Eigentlich klingt die Wegbeschreibung nicht allzu kompliziert: Erst rechts abbiegen, am Ende des Ganges links. Dann noch mal links, schließlich zweimal nach rechts. Dort, am Ende des Labyrinths, wartet die Belohnung: eine mundgerecht präparierte Muschel. Doch können Gemeine Strandkrabben den Weg finden? Sie gelten schließlich nicht gerade als die Einsteins im Tierreich. Deshalb haben Biologen die Lern- und Orientierungsfähigkeiten der Krebstiere bisher nur in sehr simplen Labyrinthen getestet, die meist nur eine einzige Gabelung hatten.
Dass Strandkrabben jedoch deutlich komplexere Aufgaben meistern können und überraschend clever sind, zeigen nun Biologen der südwalisischen Swansea University im Wissenschaftsmagazin Biology Letters.
Einmal wöchentlich trainierte das Team um Ross Davies zwölf Strandkrabben in einem Labyrinth, in dem die Tiere zwei Meter vom Startpunkt bis zur Belohnung bewältigen mussten. Geleitet vom Muschel-duft, benötigte keines der Tiere dafür länger als 25 Minuten. Von der dritten Woche an fanden die Krabben oft auf Anhieb den richtigen Weg. Dies war umso bemerkenswerter, da die Tiere dafür ihre natürliche Neigung überwinden mussten, sich an einer Wand entlang zu tasten. Wie nachhaltig die Probanden den richtigen Weg gelernt hatten, zeigte sich beim eigentlichen Test im Anschluss an eine zweiwöchige Trainingspause. Nun befand sich kein Futter mehr im Ziel, das die Krabben durch seinen Duft hätte leiten können. Außerdem hatten die Forscher das Labyrinth gründlich von Geruchsspuren gereinigt. Dennoch bewältigten die trainierten Krabben die Strecke in höchstens acht Minuten. Von zwölf Kontroll-Tieren dagegen, die nicht die vorherige Trainingsphase durchlaufen hatten, kamen nur sieben innerhalb von einer Stunde ins Ziel. Die übrigen fünf fielen wegen Zeitüberschreitung aus der Wertung heraus.
Aufgrund ihrer Ergebnisse bescheinigen die Biologen den Strandkrabben eine "hohe Kapazität zum räumlichen Lernen". Damit bestätigen Davies und seine Kollegen, worauf schon andere Studien hingedeutet haben: Zehnfußkrebse, zu denen neben Krabben zum Beispiel auch Hummer, Fluss- und Einsiedlerkrebse sowie Langusten gehören, sind mitunter erstaunlich clever. So fällt es vielen Vertretern dieser Gruppe leicht, Artgenossen individuell zu erkennen und sich über einen längeren Zeitraum zu merken, ob sie dem jeweiligen Gegenüber in einer früheren Auseinandersetzung über- oder unterlegen waren. Karibik-Langusten lernten in einer Studie zudem innerhalb weniger Minuten, verschiedene chemische Substanzen zu erkennen, die sich nur geringfügig im Mischungsverhältnis der einzelnen Komponenten unterschieden.
Neben Belegen für solch kognitive Leistungen mehren sich außerdem die Hinweise, dass Zehnfußkrebse individuelle Persönlichkeiten besitzen. So fanden Biologen bei Einsiedlerkrebsen deutliche Unterschiede in der Neigung, sich von einer menschlich verursachten Störung verunsichern zu lassen. Während sich ängstliche Individuen daraufhin für längere Zeit in ihr Gehäuse zurückzogen, wagten sich unerschrockene Einsiedlerkrebse schnell wieder hervor.