zum Leuchten bringt

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Antiterror-Experten wünschen sich, Sprengstoff in einem Koffer bereits aus der Distanz entdecken zu können. Und das könnte sogar funktionieren.

Volker Hasenauer

So wünschen sich das Antiterror-Experten: Aus sicherer Entfernung erkennt ein Bombendetektor, ob ein herrenloser Koffer in der Wartehalle tatsächlich einen tödlichen Sprengsatz enthält oder ob Entwarnung gegeben werden kann - in Sekundenschnelle, ohne einen Menschen zu gefährden oder auf Verdacht die gesamte Flughafenhalle evakuieren zu müssen.

Das Verfahren kann noch ein Hunderttausendstel-Gramm des SprengstoffsTNT sichtbar machen. Das mit dem Finger verschmierte TNT schimmert rot im Laserlicht. (Foto: Foto: IAF)

Was einfach klingt, bereitet trotz weltweiter Forschungsbemühungen in der Umsetzung jedoch enorme Probleme.

Nun aber meldet das Freiburger Fraunhofer Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF), dem Ziel der berührungslosen Sprengstoff-Erkennung etwas näher gekommen zu sein.

Den Fortschritt bei der Fernfahndung sollen neue Laser- und empfindliche Wärmebild-Messtechniken bringen. Unter dem Projektnamen IRLDEX (Infrarot-Laser gestützte bildgebende Detektion von Explosivstoffen) und unter Federführung des IAF kooperieren mehrere wissenschaftliche Institute, das Bundeskriminalamt (BKA) und zwei Firmen für Militär- und Messtechnik.

Grundlage des neuen Verfahrens ist die Idee, sich die charakteristischen Absorptionseigenschaften von Sprengstoffen zunutze zu machen. Explosivstoffe hinterlassen wie alle Verbindungen einen charakteristischen spektroskopischen Fingerabdruck, wenn sie mit Infrarotlicht, also Wärmestrahlung angeleuchtet werden.

Licht dieses Wellenlängenbereichs kann von Sprengstoff-Molekülen absorbiert werden. Die Wellenlänge des rückgestreuten Lichts weicht in Abhängigkeit vom untersuchten Stoff von der des ursprünglichen Laserstrahls ab. Problematisch ist nur, diese winzige Abweichung vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Wärmestrahlung zu messen.

Ähnlich wie Radar

Prinzipiell ähnelt die neue Technik bestehenden Verfahren wie Radar oder lasergestützten Geschwindigkeitsmessungen der Polizei. Hier wie dort werden elektromagnetische Wellen ausgesandt, vom Untersuchungsobjekt reflektiert, und die zurückkommenden Informationen dann erfasst und ausgewertet. Neu bei der IAF-Spürmethode ist die Verknüpfung mit spektroskopischen Methoden und einem bildgebenden Verfahren.

Vorschnelle Hoffnungen auf einen schon bald für Flughäfen oder Bahnhöfe alltagstauglichen Bombenscanner dämpfen die Physiker. "Grundsätzlich ist uns im Labor aber der Nachweis gelungen, dass unsere Technik funktioniert. Im Moment können wir unter idealen Bedingungen beispielsweise ein Hunderttausendstel-Gramm des Sprengstoffs TNT pro Quadratzentimeter aus einem Meter Entfernung identifizieren", sagt Frank Fuchs, der beim IAF das auf drei Jahre angelegte Projekt koordiniert.

An dessen Ende soll dann der Prototyp eines Sprengstoff-Scanners stehen, der ruhig stehende Gegenstände aus nicht allzu großer Entfernung untersuchen kann. An der Finanzierung des Projekts beteiligt sich auch das Bundesforschungsministerium.

"Das Bundeskriminalamt strebt seit langem nach einer Technik, die es Polizisten oder Bombenexperten erlaubt, aus sicherer Entfernung heraus verdächtige Objekte zu untersuchen", sagt der beim BKA verantwortliche Projektleiter, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Zwar gebe es auf dem Markt viele Verfahren, deren Entwickler behaupten, diese Detektion auf Distanz leisten zu können. "Aber in unseren Tests hat sich bislang noch kein Ansatz bewährt." Daher werden auch die IRLDEX-Ergebnisse streng geprüft und mit vorhandenen Referenzmethoden verglichen.

Außerdem liefern die BKA-Techniker Erfahrungswerte dafür, mit welchen Sprengstoffmengen an der äußeren Hülle von in Hinterhöfen zusammengebastelten Bomben zu rechnen ist. Denn der Laser kann - anders als Röntgengeräte oder die gerade entwickelten Tera-Hertz-Scanner - nur das entdecken, was von außen sichtbar ist. Doch die Erfahrung der Sicherheitsexperten zeigt, dass Bombenbauer verräterische Spuren fast nie vollständig vermeiden können.

Das Herzstück des Freiburger IAF-Bombendetektors bildet ein eigens entwickelter, bloß Millimeter-großer Halbleiter-Laser. Dessen Temperatur wird innerhalb von Sekundenbruchteilen um mehr als 150 Grad erhöht oder gesenkt. Mit der Temperatur ändern sich dann stetig die ausgesandten Wellenlängen des auf einer Diamantunterlage aufgebrachten Lasers. So kann das ganze Absorptionsspektrum der gesuchten Explosivstoffe ausgeleuchtet werden.

Der Hauptbahnhof in Köln am 18. August 2006. Ein junger Mann deponiert einen Koffer mit Sprengstoff in einem Zug. Einsame Gepäckstücke könnten in Zukunft vielleicht mit Lasern untersucht werden. (Foto: Foto: AP/BKA)

Auch Menschen im Visier der Forscher

Eine Hochleistungs-Wärmebildkamera sorgt mit 800 Einzelbildern pro Sekunde für die nötige Auflösung der Bilder. "Unser Ziel ist es, mittelfristig auch bewegte Objekte scannen zu können. Also beispielsweise Menschen in der Bahnhofshalle zu überprüfen, ohne dass sie es merken", sagt IAF-Leiter Oliver Ambacher. Eine Hoffnung, die auch das BKA teilt. Mehrere Laser könnten dann große öffentliche Räume überwachen.

Ein derzeit zentrales Problem wollen die IAF-Forscher in den kommenden Monaten angehen: die Frage nach der Empfindlichkeit. Denn im Einsatz muss gewährleistet sein, dass der Bombenscanner nur auf Sprengstoffe und nicht auf harmlose Substanzen anspricht. So hat sich etwa gezeigt, dass die im Laserlicht sichtbaren Spuren von TNT und Ethanol sehr ähnlich sind. "Wir müssen ausschließen, dass unsere Geräte Fehlalarm schlagen, nur weil sich ein Flugpassagier mit Parfüm einnebelt oder eine Alkoholfahne hat", sagt Physiker Fuchs.

Doch gerade an dieser Beobachtung wird das Potential der neuen Technologie deutlich. Wenn es gelänge, den Scanner für Sprengstoffe marktreif zu machen, wäre es wohl kein allzu großer Schritt mehr, ihn auch auf andere Materialien anzuwenden.

"Denkbar ist vieles. Und da könnte sich ein großer Markt entwickeln", sagt Institutsleiter Ambacher: die Prozesskontrolle in chemischen Unternehmen, das Testen von Textilien auf Pestizide oder ein Gammelfleisch-Detektor zur Lebensmittelsicherung. Möglich wäre aber beispielsweise auch das unbemerkte Untersuchen von Passanten auf Drogenspuren. Vorausschauend fördert das Bundesforschungsministerium begleitend zu den Aufspürtechniken jedenfalls schon jetzt ein Projekt, das womöglich entstehende, ethische Fragen bedenken soll.

© SZ vom 28.03.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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