Profil:Polens Klima-Botschafter Janusz Reiter

Lesezeit: 2 min

Janusz Reiter, den deutschen Fernsehzuschauern von vielen Talkrunden aus den neunziger Jahren bekannt, ist Koordinator der polnischen Regierung für die UN-Klimakonferenz.

Thomas Urban

Nun ist er wieder da, steht nach langer Pause erneut im internationalen Rampenlicht: Janusz Reiter, den deutschen Fernsehzuschauern von vielen Talkrunden aus den neunziger Jahren bekannt, ist Koordinator der polnischen Regierung für die UN-Klimakonferenz, die an diesem Montag in Posen beginnt.

Janusz Reiter (Foto: Foto: dpa)

Der 56-Jährige wird als Sonderbotschafter für Klimaschutz hinter den Kulissen für einen Kompromiss innerhalb der EU werben. Polen steht dabei unter besonders großem Druck, weil seine Stromversorgung vor allem auf Kohlekraftwerken beruht, das finanzschwache Land also Milliarden zur Reduzierung der Treibhausgase aufbringen muss.

Reiter nimmt somit wieder einen der wichtigsten Posten in der polnischen Diplomatie ein, nachdem er bereits Botschafter in der Bundesrepublik und in den USA war. Seine Karriere im Auswärtigen Dienst schien im vergangenen Jahr beendet zu sein: Er musste vorzeitig aus Washington zurückkehren, weil er dem damaligen nationalkonservativen Premier Jaroslaw Kaczynski nicht ins Konzept passte.

Reiter gehörte nämlich zu den Gefolgsleuten des ersten nicht-kommunistischen Regierungschefs der Nachkriegszeit, Tadeusz Mazowiecki, der nicht nur liberale Positionen vertrat, sondern auch auf enge Zusammenarbeit mit den Deutschen setzte.

Beide hatten sich in den achtziger Jahren in der Demokratiebewegung um die verbotene Gewerkschaft Solidarität kennengelernt. Beide schrieben für die Untergrundpresse; der aus der Kaschubei in Nordpolen stammende Reiter war nach seinem Germanistik-Studium in Warschau, das er mit einer Arbeit über den Dichter Hermann Hesse abgeschlossen hatte, Journalist geworden.

Als Mazowiecki nach Zusammenbruch des Parteiregimes 1989 Ministerpräsident wurde, setzte er den gerade erst 37 Jahre alten Reiter als neuen Botschafter in der Bundesrepublik durch. Es war eine wichtige Aufgabe, war Mazowiecki doch überzeugt, dass Polen nur mit deutscher Unterstützung den Weg vom Ostblock in die westlichen Strukturen schaffen könne; noch stand fast eine halbe Million russischer Soldaten im Land.

Schnell war Reiter als Vertreter des neuen, westorientierten Polens in den deutschen Medien präsent, nicht zuletzt wegen seiner exzellenten Sprachkenntnisse.

Nach seiner Rückkehr an die Weichsel nach fünf Jahren gehörte Reiter zu den Gründern einer "Denkfabrik". Als sich dann die deutsch-polnischen Beziehungen allmählich eintrübten, geriet er ebenso wie die anderen Verfechter eines prodeutschen Kurses ins Abseits.

Und nicht nur das: Von den nationalpatriotisch orientierten Medien, die zunehmend den Ton angaben, wurde er gar als "bezahlter Einflussagent Berlins" angegriffen. Darüber offenbar zutiefst erschrocken, zog sich Reiter völlig aus dem deutsch-polnischen Dialog zurück, er konzentrierte sich auf die USA.

Nun will er wohl in der großen globalen Politik bleiben, was durchaus als Verlust für die deutsch-polnischen Beziehungen zu sehen ist. Denn an ruhigen, umsichtigen Brückenbauern wie er, die auch die Debatten und Empfindlichkeiten der Gegenseite gut verstehen, fehlt es derzeit ein wenig zwischen Berlin und Warschau.

© SZ vom 01.12.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: