Ein ehrgeizigeres Projekt ist die Landwirtschaft in Fassaden von Bürogebäuden. Doppelglasfassaden sind bei Architekten beliebt, weil sie Energie sparen. Die Wintersonne strahlt in die Innenräume, während die Fassade gegen Wärmeverlust und Schall isoliert ist.
Im Sommer brauchen Doppelglasfassaden jedoch Verschattungen, damit die Innenräume nicht überheizen. Genau diese Aufgabe könnten Hydrokulturen übernehmen, sagt Caplow. Vertikale Förderanlagen könnten die Pflanzen in die tieferen Stockwerke transportieren, wenn die Ernte ansteht. "Entsprechende Systeme ließen sich mit heute vorhandenen Technologien realisieren'', sagt Caplow.
Unten Hühner und Fische, oben Getreide
Noch weiter in die Zukunft blickend verfeinert Despommier mit seinen Studenten die Idee von Wolkenkratzer-Bauernhöfen. Er schätzt, dass eine 30-Stockwerke hohe Farm in einem städtischen Häuserblock 50.000 Menschen mit Gemüse, Obst, Eiern und Fleisch versorgen kann.
In den oberen Stockwerken würde Getreide in Hydrokulturen angebaut, die unteren Stockwerke wären für Hühner und Fische vorgesehen, die sich vom Abfall der Pflanzen ernähren. Wärme und Licht würden von Wasserkraft, Erdwärme oder aus Sonnenenergie gespeist werden. Stickstoff und andere Dünger könnten der Tiermist und möglicherweise die städtische Kanalisation liefern. Das sei schließlich der Ort, wo ein Großteil der Früchte und Gemüse am Ende lande, sagt Despommier, "diese Schleife sollte man schließen''.
Hydrokultur-Treibhäuser wären auch ein Segen für die Entwicklungsländer, sagt er. In tropischen Regionen könnte man die üppige Sonnenstrahlung nutzen, Wasser sparen und verbrauchte Böden hätten Zeit, sich zu erholen. Idealerweise ließe sich auch menschlicher Abfall auf sichere Weise in ungefährliche Nahrung verwandeln.
Jan Broeze findet solche Ideen inspirierend. "Vorher braucht es jedoch noch massive technische Neuerungen'', sagt der Landwirtschaftsexperte von der Universität Wageningen in den Niederlanden. Besonders die Beleuchtung und die Verarbeitung der Abfälle müsse verbessert werden. Im Jahr 2001 schlug Broeze mit Kollegen einen sechsstöckigen urbanen Bauernhof namens "Deltapark'' im Hafen von Rotterdam vor, der Wasser aufbereiten und die Wärme der umliegenden Gebäude nutzen sollte.
Das Landwirtschaftsministerium unterstützte das Projekt, aber es wurde abgebrochen, nachdem die Presse den Komplex als "zu industrialisiert'' kritisierte. Jetzt arbeitet Broeze daran, Treibhaustechnik mit Viehzucht zusammenzuführen. Und er ist in Kontakt mit Kollegen in Indien und China, wo innerstädtische Bauernhöfe in mehreren Orten vorgesehen sind. Das größte Projekt ist die energieautarke Öko-Stadt Dongtan bei Schanghai.
Eines der Ziele von Dongtan ist es, zumindest so viel Nahrung zu erzeugen, wie das auf dem Stadtgebiet verloren gegangene Farmland erbracht hätte. "Die große Frage ist, ob sich das ökonomisch lohnt'', sagt Peter Head, Direktor der Firma Arup, die das Projekt Dongtan leitet. Die Erfahrung in China werde die Haltung der Welt zu Landwirtschaft fundamental ändern, prophezeit Head. "Es wird keine Frage mehr sein, ob wir es ganz nett finden, urbane Landwirtschaft zu betreiben'', sagt Head. "Die Frage wird sein, ob wir überleben wollen.''
Dieser Text stammt aus der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science, herausgegeben von der AAAS.