PID:Der Weg zur Selektion

Lesezeit: 2 min

Einmal zugelassen, droht die Methode zum Standard zu werden

Jeanne Rubner

(SZ vom 31.5.2001) - Die Namen der jährlich 50 bis 100 betroffenen Paare in Deutschland kennt man nicht. Wenn gelegentlich über einige von ihnen berichtet wird, bleiben sie verständlicherweise anonym: Männer und Frauen, von denen einer oder sogar beide an einer schweren Erbkrankheit leiden, die sich dennoch ein Kind wünschen, ein gesundes natürlich. Man könne ihnen helfen, heißt es, mit der Präimplantationsdiagnostik, kurz PID. Der Frau würden ein paar Eizellen entnommen und im Reagenzglas befruchtet. Bevor ein Arzt einen dieser Embryonen einsetzte, würde er sie auf genetische Defekte testen, um zu vermeiden, dass die Frau mit einem kranken Embryo schwanger werde.

Es geht nicht nur um die wenigen unglücklichen Paare

Wenn es wirklich nur um diese paar Dutzend Paare ginge, die nach Schätzung der Bundesärztekammer für eine PID in Frage kämen, könnte man tatsächlich überlegen, die PID zuzulassen, selbst wenn dafür das Embryonenschutzgesetz geändert werden müsste. Doch die Vehemenz, mit der die PID als segensreiche Technik vertreten wird, lässt ahnen, dass es um mehr geht als um wenige Paare mit unerfülltem Kinderwunsch.

Diesen wenigen wird man zuerst die PID zugestehen, wobei selbst bei ihnen die Grenzen schwer zu ziehen sind. Denn was sind "schwere genetische Leiden"? Was heute noch als nicht therapierbar gilt, mag morgen behandelbar sein, so verheißen uns zumindest Genetiker, die im übrigen schon jetzt auf die überzähligen Embryonen als Rohstoff für Stammzellenforschung spekulieren - nach dem zweifelhaften Motto: Wenn sie denn einmal vorhanden sind, müssen wir etwas Sinnvolles damit anstellen.

Ein weiterer Dammbruch ist vorhersehbar: Ist die PID in solchen Fällen erlaubt, wird die Frage schnell lauten, die ein Berliner Humangenetiker schon vor ein paar Wochen stellten: "Können wir Frauen, die sich künstlich befruchten lassen, die PID vorenthalten?" Bereits jetzt lassen Frauen in England weibliche Embryonen auf die Veranlagung für Brustkrebs testen. Irgendwann schließlich, wird es schonendere Methoden der künstlichen Befruchtung geben, so dass sich auch gesunde, fruchtbare Paare dazu entschließen werden. Wer würde es ihnen verbieten wollen oder können? Und ließe sich dann verhindern, dass sie ihren Embryo selektieren, sich ein Wunschkind zurechtlegen?

Die Zahlen

PID gilt manchen als therapeutischer Imperativ. Dabei stellt die Methode keine Therapie dar, sondern die Selektion von Embryonen. Erfahrungen aus dem Ausland belegen, dass PID keineswegs nur segensreich ist: Für die 886 Paare weltweit, die sich bislang einer PID unterzogen haben, wurden mehr als 65000 Embryonen erzeugt; vielfach wurden Schädigungen vor der Einpflanzung nicht festgestellt, so dass es zu sieben Abtreibungen kam. Von den 162 geborenen Kindern waren zwei behindert.

Wenn man im Mutterleib testet und im Zweifelsfall abtreibt, dann müsse man auch die PID zulassen, sagen Befürworter. Das Argument zieht nicht, denn im Falle der Schwangeren kommt es zum Konflikt grundrechtlich geschützter Güter - der Menschenwürde des Embryos und der Belastung der Mutter. Diesen Konflikt gibt es bei der PID nicht, denn niemand zwingt eine Frau zur künstlichen Befruchtung.

Mit einem PID-Verbot, so Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe, sei die Welt nicht plötzlich in Ordnung. Damit hat er recht, denn die Diskussion offenbart vor allem eines: das Unbehagen über Methoden der künstlichen Befruchtung und die mit ihr möglich gewordene genetisch kontrollierte Zeugung. Mit einer Zulassung der PID wäre die Welt aber noch schlimmer dran, denn sie würde einer genetischen Selektion den Weg bereiten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: