Reaktion auf Klimabericht:"Egal, was es kostet, es lohnt sich"

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Verringerung des Treibhauseffekts hat tiefgreifende Veränderung des menschlichen Verhaltens zur Folge. Wissenschaftler fordern sofortiges Handeln.

Die Menschheit muss nach Ansicht der Umweltstiftung WWF sofort mit der Verringerung der Treibhausgase beginnen. Dies sei die Voraussetzung dafür, den Temperaturzuwachs bis zur Mitte des Jahrhunderts auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, sagte der Klimaexperte vom WWF Europa, Stefan Singer, am Donnerstag.

Dies werde aller Voraussicht nach eine der Kernaussagen des dritten Teils des UN-Klimareportes sein, der am 4. Mai im thailändischen Bangkok veröffentlicht werden soll. Medienberichten zufolge lässt der Entwurf des dritten Teils den Menschen nur noch wenige Jahre Zeit, eine Klimakatastrophe abzuwenden.

Die für den Klimaschutz nötigen Kosten wären nach Auskunft des Chefökonomen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, zudem bezahlbar. "Eine der interessantesten Feststellungen wird meiner Meinung nach sein, dass die Kosten einer solchen drastischen Treibhausgasreduktion volkswirtschaftlich tragbar sein werden", sagte Edenhofer.

Keinen Preis für Klimawandel

"Wir müssen allerdings jetzt schon beginnen, eine klimafreundliche Energiepolitik zu betreiben." Bis der Bericht in der endgültigen Fassung vorliegt, warnte der Ökonom vor vorschnellen Deutungen. Auch nach Ansicht des WWF ist der sofortige Einstieg in die Reduktion wirtschaftlich sinnvoll. Die dafür nötige neue Technik sei zwar vielfach teuer, "aber es ist rund 20 Mal billiger, jetzt zu handeln als später nur die Trümmer wegzuräumen", sagte Singer.

Dabei ließen sich die vielen Toten durch stärkere Hurrikans oder mehr Dürren in Afrika gar nicht in Zahlen fassen. "Es gibt keinen Preis, zu dem der Klimawandel bezahlbar wäre", warnte Singer. "Egal, was es kostet, es lohnt sich." Er hofft, dass diese Position auch eindeutig aus dem Bericht hervorgehen wird.

Edenhofer wies darauf hin, dass der UN-Klimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) kein politisches Mandat sondern den Auftrag habe, den Stand des Wissens zusammenzustellen. Daraus soll sich eine Entscheidungsgrundlage für die Politik ergeben, sagte Edenhofer. "Es ist aber klar, dass die Emission von Treibhausgasen irgendwann nach 2020 oder 2030 weltweit drastisch reduziert werden muss, wenn ein gravierender Klimawandel noch verhindert werden soll."

Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) warf den deutschen Unternehmen Versäumnisse beim Klimaschutz vor. "Es müsste im eigenen Interesse der Wirtschaft sein, da sehr viel mehr zu tun" sagte Müller im Fernsehsender N24. "Und ich muss leider darauf hinweisen, dass die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahren nicht so gut war wie sie getan hat."

Ernährungsumstellung könnte helfen

Singer verlangte: "Bis 2015/2020 muss die Welt auf dem Weg der globalen Reduzierung sein." Derzeit nehme der Treibhausgas-Ausstoß global allerdings um etwa drei Prozent jährlich zu - "unter anderem durch den großen Hunger nach Kohle und Öl in Indien, China und den USA". Bis zum Jahr 2050 müsse der Treibhausgasausstoß um die Hälfte reduziert werden, gemessen am Wert von 1990.

Der Klimawandel könnte nach Ansicht des Marburger Forschers Ralf Conrad gebremst werden, wenn die Menschheit sich anders ernähren würde. "Kurz gesagt könnte die Parole lauten: Keine Rinder mehr essen, auf Milchprodukte verzichten", sagte der geschäftsführende Direktor des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie.

Das von Bakterien in Mägen von Wiederkäuern produzierte Methan ist eines der stärksten Treibhausgase. An der "Methanschraube" in der Atmosphäre zu drehen, könne schneller einen positiven Effekt bringen, als rasch den Kohlendioxidausstoß reduzieren zu wollen, sagte Conrad. "Der Methan-Kreislauf in der Atmosphäre ist innerhalb von etwa acht Jahren beeinflussbar, bei Kohlendioxid dauert das Jahrzehnte."

Anfang Februar hatte die Arbeitsgruppe I des IPCC den ersten Teil des Berichtes über die wissenschaftlichen Grundlagen vorgelegt. Seither gilt der vom Menschen verstärkte Treibhauseffekt als Tatsache. Arbeitsgruppe II behandelt die Auswirkungen des Klimawandels sowie die möglichen Anpassungen daran, dieser Teil soll am 6. April in Brüssel vorgestellt werden. In allen Fällen gibt es vorab Entwürfe - über die endgültige Fassung wird erst in letzter Minute entschieden.

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