Parawissenschaften:Der Geist und die Maschine

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Triumph der Vernunft - oder Schwäche der Wissenschaft? Das Institut für Abnormalitäten in Princeton, wo Forscher sich seit fast 30 Jahren ernsthaft mit Psi-Phänomenen beschäftigt haben, wird geschlossen.

Petra Steinberger

Die Möbelpacker haben die Geräte abgeholt, Akten und Unterlagen sind verstaut, die Räume leer. Diese letzten Tage des versteckten Instituts in Princeton verlaufen still.

Die "Zener-Karten" (nach Karl Zener) werden in einer bestimmten Reihenfolge aufgelegt. Der Sender soll dem Empfänger nun Karte für Karte telepathisch übertragen, so dass dieser die selbe Reihenfolge auflegt. (Foto: Foto: oh)

Was daran liegen mag, dass dessen Existenz dem Hausherrn immer ein wenig peinlich war. Denn es waren ein paar Kellerräume der ehrenwerten Universität Princeton, in denen sich das umstrittene Institut fast dreißig Jahre lang mit Fragen befasste, über die viele Wissenschaftler nur die Nase rümpfen.

Denn das "Princeton Engineering Anomalies Research Laboratory" (PEAR) forschte jahrelang danach, ob der Mensch durch sein Bewusstsein die Prozesse einer Maschine beeinflussen kann.

Das klingt bescheiden. Aber tatsächlich geht es darum, zu beweisen, dass der menschliche Geist allein durch seinen Willen den Lauf der Welt verändern kann.

Man habe nach "Anomalien in der Interaktion zwischen Mensch und Maschine" gesucht, sagt Brenda Dunne, die Labormanagerin. Die Resultate waren dürftig - aber "dennoch statistisch relevant".

Und dann sagt sie, dass man im Institut all diese Laienbegriffe, nicht so gern verwende, ESP zum Beispiel: extra-sensory perception (außersinnliche Wahrnehmung). Oder Worte wie Parapsychologie, Telepathie und Telekinese.

Denn diese Worte klingen unseriös. Und Seriosität ist das, wonach sich Brenda Dunne und der Kopf und Gründer des Instituts, Robert Jahn, gesehnt haben. Seriosität bedeutet: ernst genommen zu werden von den Wissenschaftlern und Nobelpreisträgern.

Psi ist nur ein Wort

Denn man betreibe schließlich genauso echte Wissenschaft, sagt Robert Jahn, und man habe die Ergebnisse der PEAR-Studien immer und immer wieder an die wichtigen Zeitschriften geschickt.

Nur wollte keiner die Artikel haben. Ein Chefredakteur soll Robert Jahn einmal gesagt haben, er werde selbstverständlich einen Beitrag von ihm veröffentlichen - sobald er ihn telepathisch übermittelt bekomme.

Das Problem hat einen Namen: Psi. Das ist in den Parawissenschaften die Bezeichnung für eine Normabweichung in einem Prozess, die nicht mit bisher bekannten physikalischen oder biologischen Mechanismen erklärt werden kann.

Psi ist die Bruchlinie, an der sich die Parawissenschaften von den "normalen" Wissenschaften scheidet. Parawissenschaftler behaupten allerdings nicht, dass Psi irgendein übernatürliches Phänomen sei, ein Zeichen Gottes etwa.

Psi ist eigentlich nur eine Anomalie. Eine Anomalie, von der die Gegenseite behauptet, dass sie durch Messungenauigkeiten entstanden sei. Oder durch Betrug.

"Wir können noch jahrelang immer wieder dieselben Ergebnisse bekommen. Wenn sie uns jetzt nicht glauben", sagt Jahn, "dann werden sie uns nie glauben."

Und so schließen Jahn und Dunne jetzt das Institut. Ohne zu kämpfen.

"Unterstützt haben sie uns nie", sagt Jahn verbittert über seine Kollegen aus dem Wissenschaftsbetrieb.

Ende der siebziger Jahre war Robert Jahn selbst ein angesehener Vertreter dieses Wissenschaftsbetriebes. Er war Raumfahrtingenieur, weltweit die größte Autorität für Düsenantriebe, und auch noch Dean der School of Engineering and Applied Science in Princeton.

Wenn Piloten denken

Eines Tages gestattete er einer Studentin unter einigen Bedenken, für ihre Doktorarbeit einen Zufallszahlengenerator zu bauen - um die Methoden und Thesen eines Parapsychologen zu überprüfen. Jahn begann sich für dessen Arbeit zu interessieren. Und gründete schließlich das PEAR-Institut. Dass Princeton das zuließ, war vor allem Jahns Ansehen zu verdanken.

Die Spiritualisten des 19. Jahrhunderts hatten nach dem Übersinnlichen, Jenseitigen gesucht, in den zwanziger und dreißiger Jahren etablierte Joseph Banks Rhine die moderne, experimentale Parapsychologie an der Duke University, unter anderem durch systematische Versuchsanordnungen mit jenen berühmten Karten, die sein Kollege Karl Zener für ihn entwarf.

Doch erst die sechziger und siebziger Jahre wurden zur Goldenen Zeit der parapsychologischen Forschung. Es waren die Jahre der Counterculture und des Whole Earth Catalogs, die Zeit der Drogenexperimente und der Bewusstseinserweiterung durch jedes Mittel.

Man reiste nach Indien und interessierte sich für Reinkarnation. Astrologinnen begannen, kalifornische Gouverneure zu beraten, und die Menschen lernten, das Wort "Esoterik" zu buchstabieren und sich im New Age einzurichten. Parapsychologie wurde gesellschaftsfähig. Manche Amerikaner waren sowieso schon lange überzeugt von der Existenz von UFOS und außerirdischer Intelligenz.

Es waren auch die besonders kalten Jahre des Kalten Krieges, als amerikanische Geheimdienste und Militärs fürchteten, dass ihnen die Sowjetunion in einem weiteren Feld um einiges voraus war. Vom "PSI-gap" war damals die Rede.

Im "Projekt Stargate" versuchte man an der Stanford Universität zusammen mit dem Pentagon, Hellsichtigkeit wissenschaftlich zu strukturieren. Damals träumte man vom "psychic soldier" und "PSI-Kriegen" und telepathischen Spionen. Und dann wurde auch noch Uri Geller berühmt.

Als PEAR schließlich 1979 gegründet wurde, stellte Princeton nur die Räume.

Finanziert hat sich das Institut immer durch Spenden. Jahn und sein kleines Institut fanden Sponsoren, Philantrophen wie Laurance Rockefeller, ein wenig abseitige Stiftungen oder exzentrische Industrielle. Wie zum Beispiel James McDonnell.

Der Luftfahrtpionier und Gründer der McDonnell Aircraft Corporation, die später in Boeing aufgehen sollte, gründete nach dem Zweiten Weltkrieg eine akzeptable wissenschaftliche Einrichtung: die spätere Rand Corporation in Santa Monica, die zur Mutter aller Think Tanks avancierte.

Doch dieser Luftfahrtingenieur und Princeton-Absolvent interessierte sich zutiefst für Übersinnliches und Okkultes und unterstützte später, schon weniger akzeptabel, das PEAR-Institut.

McDonnell habe sich Sorgen gemacht, erzählte Jahn später, dass die empfindlichen elektronischen Systeme seiner Flugzeuge möglicherweise anfällig sein könnten für Bewusstseinsveränderungen der Piloten - bedingt etwa durch den Stress eines Kampfeinsatzes.

Also habe er herausfinden wollen, ob er die technische Ausrüstung besser sichern sollte, um sie vor solchen Einflüssen zu schützen. Zumindest für Laien klingt die Aufgabenstellung technisch relevant und wissenschaftlich neutral.

Es ist keineswegs so, dass Jahn oder Dunne an Geister glauben oder an Außerirdische. Sie suchen nur nach einer einzigen Sache: den Beweis, dass jene "Anomalien in den Interaktionen zwischen Mensch und Maschine" tatsächlich existieren, wenn Testpersonen, Medien sozusagen, versuchen, gedanklich Einfluss auf eine Maschine zu nehmen.

Mit den bisher bekannten physikalischen Theorien sind solche Interaktionen bislang nicht zu erklären.

Dazu haben sie ihre Zufallszahlengeneratoren benutzt und abertausende immergleiche Testreihen angestellt. Sie haben Artikel geschrieben, die Titel tragen wie "Untersuchung der möglichen Auswirkungen von Johrei Techniken auf das Verhalten von zufallsgenerierten physikalischen Systemen" oder "Über die Quantenmechanik des Bewusstseins und ihre Anwendbarkeit auf anomale Phänomene".

Sie sind der Ansicht, genügend Beweise vorgelegt zu haben. Der Wissenschaftsbetrieb teilt diese Ansicht bis heute nicht.

Skeptiker und Zyniker

"Während vor Gericht der Beklagte so lange als unschuldig eingestuft wird, bis seine Schuld erwiesen ist, ist es in der Wissenschaft so, dass der von der orthodoxen Meinung abweichende Wissenschaftler so lange als 'schuldig' angesehen wird (nämlich einen Fehler begangen zu haben), bis seine 'Unschuld' erwiesen ist.

Das ist auch sinnvoll, weil die Wissenschaft im Grundsatz konservativ sein muss, um nicht von Millionen Möchtegern-Wissenschaftlern überwältigt zu werden.

Aber es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass der Vertreter einer paranormalen Behauptung sich von Beginn an einen steilen Hügel hinauf kämpfen muss."

Das schrieb nicht ein Vertreter der Parawissenschaften, sondern einer ihrer größten Kritiker.

Mario Truzzi stammte aus einer Familie von Zauberkünstlern, war Soziologieprofessor und Mitbegründer jener Bewegung, die zum größten Gegenspieler der Parawissenschaften werden sollte - des "Committees for Skeptical Inquiry".

Als in den siebziger Jahren die Begeisterung rasant zunahm für Übersinnliches, Okkultes und Paranormales, machten sich ein paar Aufrechte zunehmend Sorgen, wohin denn der wachsende Irrationalismus der Menschen noch führen solle.

1976 wurde das Komitee von Paul Kurtz gegründet, einem Philosoph, Geschäftsmann und "Skeptiker". Skeptiker wollten, so steht es in der Satzung des Komitees, "kritische Investigationen von paranormalen und abseitigen Wissenschaften von einem verantwortungsvollen, wissenschaftlichen Standpunkt fördern".

Also ging man hin und untersuchte. Astrologie. Alternative Heilkunde. Graphologie. Eine formidable Ansammlung von Persönlichkeiten gehörte zeitweise zum Komitee. Carl Sagan und Stephen Jay Gould, Douglas Hofstadter und Isaac Asimov.

Paul Kurtz sagt, seine Leute hätten sich ein paar Mal mit den PEAR-Leuten getroffen. Das Problem sei, dass man ihre angeblichen Anomalien in einer Versuchssituation nicht habe replizieren können.

Das sei ja meist das Problem. Paul Kurtz sagt nicht, dass es diese Phänomene nicht geben könne - nur habe man ihn noch nicht überzeugen können. Aber, sagt er, man gehe zivil miteinander um, wenn man aufeinander treffe.

Auf merkwürdige Art gleichen sich Paul Kurtz und Robert Jahn. Sie sind fast gleich alt, sie sind beide emeritiert, sie sehen sich sogar ein wenig ähnlich. Sie verfolgen ihr Ziel, den Erkenntnisgewinn, unbeirrt seit drei Jahrzehnten. Und sie sind beide zutiefst überzeugt, dass sie Recht haben. Manche Leute meinen, dass beide einfach ein wenig zu überzeugt sind.

Als Mario Truzzi das Committee for Skeptical Inquiry enttäuscht verließ, meinte er, man müsse unterscheiden zwischen Skeptikern und Zynikern. Für wahre Skeptiker sei das Fehlen eines Belegs für die Existenz eines Phänomens kein Beleg dafür, dass seine Existenz widerlegt sei.

Für Zyniker jedoch gilt das Scheitern des Belegs bereits als Beweis für die Nicht-Existenz. Das sei zu einfach, sagte Truzzi, aber genau das, was das Komitee praktiziere. Die einen sagen: noch nicht. Die anderen sagen: niemals.

Dem Komitee wird oft vorgeworfen, dass es ihm oft gar nicht mehr um die Untersuchung der Wissenschaftlichkeit paranormaler Hypothesen ginge, sondern nur noch darum, diese lächerlich zu machen. Und manchmal wurde das Komitee mit einer Sekte verglichen.

Die Suche nach dem Paranormalen, hat ein Psychologe einmal gesagt, sei meist von Menschen betrieben worden, die ihren Glauben verloren haben und nun eine wissenschaftliche Basis suchen für den Sinn des Lebens und für ein Leben nach dem Tod. Allmachtsphantasien werden den Parawissenschaftlern unterstellt und Fanatismus.

Robert Jahn sagt, dass es viele Wissenschaftler nicht ertragen könnten, wenn an den Fundamenten ihrer Weltanschauung gerüttelt werde. Und genau das hätten sie im PEAR-Institut getan. Es gibt, sagt er noch, viele Gleichgesinnte, die zu uns halten. Aber wir dürfen sie nicht nennen, weil es sonst Probleme für sie geben würde.

Das Stargate Projekt des Pentagon wurde übrigens 1995 eingestellt. Angeblich nicht, weil man es für Humbug hielt. Neue Verwalter hatten nach 1989 "Hexen", Rutengänger und Kartenleger ins Projekt eingebunden - und so, hieß es später in einem offiziellen Bericht, die Qualität der produzierten Daten verdorben.

© SZ vom 28.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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