Raumfahrt:In den Schluchten des Titan

Lesezeit: 3 min

Klingt wie ein Mofa, sieht aus wie eine Hafenanlagen mit Strandhotels: Der Saturnmond Titan. Die Bedingungen ähneln denen auf der Erde vor drei Milliarden Jahren. Die Wissenschaftler sind begeistert und zeigen Humor.

Von Patrick Illinger

Auf den ersten Blick meint man Hafenanlagen zu sehen. Vielleicht auch Strandhotels, Straßen und Wohnhäuser. Das sind die Dinge, auf die das menschliche Auge geeicht ist, wenn es eine Luftaufnahme betrachtet, auf der offenbar eine in sanften Bögen geschwungene Küstenlinie zu sehen ist.

Wissenschaftler präsentieren in der Zentrale der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt eine Panoramaaufnahme der Oberfläche des Saturnmondes Titan. (Foto: Foto: AP)

Doch die Bilder dieser Welt zeigen keinen Beton, keine Antennen oder andere Spuren der Zivilisation. Der Saturnmond Titan, fotografiert von der Raumsonde Huygens, als sie am Freitag mit einem Fallschirm auf dessen Oberfläche herabsank, befindet sich in einem wesentlich früheren Entwicklungsstadium als die Erde.

Dort ist - noch - niemand mit Sinn für irdischen Humor, wie ihn zum Beispiel eine CD enthält, die die Raumsonde mit zum Titan brachte. Auf dieser steht unter anderem "Frieden allen Titaniern".

Raumkapseln und Witzeleien

Doch um zu erfahren, wie es passieren konnte, dass auf dem Planeten Erde eine komplexe biologische Art entstand, der es möglich ist, Raumkapseln und Witzeleien quer durch das Sonnensystem zu schießen, ist man auf dem Titan genau richtig.

Obwohl nur ein Mond, ist der Himmelskörper, halb so groß wie die Erde, ein höchst aufregender Experimentierkessel, in dem heute womöglich viele Elemente jener Ursuppe köcheln, die einst das Leben auf der Erde formte.

Nur Stunden nach der Landung äußerten die Wissenschaftler der Huygens-Mission die Vermutung, dass es nicht nur Methan, sondern auch Wasser auf dem Titan geben könnte. Das wäre die wichtigste Ingredienz aller biologischen Lebensformen.

Und deren Nachweis gliche einer Sensation, zumal wenn man betrachtet, wie lange es gedauert hat, bis die Planetenforscher dieser Erde Wasser auf unserem Nachbarplaneten Mars nachweisen konnten.

Die Mission der Raumsonde Huygens, soviel ist schon jetzt sicher, wird eine der erfolgreichsten Weltraumexplorationen aller Zeiten sein. Die Sonde hat die riskante Landung auf dem Saturnmond länger überstanden als erwartet.

Eine Küstenlinie?

Drei Stunden und 57 Minuten lang hat Huygens Daten über das Mutterschiff Cassini in Richtung Erde geschickt, davon 70 Minuten von der Oberfläche aus. In Rekordzeit konnten die beteiligten Forscher schon am Wochenende im Darmstädter Kontrollzentrum der europäischen Raumfahrtagentur Esa erste Resultate verkünden.

Auf rund 350 Aufnahmen, welche die Huygens-Sonde während der Landung auf dem Titan zur Erde funkte, sind zumindest Kanäle, Schluchten und womöglich eben auch eine Küstenlinie zu sehen. Bei den faustgroßen Brocken, die Huygens nach dem Aufsetzen auf dem Titan aus nächster Nähe fotografierte, könnte es sich zudem um Eisbälle handeln.

Letzteres sei jedoch bislang nur eine Vermutung, sagen die Astrophysiker in Darmstadt. Diese Fotografien faszinieren auch deshalb, weil sie einen Eindruck davon vermitteln, was ein menschlicher Raumfahrer auf der Oberfläche des Titan zu sehen bekäme.

Begeisterung über ein Mofa-Dröhnen

Begeisterung lösten im Esa-Kontrollzentrum auch akustische Aufzeichnungen aus, auf denen womöglich die Winde des 1,3 Milliarden Kilometer entfernten Himmelskörpers zu hören sind. Diese erinnern an ein mechanisches Dröhnen, ähnlich einem heiß laufenden Mofa, unterbrochen von einem prägnanten Klopfen.

Noch ist unklar, ob das merkwürdige Geräusch tatsächlich von Windböen stammt. Winde und Stürme gibt es auf dem Titan so wie auf jedem anderen Himmelskörper, der von einer Gashülle umgeben ist. Dabei handelt es sich jedoch nicht immer wie auf der Erde um ein Gemisch aus Stickstoff, Sauerstoff, Edelgasen und Kohlendioxid.

Im Fall des Titan ähneln immerhin der Atmosphärendruck sowie ein hoher Stickstoffanteil den irdischen Bedingungen. Der Stickstoff und das Methan in der Titan-Atmosphäre könnten sogar ähnliche chemische Reaktionen auslösen, wie sie in der Gashülle der Erde vor mehr als drei Milliarden Jahren abliefen, bevor das Leben entstand.

Minus 180 Grad

Auf der Erde waren jedoch elektrische Entladungen in Form von Blitzen ein wichtiger Motor für die Bildung der Grundbausteine des Lebens. Anzeichen von Gewittern konnte Huygens nicht finden. Auch Sauerstoff und damit die Voraussetzung für lebendige Organismen wird es dort wohl nie geben. Dafür bräuchte man Pflanzen. Und minus 180 Grad Celsius machen biologisches Wachstum nahezu unmöglich.

Dennoch dürfte das gewonnene Datenmaterial, auch wenn es nur zwischen 300 und 400 Megabit, also rund 2000 Textseiten sind, Astrophysiker, Planetenforscher und auch Exobiologen über viele Jahre hinweg beschäftigen. Kaum ein Himmelskörper des Sonnensystems hat so viel gemeinsam mit der Erde. Das konnte man schon auf Fotografien sehen, die vor der Huygens-Landung entstanden. Sie zeigen Bergketten, Fontänen und Geysire, Stürme - und Treibhausgase, die das Klima anheizen.

Bilder und Tondukumente: www.esa.int

© SZ vom 17.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: