Parallele Forschung:"Aus Verantwortung für die Patienten"

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Die Forschung an verschiedenen Stammzelltypen darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Ansätze sind wichtig für die medizinische Versorgung der Zukunft und ergänzen einander.

Gerhard Ehninger

Gerhard Ehninger ist Leukämie-Spezialist am Uniklinikum Dresden und Sprecher eines Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Thema Stammzellen.

Gerhard Ehninger (Foto: Foto: dpa)

Ich plädiere für eine Streichung der Stichtagsregelung, aber wenigstens für eine Verschiebung des Stichtags. Es geht nicht nur darum, dass die Zelllinien, die vor dem Stichtag entstanden sind, mit tierischem Material verunreinigt und deshalb für weiterreichende biomedizinische Anwendungen nicht geeignet sind.

Noch dazu sind deutschen Wissenschaftlern unter der derzeitigen Rechtslage Kooperationsprojekte mit dem Ausland extrem erschwert. Juristen raten deutschen Forschern sogar davon ab, enge Kontakte zu Kollegen im Ausland zu pflegen, die an Projekten mit menschlichen embryonalen Stammzellen arbeiten. Schon dies könnte strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Bei uns in Dresden ist ein Netzwerk von Forschergruppen entstanden, das die Differenzierungsprozesse von Stammzellen hin zu fertigen Geweben untersucht.

Neben den Stammzellen aus Embryonen gibt es auch im Körper von Erwachsenen Stammzellen, etwa im Knochenmark und im Blut. Um deren Möglichkeiten einschätzen zu können, ist es wichtig, auch die Mechanismen der embryonalen Stammzellen zu kennen; denn diese Zellen sind die Bauplanvorlage für die gesamte Gewebebildung.

Wir möchten die Forschung an verschiedenen Stammzelltypen nicht gegeneinander ausspielen. Beide Ansätze sind wichtig für die medizinische Versorgung der Zukunft und ergänzen einander. Nur durch eine parallele Forschung können die biologischen Mechanismen umfassend untersucht und der beste Zelltyp für die jeweilige medizinische Anwendung ermittelt werden.

Gegner der Forschung mit embryonalen Stammzellen führen häufig das Argument an, dass embryonale Stammzellen anders als Stammzellen von Erwachsenen heute noch nicht in der klinischen Forschung eingesetzt werden und deshalb weniger Erfolg versprechen.

Diese Argumentation weise ich zurück. Vielmehr können die präklinischen Studien, die heute bereits mit embryonalen Stammzellen durchgeführt werden, innerhalb der nächsten Jahre in klinischen Studien aufgehen. Angesichts der später begonnenen Forschung an embryonalen Stammzellen ist es außerdem nicht verwunderlich, dass klinische Studien erst in Zukunft zu erwarten sind.

Wir Forscher sind uns der Verantwortung bewusst, wenn wir mit Zellen aus Embryonen arbeiten. Das muss mit dem nötigen Respekt geschehen. Wir haben aber auch die Verantwortung, für heute noch hoffnungslose Patienten neue Therapieformen zu suchen. Dazu tragen die weltweiten Forschungen bei.

© SZ vom 14.02.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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