Nikotinentzug per Medikament:Die Nichtraucher-Pille

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Ein neues Medikament soll Rauchern das Aufhören erleichtern. Wunder dürfen nicht erwartet werden, sagt der Hersteller, aber es ist weniger schädlich als bisherige Mittel.

Es klingt, als erfülle sich die Hoffnung vieler Raucher, endlich den Absprung zu schaffen: Eine nikotinfreie Nichtraucherpille soll es leichter machen, vom Glimmstängel loszukommen. Der Wirkstoff Vareniclin soll nach Angaben des Herstellers Pfizer (Karlsruhe) nicht nur das Verlangen nach Zigaretten zügeln und Entzugserscheinungen dämpfen.

Entzug mit Vareniclin erfolgsversprechend (Foto: Foto: dpa)

Bei einem Rückfall bringt das Rauchen demnach auch nicht den gewohnten Kick, da die Rezeptoren, an denen Nikotin normalerweise andockt, bereits von Vareniclin besetzt sind.

Die Hälfte aller Raucher schaffen es

Anfang März soll das Medikament mit dem Namen Champix auch auf dem deutschen Markt erhältlich sein.

Wunder dürfen Raucher von dem neuen Wirkstoff allerdings nicht erwarten: "Letztendlich spielen Medikamente bei einem Entzug eine sekundäre Rolle. Man muss motiviert sein und sein Verhalten umstellen", betont der Tübinger Mediziner Prof. Anil Batra vom Wissenschaftlichen Aktionskreis Tabakentwöhnung (WAT).

"Die Hälfte aller Raucher hat es irgendwann geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören", ergänzt Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Davon benötige ein Großteil keine Medikamente. Wenn das nicht gelinge, sei eine Verhaltenstherapie am Erfolg versprechendsten, um die Motivation zu erhöhen. Erst dann kämen Medikamente in Frage.

Medikament steigert Erfolg

Vareniclin ist eine von drei Substanzen, die zur Tabakentwöhnung in Deutschland zugelassen sind: Neben Nikotinersatzstoffen in Pflastern, Nasensprays und Kaugummis wird auch das Antidepressivum Bupropion zur Unterstützung des Entzugs verschrieben. "Varenicilin hat ein ganz neues Wirkprinzip", erklärt Batra. Es besetze dieselbe Andockstelle an den Körperzellen wie Nikotin, den so genannten Alpha-4-Beta-2-Acetylcholinrezeptor.

Mit guten Erfolgschancen: In einer Auswertung von sechs Studien kamen Wissenschaftler der Cochrane Library für evidenzbasierte Medizin zu dem Schluss, dass Raucher ihre Erfolgsaussichten bei einem Entzug mit Vareniclin etwa um das Dreifache erhöhen.

Im Vergleich zu Bupropion stiegen die Chancen mit Vareniclin um das Anderthalbfache. In einer im amerikanischen Fachjournal "Jama" (Bd. 296, S. 56) veröffentlichten Studie waren 23 Prozent der teilnehmenden Raucher nach einem Jahr noch abstinent. Die Erfolgsquote beim kalten Entzug ohne Medikamente liegt dagegen bei 3 bis 5 Prozent.

In den Studien sei Vareniclin allerdings an gesunden Rauchern mittleren Alters getestet worden, betont Pötschke-Langer. Für Hochrisikogruppen wie ältere Menschen, Herz- und Lungenpatienten oder Epileptiker seien die Ergebnisse nicht aussagekräftig. "Das Mittel muss sich unter normalen Umständen noch bewähren."

Therapiedauer von drei bis vier Monaten

Die Nebenwirkungen von Vareniclin fielen im Vergleich zu Bupropion, das schwere Krampfanfälle auslösen kann, schwächer aus, erläutert Batra. Es werde unter anderem von Übelkeit und Kopfschmerzen berichtet. Und im Gegensatz zu Nikotinpräparaten müsse der Körper bei einem Entzug mit Vareniclin sofort ohne Nikotin auskommen.

Vareniclin wirkt nicht wie Zigaretten binnen Sekunden, sondern hält einen Pegel über 24 Stunden, erklärt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Nikotinforschung, Prof. Hans-Ulrich Klör in Gießen.

Die Therapie sollte etwa drei bis vier Monate laufen. Andere Nicline seien bereits in der Entwicklung. Die wachsende Auswahl von Medikamenten bewertet er als ein Fortschritt. Ärzte auch außerhalb von Suchtzentren hätten in Zukunft mehr Möglichkeiten, die Therapie auf die jeweiligen Bedürfnisse der Patienten zuzuschneiden.

In einigen Jahren erwartet Klör sogar eine Impfung gegen Nikotin. "Es gibt schon zwei Firmen, die Phase-Drei-Studien am Menschen machen." Nach der Impfung soll das Immunsystem Antikörper gegen Nikotin bilden und den Stoff im Blut binden, anstatt ihn ins Gehirn zu transportieren. Allerding sei auch diese Methode umstritten, sagt Batra. Denn wenn ein Mensch nicht genug Antikörper bildet, rauche er noch mehr, um seinen Hunger nach Nikotin zu stillen.

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