Sommerzeit:Kleiner Jetlag ohne Sinn

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In der Nacht zum Sonntag werden wieder einmal die Uhren umgestellt. Dadurch sparen wir zwar nur wenig Energie, bringen dafür aber unseren Bio-Rhythmus durcheinander.

Es schneit! Der Sommer scheint plötzlich wieder weit weg zu sein.

Trotzdem werden in der EU und der Schweiz in der Nacht zum Sonntag wieder einmal Millionen Uhren umgestellt: Dann herrscht zumindest auf den Zifferblättern Sommerzeit.

Die Zeiger springen vor, die Stunde zwischen 02.00 Uhr und 03.00 Uhr wird gleichsam gestohlen. Erst am 28. Oktober bekommt man sie wieder zurück.

Nach Ansicht von Experten bringt die Umstellung zwar nur eine minimale Energieeinsparung, dafür gerät jedoch der Biorhythmus des Menschen vor allem in der Umgewöhnungsphase durcheinander.

"Aus chronobiologischer Sicht macht die Zeitumstellung gar keinen Sinn", sagt der Biochemiker Achim Kramer.

Besonders für Menschen, die der Volksmund Nachteulen nennt, weil sie genetisch bedingt eine langsamere innere Uhr haben, gleicht die Umstellung laut Kramer einem Mini-Jetlag.

"Wir leben generell in einer Welt, die eher zu früh dran ist für den Durchschnitt unserer Bevölkerung. Wir sind genetisch darauf eingestellt, dass wir so gegen 08.00 Uhr oder 09.00 Uhr unsere Arbeit beginnen möchten", meint der Chronobiologe.

Besonders wirke sich das am Montag nach der Zeitumstellung aus, da die Menschen am freien Wochenende eher gemäß ihrer inneren Uhr gelebt hätten. "Wenn dann noch der Wecker eine Stunde früher klingelt, dann sind wir gar nicht von unserer inneren Uhr her bereit aufzustehen", meint Kramer.

Unterricht sollte später beginnen

Vor allem für die Schulen sollte man die Forschungsergebnisse zum Biorhythmus des Menschen bedenken und den Unterricht später beginnen.

Für Karlheinz Geißler von der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik in München ist die Umstellung ein Ereignis, das deutlich macht: "Wir könnten die Zeit auch ganz anders organisieren."

Nach Ansicht des Wirtschaftspädagogen müsste der Mensch viel stärker im Zentrum der Organisation von Uhrzeit stehen.

"Wir flexibilisieren die Zeit zunehmend, doch diese Flexibilisierung ist entweder von ökonomischen Gegebenheiten oder von organisatorischen Abläufen bestimmt, aber nicht von der inneren Uhr", betont Geißler.

Weil der Mensch nicht einschaltbar sei, sondern allmählich auf Touren komme, sollte man im Arbeits- und Lernbereich entschiedener als bisher nach Kompromisslösungen suchen.

Man sollte nicht nur die Uhr flexibilisieren, sondern auch die Organisation. Wo es möglich wäre, zum Beispiel in der Schule, sollte ein allmählicher Übergang in den Sommerrhythmus angestrebt werden. Man könnte die Schule um halb neun beginnen lassen, weil erst von da an die Jugendlichen richtig lernfähig seien.

Für die meisten Menschen ist die Sommerzeit inzwischen zur Gewohnheit geworden, auch wenn die gewünschten Energiespareffekte laut Geißler nur minimal sind.

Es sei sicher konjunkturfördernd, wenn man im Sommer länger im Freien sitzen und mehr konsumieren könne. Der Dienstleistungsbereich habe also einige Vorteile davon.

Für Menschen, die häufig mit dem Flugzeug durch die Welt reisten und permanent die Uhr umstellen müssten, sei die Sommerzeit ohnehin kein großes Ereignis, meint Geißler.

Die Techniker Krankenkasse rät, die ersten Tage nach der Zeitumstellung eine Stunde länger als sonst zu schlafen, sofern man es sich leisten könne.

Wer sonst immer ein Mittagsschläfchen halte, sollte am besten eine Woche lang auf das Nickerchen verzichten, schlägt Referentin Ulrike Mickelat vor. So könne sich der Biorhythmus leichter neu einstellen und man schlafe nachts besser.

"Die Anpassungszeit an den neuen Tag-Nacht-Rhythmus ist individuell sehr unterschiedlich und schwankt meist zwischen zwei und sieben Tagen", erklärt Mickelat. Schlafmittel seien in dieser Zeit jedoch überflüssig, der Körper schaffe die Umstellung von allein.

Um vorübergehende Einschlafstörungen in den Griff zu bekommen, seien naturheilkundliche Mittel aus Baldrian, Hopfen und Melisse zu empfehlen.

Der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) fordert Autofahrer auf, entlang von Waldrändern besonders vorsichtig zu fahren, um Unfälle mit Wildtieren zu vermeiden. Die Zeitumstellung am Sonntag erhöhe das Risiko noch, weil der Berufsverkehr dann in die Zeit der Dämmerung falle.

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