Planetenforschung:Heiße Körnchen aus kaltem Kometen

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Die Nasa-Sonde Stardustbringt Staub aus der Urzeit des Sonnensystems zur Erde - und stellt Forscher vor große Rätsel.

Thomas Bührke

Am 15. Januar dieses Jahres schwebte die Raumsonde Stardust an einem Fallschirm auf den Wüstenboden von Utah. Fast fünf Milliarden Kilometer hatte sie zuvor im All zurückgelegt, um in einer einzigartigen Mission Staubteilchen aus dem Schweif des Kometen Wild 2 zu sammeln und zur Erde zu bringen.

Ein Relikt aus der Frühzeit des Sonnensystems: Der Komet Wild 2 (Foto: Foto: NASA)

Erstmals seit den Mondmissionen haben Planetenforscher Materie von einem fernen Himmelskörper in ihre Laboratorien bekommen. Über die ersten wissenschaftlichen Erkenntnisse der Mission Stardust (deutsch: Sternenstaub) berichten sechs Forschergruppen in der aktuellen Ausgabe des Magazins Science.

Das wichtigste Resultat: Obwohl der Komet aus den kühlen Außenbereichen des Sonnensystems stammt, enthält er Minerale, die bei sehr hohen Temperaturen entstanden sein müssen. Astrophysiker stehen vor einem Rätsel.

Im Februar 1999 war die fünf Meter lange und 350 Kilogramm schwere Sonde gestartet und hatte im Januar 2004 Wild 2 erreicht. In 230 Kilometer Abstand raste sie an dem fünf Kilometer dicken Brocken aus Eis und Gestein vorbei und funkte detailreiche Bilder zur Erde.

Ausklappbarer Staubfänger

Spektakulär war das Einsammeln der feinen Kometenpartikel verlaufen, die mit etwa 20.000 Kilometern pro Stunde auf das Raumschiff prasselten. Damit diese beim Aufprall nicht zerplatzten, nutzte Stardust einen ausklappbaren Staubfänger, der Ähnlichkeit mit einem großen Tennisschläger hatte.

Der enthielt ein Aerogel, ein glasartiges, poröses Material, das zu 99,8 Prozent aus Luft besteht. Darin blieben die Staubteilchen unbeschädigt stecken.

Auf diese Weise hat Stardust etwa tausend Partikel mit Größen zwischen fünf und 300 Mikrometer (tausendstel Millimeter) gesammelt, nur einige Millionstel Gramm Kometenstaub. Doch das reicht für die empfindlichen Messgeräte einiger Laboratorien auf der Erde. Dazu zählen Institute an den Universitäten Münster und Frankfurt sowie das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Sie gehörten zu den Auserwählten, die eine Prise Sternenstaub erhielten.

Diesen zu präparieren war allerdings Sache der Experten im Johnson Space Center der Nasa in Houston. "Als die Sonde gestartet war, hatte man noch gar keine Methoden, um die Staubteilchen aus dem Aerogel herauszuholen", sagt der Direktor des Münsteraner Instituts Elmar Jessberger. Die Partikel sind mit 20 000 Kilometer pro Stunde in das Aerogel eingedrungen und wurden innerhalb von weniger als einer Millionstel Sekunde abgebremst, wobei Temperaturen von mehr als 2000 Grad Celsius auftraten.

Mit eigens angefertigten Werkzeugen haben Nasa-Techniker die Teilchen aus den wenige Zehntel Millimeter langen Einschlagskanälen herausgelöst. Dann haben sie die Körnchen zerschnitten und die Proben verschickt. Aus einem hunderstel Millimeter kleinen Teilchen ließen sich rund hundert Schnitte anfertigen. "Wir haben insgesamt 19 Proben bekommen", sagt Jessbergers Mitarbeiter Thomas Stephan, der die Analyse in Münster leitete.

Vielschichtigkeit der Körnchen

Erstaunlich ist die Vielschichtigkeit der winzigen Körnchen. So präsentiert der Leiter der Stardust-Mission, Donald Brownlee von der University of Washington in Seattle, in Science die Aufnahme eines nur acht Mikrometer kleinen Teilchens, das eindeutig aus drei Mineralien zusammengesetzt ist - ein Hinweis darauf, dass der Kometenkern nie sehr heiß gewesen ist, sonst hätte sich das 4,6 Milliarden Jahre alte Urmaterial verändert.

Das aber erscheint widersprüchlich zu dem bislang wichtigsten Ergebnis: Die häufigsten gefundenen Minerale sind kristallförmige Enstatite und spezielle kalzium- und aluminiumreiche Minerale. Beide Materialien können nur bei extremen Temperaturen oberhalb von 1400 Grad Celsius entstanden sein. Entsprechende Bedingungen brauchen also die Nähe eines Sterns, was aber überhaupt nicht zur Entstehungsgeschichte von Wild 2 passt.

Der Komet ist nach heutigem Wissen in den eiskalten Bereichen des Sonnensystems jenseits des Planeten Neptun entstanden und seither nicht in die Nähe der Sonne geraten. In diesem Fall wäre das im Kometen enthaltene Eis geschmolzen und sogenannte Schichtsilikate oder Karbonate wären entstanden. "Die haben wir aber nicht gefunden", sagt Thomas Stephan. Wie also kamen die ursprünglich heißen Teilchen in den eiskalten Kometen hinein?

Theoretiker sehen hierfür nur eine Möglichkeit. Die kleinen Partikel befanden sich in einer ausgedehnten Staubscheibe, welche die junge Sonne umgab. In ihr entstanden die Planeten und Kometen. Die Staubkörnchen haben sich in unmittelbarer Nähe des Zentralgestirns gebildet, sind dann in die äußeren Bereiche gewandert und haben sich erst dort zu Kometenkörpern zusammengelagert. Wie dieser Transport über Milliarden Kilometer hinweg stattgefunden haben soll, ist nicht abschließend geklärt.

"Das ist ein wunder Punkt in unseren Modellen", sagt Willy Kley von der Universität Tübingen. Nach gängiger Vorstellung erzeugte die Sonne am Beginn ihrer Entstehung ein Magnetfeld, genauso wie die umgebende Staubscheibe, aus der später die Planeten wurden. Diese Felder verwirbelten miteinander und verrührten den Urstaub wie ein riesiger Mixer. Es entstanden turbulente Zonen, die dazu führten, dass Teile der inneren Scheibe in die Außenbereiche gewirbelt wurden. Der Druck der Sonnenstrahlen hat diese Bewegung wohl verstärkt.

Interstellare Schrotkugeln

Doch vieles an diesen Modellen ist Spekulation. Mehr Klarheit könnte eine interdisziplinäre Forschungsgruppe von Planetenkundlern, Mineralogen und Astrophysikern bringen, die sich zwischen den Universitäten von Tübingen, Heidelberg, Braunschweig und Münster sowie dem Heidelberger Max-Planck-Institut gebildet hat. Vermutlich bergen die Stardust-Teilchen noch mehr Information über die Frühphase des Sonnensystems. Bislang wurde weniger als ein Zehntel der Partikel untersucht.

Einen weiteren Schatz werden die Forscher ohnehin erst in der Zukunft heben können. Mit einem weiteren Spezialdetektor an Bord von Stardust haben Franz Krüger und Jochen Kissel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching während des Fluges Staubkörnchen aufgefangen, die nicht von dem Kometen stammen, sondern von fernen Sternen kommend in das Sonnensystem eingedrungen sind.

Etwa hundert dieser interstellaren Schrotkugeln hat ein separater Aerogelfänger eingesammelt. Allerdings sind diese so klein, dass sie bislang noch nicht herausgeholt werden konnten. Die Nasa arbeitet an neuen Methoden.

© SZ vom 15.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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