Physik:High-Tech aus dem Mittelalter

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Die Kreuzritter fürchteten die Sarazenen-Klingen aus Damast wie Hexenwerk. Jetzt haben Forscher herausgefunden, warum die Waffen so hart waren.

Hanno Charisius

Der erste Kontakt der abendländischen Kultur mit Stahl aus Damaskus war sehr schmerzhaft, und oft genug sogar tödlich. Die Kreuzfahrer fürchteten die Klingen aus dem marmorierten Metall als wären sie Hexenwerk.

Die Kreuzritter - hier König Richard Löwenherz - bekamen es mit Damast-Klingen zu tun. (Foto: Foto: dpa)

Irgendwann vor zweihundert Jahren ist dann das Wissen um die Herstellung von Damaszener-Stahl verloren gegangen.

Seither grübeln Forscher, wie es die Schmiede früherer Zeiten geschafft haben, derart scharfe und feste Klingen zu fertigen. Nun scheint das Rätsel gelöst: Nanotechnologie verhilft den mittelalterlichen Waffen zu ihrer sagenhaften Härte und dem charakteristischen Linienmuster im Metall.

Um hinter das Geheimnis der Damast-Klingen zu kommen, haben Physiker von der Technischen Universität Dresden ein Stückchen davon in konzentrierter Salzsäure aufgelöst und die Überbleibsel unter ein hochauflösendes Transmissions-Elektronenmikroskop gelegt.

Zu Tage kam ein Gerüst aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, in die zum Teil das Material Zementit eingeschlossen war, das dem Damast seine typische Färbung gibt ( Nature, Bd. 444, S. 286, 2006). "Wir hatten das erwartet", sagt Studienleiter Peter Paufler, "sonst hätten wir das antike Schwertstück nicht geopfert".

Ein ehemaliger Mitarbeiter, Chemiker von Beruf und Hobbyschmied aus Leidenschaft, hatte Paufler zu diesem Experiment angeregt. Er hatte den Verdacht, dass sich beim Schmieden Kohlenstoffnanoröhrchen bilden könnten, jene rohrförmigen Moleküle, die seit ihrer Entdeckung 1991 als Bauteile zukünftiger Nanotechnologien gehandelt werden.

Gefürchtete Klingen

Soviel weiß man noch von der alten Schmiedekunst: So genannte Wootz-Barren sind das Ausgangsmaterial für Damast-Klingen, sie bestehen aus sehr reinem Eisen, enthalten etwa anderthalb Prozent Kohlenstoff und Spuren anderer Metalle.

Der Barren wird geschmolzen und anschließend sehr langsam abgekühlt. Dabei bilden sich tannenbaumförmige Kristalle aus Eisen, in deren gleichförmiges Gitter die Verunreinigungen nicht hineinpassen, sondern in Zwischenräume gedrängt werden. Kühlt das Material weiter ab, bilden sich zufällig verteilt Zementitpartikel aus Eisen und Kohlenstoff.

Wird der Stahl nun geschmiedet, verflüchtigen sich die Zementitteilchen wieder, außer in den Bereichen, in denen sich die Fremdstoffe angesammelt haben. Danach wird der Stahl nur noch in den Temperaturbereich erhitzt, in dem neue Zementitpartikel entstehen und wieder geschmiedet. So entstehen nach und nach die charakteristischen Zementitlinien.

"Während dieser thermochemischen Behandlung entstehen wohl auch die Kohlenstoffnanoröhrchen, die wir gefunden haben", erklärt Paufler. Kohlenstoffnanoröhren sind mikroskopisch kleine Gebilde aus reinem Kohlenstoff.

Die Atome bilden eine wabenartige Struktur aus Sechsecken. Aufgerollt ergibt sich daraus die Hülle der Röhrchen, die einen Durchmesser zwischen einem und 50 Nanometern haben. Eventuell sind sie für die Festigkeit der gefürchteten Schwerter aus Damaszener-Stahl und die Linienbildung des Zementits verantwortlich.

Seit Entdeckung der Nanoröhren wird spekuliert, wie man mit diesem neuartigen, ultraharten Leichtgewichtsmaterial Dinge wie Stahl noch widerstandsfähiger machen könnte. Beim Einrühren in flüssiges Metall würden sie jedoch zerstört werden. Die Schmiedekunst der Damaszener war den Fertigkeiten der heutigen Nanotechnologen also um einiges überlegen.

© SZ vom 16.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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