Sehnsucht und Projektion:Versunkene Reiche

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Sehnsuchtsorte, Projektionsflächen - untergegangene Städte und Inseln faszinieren die Menschen bis heute. Dabei mischen sich Mythen und Wahrheit. Und manchmal entdecken die Archäologen, dass hinter einem vermeintlichen Märchen doch ein wirklicher Ort steckt.

ATLANTIS ist die Urmutter aller verschollenen Städte. Auf einer Weltkarte könnte man Dutzend vermeintliche Standorte einzeichnen, von Helgoland bis zum Atlantik hinter der Meerenge von Gibraltar. Platon schrieb, dass ein dahinterliegender, prächtiger Inselstaat "an einem einzigen Tag und einer unglückseligen Nacht" untergegangen sei. Einig ist man sich nur beim Grund des Untergangs: Die Atlanter waren zu hochmütig und die Flut war die gerechte Strafe.

THONIS-HERAKLEION war der größte Hafen Ägyptens. Schon Herodot erwähnt seine prächtigen Tempel. Doch die Ägypter hatten auf unsicherem Grund gebaut, in einem lagunenartigen Feuchtgebiet im Nildelta. Bei Erdbeben mit folgenden Tsunamis oder Fluten verlor der Boden an Halt, die Monumentalbauten sanken ein. Dies passierte mehrmals bis zum vollständigen Untergang im 8. Jahrhundert n. Chr. Die Reste der Stadt liegen heute bis zu 15 Meter tief, 6,5 Kilometer von der Küste entfernt.

VINETA mit ihrem goldenen Marktplatz, so berichtet die Sage, lag einst an der Mündung der Oder und versank in einer Sturmflut - auch weil ihre Bewohner so hochmütig alle Warnungen ignorierten. Historische Quellen des 10. bis 12. Jahrhunderts erwähnen die Handelsstadt, insbesondere als Zufluchtsort des Wikingerkönigs Blauzahn. Zahlreiche Gemeinden an der Ostseeküste rund um Rügen und auch die polnische Insel Wolin beanspruchen die Stadt für sich. Die Fundlage ist dürftig.

RUNGHOLT lag einst im Wattenmeerraum auf der Höhe des heutigen Husum - bis im Jahr 1362 die erste Grote Mandränke kam, eine mächtige Sturmflut. Da der Mensch in dieser Region großflächig Gebiete eingedeicht hatte, blieb dem Meer bei Sturmfluten zu wenig Platz, es überspülte die Deiche und flutete ganze Bezirke. Eine zweite Mandränke im Jahr 1634 versetzte der Stadt den Todesstoß. Wirklich bedeutend war Rungholt wohl nie, es lebten kaum mehr als 300 Menschen dort.

MU füllte angeblich mal große Teile des Pazifiks aus. Der französische Historiker Charles Brasseur de Bourbourg behauptete Mitte des 19. Jahrhunderts in Maya-Texten von der Existenz des Kontinents erfahren zu haben, der nach vier zerstörerischen Kataklysmen untergegangen sei. Er meinte auch, dass die Maya-Zivilisation älter als die der Ägypter sei und beide ihre Wurzeln auf Mu hätten. Die Idee solcher riesiger Landbrücken war bis zur Anerkennung der Plattentektonik weit verbreitet.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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