Rein statistisch:Wir sind Weltmeister

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Physikprofessor hat den Sieger der Fußball-WM berechnet, Sportpsychologen zweifeln noch.

Philip Wolff

Statistisch betrachtet steht der Sieger der Fußballweltmeisterschaft 2006 bereits fest. Deutschland werde gewinnen, sagt ein Dortmunder Physikprofessor, der soeben Berechnungen der Erfolgschancen präsentiert hat: eine Analyse, die sich auf Torraten und Spielstärken samt Heimvorteil stützt; eine andere, die vergangene Weltmeisterschaftserfolge mit einbezieht. "Man kann Glück und Pech im Fußball messen", sagt Metin Tolan von der Universität Dortmund.

Junger Fußball-Fan beim Kölner Karneval (Foto: Foto: dpa)

Tolan hat aus den mittleren Torraten bisheriger WM-Turniere zunächst die Spielstärke der einzelnen Teams ermittelt, wonach Deutschland mit 10,69Prozent Wahrscheinlichkeit gewinnen müsste. Allerdings sorgten die Zuschauer für einen Heimvorteil, deshalb müsse man die Torrate um einen Punkt erhöhen und komme dann auf 33,18 Prozent Siegchancen für Deutschland, sagt der Physiker. Baue man auf ein besonders gutes Publikum und steigere die Torrate um zwei Punkte, wachse die Wahrscheinlichkeit sogar auf unschlagbare 56,39 Prozent.

Unterstützt werden diese Aussichten durch die Zahlenreihe früherer WM-Sieger: Die deutsche Mannschaft erreiche etwa alle vier bis fünf Weltmeisterschaften ihre Siegerstärke. So gewann sie 1954 bei der fünften Fußball-WM der Geschichte, dann fünf Wettkämpfe später 1974 und nach wiederum vier Weltmeisterschaften 1990. In diesem Sommer steht erneut ein viertes Turnier an.

Doch was die Statistik des Physikers verspricht, sehen Sportpsychologen etwas anders. Ein Heimvorteil nämlich existiert nur als Fiktion in den Köpfen der Spieler - zwar mit Auswirkungen auf deren Leistungsfähigkeit, doch äußere, objektive Gründe für einen Heimvorteil gebe es nicht. So hätten anfeuernde Fans gar keinen Einfluss auf den Ausgang von Spielen, sagt der Sportpsychologe Bernd Strauß von der Universität Münster. Beobachtungen im amerikanischen Basketball und ein Experiment von Strauß mit Basketballspielern hatten dies Ende der Neunziger Jahre gezeigt: Vor leeren Rängen spielen Ballsportler sogar besser als vor vollen Tribünen.

Und lediglich ihr Glaube, sie seien im Heimvorteil, erhöht ihre konditionelle Leistungsfähigkeit. Dieser Effekt hilft im Fußballspiel, das auch große koordinierende Leistungen fordert, allerdings nicht viel weiter: Nur knapp mehr als die Hälfte (53,3 Prozent) der Begegnungen in der ersten Bundesliga zwischen 1963 und 1998 entschieden Heimmannschaften für sich. Die WM bleibt also spannend.

© SZ vom 28. Februar 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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