Raumfahrt:Drei, zwei, eins, Comeback

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Hochspannung bei der Nasa: Mit einem runderneuerten Spaceshuttle wollen die USA wieder die Führung im Weltraum übernehmen.

Von Alexander Stirn

Der Countdown läuft. Zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren zählt die Digitaluhr in den Sümpfen Cape Canaverals wieder die Sekunden bis zum Start einer Raumfähre herunter. Wenn nichts dazwischen kommt, wird der Spaceshuttle Discovery am Mittwochabend um 21.51 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit ins All abheben. STS-114 heißt die Mission, und sie hat nur ein Ziel: die Nasa wieder auf Kurs zu bringen.

Für die Weltraumbehörde steht viel auf dem Spiel. Es geht um die Zukunft der bemannten Raumfahrt. Zuletzt hob am 16. Januar 2003 eine Raumfähre in Cape Canaveral ab. Doch die Columbia - und mit ihr die sieben Astronauten an Bord - sollte nicht zur Erde zurückkehren.

16 Tage nach dem Start, beim Wiedereintritt in die Atmosphäre, brach der Orbiter auseinander. Analysen offenbarten: Beim Start hatte sich ein koffergroßes Stück Schaumstoff aus der Isolierung des Haupttreibstofftanks gelöst.

Der knapp 700 Gramm schwere Fetzen traf die Vorderkante des linken Flügels - und beschädigte die dort angebrachten Hitzekacheln. Beim Eintauchen in die Erdatmosphäre, bei dem Temperaturen von 1500 Grad Celsius auftreten können, versagte der beschädigte Hitzeschild. Heiße Gase drangen in den Flügel ein, wenig später brach die Columbia in 62 Kilometer Höhe auseinander.

Über eine Milliarde Euro hat die Nasa seitdem in die Modernisierung ihrer Shuttle-Flotte gesteckt, mehrere Zehntausend Techniker und Ingenieure waren an den Verbesserungen beteiligt. Im Mittelpunkt der Arbeiten: die braune Isolierung des Treibstofftanks. Waren die Bolzen, die Tank und Raumfähre verbinden, früher mit Schaumstoff ummantelt, halten heute elektrische Heizungen die Bolzen eisfrei.

Auch die Isolierung selbst wurde modizifiert. Sollten sich beim Start wieder Schaumstoffteile vom großen Tank lösen, dürften diese - so die Hoffnung der Nasa-Techniker - nunmehr kleiner und damit ungefährlicher ausfallen. Um das zu überprüfen, lauschen in jedem der beiden Flügel 66 Sensoren, ob es beim Start nicht doch zu einer Beschädigung kommt; 22 Temperaturfühler registrieren jede Erwärmung.

Nochmal zum Mond und weiter zum Mars

Der Nasa stehen heiße Tage bevor. Ein weiterer Fehlschlag würde nicht nur das Leben der Besatzung gefährden, er wäre auch das sichere Aus für das Shuttle-Programm. Und er würde die bemannte US-Raumfahrt für viele Jahre stilllegen - ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Nasa unter ihrem neuen Chef Michael Griffin und ermuntert von der Bush-Regierung zu neuen Grenzen aufbrechen will: nochmals zum Mond und weiter zum Mars.

Die Shuttle-Flotte ist in die Jahre gekommen. Vor mehr als drei Jahrzehnten wurde das Konzept entwickelt. 31 Flüge hat die Discovery hinter sich, zum ersten Mal hob sie 1984 ab. Doch Alter ist nicht das vorrangige Problem: Die Raumfähren leiden vielmehr unter einer Reihe gravierender Konstruktionsfehler.

Auch wenn es die Nasa wollte, könnte sie die Flügelkanten nicht gegen Beschädigungen schützen. Eine Verstärkung würde den Shuttle so schwer machen, dass selbst die gewaltigen Feststoffraketen beim Start nicht mehr genügend Schub für den Weg ins All liefern würden.

Das Konzept, ein wiederverwendbares Raumfahrzeug zu entwerfen, ist nicht aufgegangen. Wegen der intensiven Wartung schlägt jeder Shuttle-Start mittlerweile mit einer halben Milliarde Dollar zu Buche. Die Russen schießen ihre Einmal-Raketen vom Typ Sojus, die immerhin Platz für drei Kosmonauten bieten, dagegen für einen Bruchteil dieses Betrages in den Weltraum.

Vor allem die Sicherheit hat ihren Preis: Neun neue Hochleistungskameras, die während des Discovery-Starts am Cape aufgestellt werden, sollen selbst kleinste herumfliegende Schaumstoffteilchen aufstöbern. Auch am Orbiter selbst hat die Nasa zusätzliche Außenkameras montiert. Der Roboterarm des Shuttles wurde verlängert und mit einem Lasermessgerät versehen. Mit seiner Hilfe lässt sich im All die Unterseite des Raumgleiters inspizieren. Um nicht allein auf die Technik angewiesen zu sein, wird die Discovery in Sichtweite der Internationalen Raumstation ISS erstmals eine Rolle rückwärts versuchen. So können die Astronauten an Bord der ISS den Shuttle von allen Seiten in Augenschein nehmen.

Nur: Werden tatsächlich Schäden an der Außenhaut entdeckt, sind die Möglichkeiten der Nasa begrenzt. Zwar gibt es Überlegungen für eine Reparatur im Weltraum, doch die Methoden sind weder getestet noch besonders innovativ. So könnten die Astronauten Schäden am Hitzeschild mit einer Spachtelmasse aus Silikon flicken. Oder sie montieren zusätzliche Hitzekacheln - mit einem überdimensionalen Akkuschrauber.

Auf jeden Fall will die Nasa bei Problemen ihr neues Superhirn, den Columbia-Hochleistungsrechner, bemühen und die Chancen einer sicheren Rückkehr zur Erde ermitteln. Fällt das Ergebnis unbefriedigend aus, könnten die Shuttle-Astronauten Zuflucht auf der ISS suchen, um sich von einer zweiten Fähre abholen zu lassen.

Auftakt zur Abschiedstournee

Die Raumstation ist allerdings nur für drei Besatzungsmitglieder ausgelegt. Zu neunt würde es eng, der Sauerstoff wäre innerhalb von 50 Tagen verbraucht. Und was, wenn auch die Rettungsfähre schwächelt?

Doch selbst wenn alles klappt: Die anstehende Mission bildet den Auftakt für die Abschiedstournee der Shuttle-Flotte. Geht es nach Nasa-Chef Griffin, sollen die Raumfähren lieber früher als später eingemottet und durch einen billigeren, besseren Nachfolger ersetzt werden. Nur noch 18-mal könnte der Shuttle, einst der Stolz der Amerikaner, in den Himmel über Florida starten. Der Countdown läuft - nicht nur für STS-114.

© SZ vom 13.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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