Nitrofen-Skandal:Experten vermuten Sabotage

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Im Öko-Lebensmittelskandal schließen Experten Sabotage als Ursache nicht aus. Grund sei die "unwahrscheinlich hohe Konzentration", in der das Pflanzenschutzmittel Nitrofen in Öko-Tierfutter entdeckt worden sei.

Uli Zerger, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Ökologie und Landbau (SÖL), betonte, dass wegen der Konzentration, die den zulässigen Grenzwert um das 64-Fache überschreite, nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Substanz in der Landwirtschaft verwendet worden sei. Konkrete Anhaltspunkte für eine Sabotage gebe es jedoch nicht. Bisher ist unklar, wie das Pflanzenschutzmittel in den Öko-Weizen gelangte.

Die Möglichkeit, das in Deutschland verbotene Nitrofen könne von landwirtschaftlichen Betrieben verwendet worden sein, nannte Zerger "nicht nahe liegend". Immerhin werde das als Krebs erregend geltende Produkt seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in Deutschland verwendet. "Wenn es so selten ist, warum sollte der Landwirt es sich so schwer machen?" Handelsübliche Pestizide seien viel einfacher zu besorgen.

"Landwirt gefährdet sich unverhältnismäßig selbst"

Zudem hätte ein Landwirt nach Ansicht von des Ökobauern Zerger keine Veranlassung, den Stoff in dieser hohen Dosis einzusetzen. "Der Landwirt gefährdet sich gerade bei Nitrofen unverhältnismäßig selbst." Außerdem könne das Ziel der Unkrautvernichtung auch mit einer wesentlich geringeren Dosis erreicht werden. "Es gilt nicht das Motto: viel hilft viel", sagte

Zerger. "Aus diesen beiden Gründen heraus kann ich mir nicht vorstellen, dass Landwirte das nachts klammheimlich angewendet haben." Auch eine Kontamination im Boden oder in einem Lager sei "nicht besonders wahrscheinlich", sagte Zerger. Nach Ansicht von Experten wäre der Stoff in den vergangenen zehn Jahren im Boden weitgehend abgebaut worden. Die hohe Konzentration spreche auch gegen die Vermutung, es könne sich um Getreide aus Osteuropa gehandelt haben.

Gabriel sieht kriminelle Machenschaften

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) sieht im Nitrofen-Skandal Anhaltspunkte für "kriminelle Machenschaften". In Oldenburg sagte Gabriel, man dürfe nicht die gesamte Landwirtschaft, aber auch nicht den Staat dafür verantwortlich machen. Gegen derartige Machenschaften sei niemand gefeit.

Der Fall belege jedoch, dass die von Berlin eingeleitete Agrarwende noch nicht weit genug sei. Auch Behörden hätten das Ausmaß des Skandals anfangs nicht erkannt und als lokales Problem gesehen.

Öko-Skandal beschäftigt Bundestag

Der Öko-Lebensmittelskandal beschäftigt den Bundestag. Verbraucherministerin Renate Künast informiert den Agrarausschuss auf einer Sondersitzung über die vertuschten Nitrofen-Funde in Öko-Lebensmitteln und Futterweizen.

Rücktrittsforderungen der Opposition hat Künast als "Schmarrn" zurückgewiesen. Union und FDP hätten ihr seit anderthalb Jahren nur Steine in den Weg gelegt, kritisierte die Grünen-Politikerin. Nun müsse sich zeigen, ob die Opposition es wage, im Bundesrat ihre Blockadepolitik fortzusetzen und die drei Gesetze für mehr Verbraucherschutz abzulehnen.

Künast betonte, sie werde ihre Politik fortsetzen, aufklären und den Finger ohne Ansehen der Person in die Wunde legen. "Ich fühle mich in der Agrar-Wende bestärkt, wir brauchen noch mehr Agrar-Wende", sagte sie.

Am Mittwoch hatte sich der Skandal weiter ausgeweitet. In Mecklenburg-Vorpommern müssen zehntausende Legehennen getötet und ihre Eier vernichtet werden. In Eiern und Geflügelfleischproben waren Spuren von Nitrofen entdeckt worden.

(sueddeutsche.de/dpa/AP)

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