Simbabwe:"Das Sterben ist noch lange nicht vorbei"

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In Simbabwe sind Zehntausende Menschen von der Cholera bedroht. Soweit hätte es nicht kommen müssen. Denn die Ursachen für die Epidemie sind schon lange bekannt.

Die Cholera in Simbabwe bedroht offenbar Zehntausende oder sogar Hunderttausende Menschen. Mehr als 560 Patienten sind bereits gestorben, etwa 12.000 infiziert. Manche Experten vermuten allerdings, dass die Zahl der Opfer in Simbabwe noch erheblich höher ist, da viele Tote von ihren Angehörigen den Behörden gar nicht gemeldet werden.

Infektionsrisiko: Ein Junge versorgt sich in Harare mit Trinkwasser aus einem Fluss. (Foto: Foto: AP)

"Wir wissen, dass wir es dabei nur mit der Spitze des Eisberges zu tun haben", erklärte Matthew Cochrane vom Internationalen Roten Kreuz. "Das Sterben ist noch lange nicht vorbei. Viele sterben in entfernten Regionen und gelangen so erst gar nicht in die Statistik."

Mittlerweile hat sich die Epidemie über den Grenzfluss Limpopo auf Südafrika und Botswana ausgebreitet, wo es ebenfalls bereits die ersten Toten gibt. Die Seuche wurde vermutlich von Flüchtlingen eingeschleppt, die auf eine kostenlose Behandlung in Südafrika hofften.

Bis zum März rechnen einige Hilfsorganisationen mit 10.000 Toten und 60.000 Infizierten. Die Organisation Oxfam befürchtet sogar, dass mehr als 300.00 Menschen aufgrund mangelnder Ernährung so geschwächt sind, dass die Seuche für sie eine "ernste Gefahr" darstellt. Bis Januar, so erklärte der zuständige Oxfam-Direktor Peter Mutoredzanwa, benötigten fünf Millionen der zwölf Millionen Simbabwer Nahrungsmittelhilfe.

Die Regierung in Harare hat deshalb den Notstand ausgerufen und um internationale Hilfe gebeten. Allerdings hat sie lange damit gewartet. Bereits im August war die Cholera ausgebrochen. Seitdem hatten Hilfsorganisationen vor einer Epidemie gewarnt, wurden jedoch nicht ernst genommen. Anstatt der Katastrophe vorzubeugen, hatte Robert Mugabe ausländischen Hilfsorganisationen die Arbeit untersagt. Demonstrierende Ärzte und Krankenschwestern waren von der Polizei verprügelt worden.

Die Ursachen für das Ausmaß der Seuche sind bekannt: Das Land leidet unter Armut und Hunger. Der öffentliche Dienst ist aufgrund einer extremen Wirtschaftskrise zusammengebrochen, das Gesundheitssystem funktioniert nicht ausreichend. Die meisten Krankenhäuser sind geschlossen, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist mangelhaft. In der Hauptstadt Harare wurde das Trinkwasser in einigen Vierteln völlig abgestellt, da nicht mehr genug Chemikalien zur Verfügung stehen, um Erreger abzutöten.

Selbst Infizierte, die bereits behandelt wurden, stecken sich in dem Chaos erneut an. Hinweise an die Bevölkerung, Wasser nur gekocht zu trinken, gibt es nicht mehr. Auch kann sich in den Ballungszentren kaum noch jemand Brennholz leisten. Bei einer Inflation von weit mehr als 230 Millionen Prozent blüht der Schwarzmarkt - der Liter Trinkwasser kostet einen US-Dollar!

Organisationen wie Welthungerhilfe, Ärzte ohne Grenzen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versuchen nun zu helfen, so gut sie können. Großbritannien hat dem Land inzwischen Hilfen von 11,5 Millionen Euro zugesagt, die EU stellt neun Millionen Euro zur Bekämpfung der Seuche bereit und die USA wollen helfen, die Wasserversorgung des Landes zu verbessern.

Infektion über das Trinkwasser

Gerade hier ist die Hilfe dringend notwendig. Menschen infizieren sich mit dem Cholera-Bakterium Vibrio cholerae vor allem über verunreinigtes Trinkwasser. Die Bakterien gelangen über Fäkalien in die Kanalisation. Die Krankheit bedroht deshalb vor allem Länder, in denen Abwasser- und Trinkwassersysteme nicht ausreichend getrennt sind. Das ist in Simbabwe der Fall. Erschwerend kommen hier die bevorstehenden Überschwemmungen der Regenzeit hinzu.

Matthew Cochrane rechnet damit, dass in Simbabwe in zwei bis drei Wochen die Flüsse über die Ufer treten. Diese Zeit sei schon unter normalen Bedingungen die Periode, in der wegen des brackigen Wassers eine Häufung von Cholera-Fällen auftrete, erklärte der Rotkreuz-Sprecher. Deshalb sehen sich die Helfer "einer enormen humanitären Herausforderung gegenüber". Das Ausmaß der erforderlichen Hilfe sei bisher noch gar nicht abzuschätzen.

Bizarr ist die Situation der Helfer, weil sie Mugabe gewissermaßen auch noch dankbar sein müssen, dass er sie ins Land gelassen hat. Dass die Hilfe tatsächlich die Ärmsten erreichen wird, ist noch gar nicht klar. Manche Skeptiker befürchten, dass Mugabes Regierung ähnlich vorgehen wird wie die in Birma nach der Flutkatastrophe im Mai. Dort hatte man versucht, die Hilfe für die eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren.

Die US-Außenministerin Condoleezza Rice hat nun die Nachbarländer Simbabwes aufgefordert, Druck auf Mugabe auszuüben und ihn zum Rücktritt zu bewegen.

Auch der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu verlangte ein Ende der Herrschaft Mugabes. Entweder trete dieser zurück oder er müsse mit Gewalt vertrieben werden, sagte der Friedensnobelpreisträger. Notfalls müssten die Nachbarländer militärische Gewalt einsetzen. Eine andere Möglichkeit bestehe darin, Mugabe mit einer Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu drohen.

Bei der Cholera handelt es sich um eine hochansteckende Krankheit, die Durchfall und Erbrechen und damit eine Austrocknung des Körpers verursacht. Ohne Behandlung führt die Krankheit bei vielen Menschen schnell zum Tode.

Erst im vergangenen Jahr hatte sich die Seuche in großen Teilen des Irak ausgebreitet. Rund 4700 Menschen hatten sich infiziert, etwa 100 Patienten waren gestorben. Für das Jahr 2007 hatte die Weltgesundheitsorganisation fast 180.000 Fälle von Cholera weltweit gezählt. Bei etwa zwei von hundert Betroffenen führt die Infektion zum Tod.

© sueddeutsche.de/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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