Neues Influenza-Virus wütet in Mexiko:Schweinegrippe schürt Angst vor Pandemie

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Von Patrick Illinger

Seuchenexperten und internationale Behörden blicken mit Sorge auf ein neues Grippe-Virus, das offenbar von Schweinen stammt, aber nun auch von Mensch zu Mensch überspringt. Aus Mexiko werden Hunderte Infizierte und mehrere Dutzend Tote gemeldet. Auch in den USA sind Menschen erkrankt, in Spanien gibt es erste Verdachtsfälle. Experten nennen die Lage "beunruhigend". In Mexiko wurden Schulen geschlossen und öffentliche Veranstaltungen abgesagt.

Der Präsident des in Deutschland für die Seuchenbekämpfung zuständigen Robert-Koch-Instituts, Jörg Hacker, spricht von einer "hohen Potenz" des Virus. Im Unterschied zu der seit einigen Jahren vorwiegend in Asien grassierenden Vogelgrippe sei der neue Erreger in der Lage, direkt von Mensch zu Mensch überzuspringen. In der Europäischen Union ist nach Angaben der EU-Kommission bisher kein Fall bekannt geworden, bei dem sich ein Mensch mit der neuen Form der Schweinegrippe angesteckt habe. Die Entwicklung in Mexiko, wo die Behörden 1300 Erkrankte und 81 Tote melden, werde aber sehr genau verfolgt.

Am Wochenende berief die Weltgesundheitsorganisation WHO ein Expertengremium ein. Es beschloss jedoch, das Gefahrenpotenzial des neuen Virus vorerst auf der dritten einer sechsstufigen Skala zu belassen. Auf dieser Stufe rangiert auch der Vogelgrippe-Erreger H5N1. Dennoch spricht die WHO von einer "ernsten Situation", die sehr genau zu beobachten sei. Auch das Robert-Koch-Institut und das für Europa zuständige Seuchenzentrum ECDC in Stockholm wollen derzeit nicht ausschließen, dass es zu einer Pandemie kommen könnte, also einer weltweiten Ausbreitung des Virus mit vielen Todesfällen.

Noch gibt der neue Erreger Rätsel auf. Unter anderem verlief die Krankheit bei den in den USA infizierten Menschen offenbar milder als in Mexiko. Das könnte bedeuten, dass die Schlagkraft des Erregers nachlässt. Außerdem hat sich gezeigt, dass das Virus auf sogenannte Neuraminidase-Hemmer anspricht, sich also im Fall einer Ansteckung mit handelsüblichen Medikamenten wie Tamiflu bekämpfen lässt. Ein Impfstoff gegen die neue Form eines Influenza-Erregers wird jedoch nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Die Herstellung von Impfstoffen braucht Wochen bis Monate, und Vakzine gegen bisher bekannte Varianten von Grippe-Viren sind wirkungslos.

In Mexiko wurden öffentliche Gebäude geschlossen und Fußballspiele abgesagt. In der am stärksten betroffenen Region um Mexiko-Stadt findet bis zum 6.Mai kein Schulunterricht statt. Die Regierung forderte die Bevölkerung zudem auf, Menschenansammlungen und enge Kontakte wie Händeschütteln zu vermeiden. Die katholische Kirche hat verfügt, Gottesdienste nur noch deutlich verkürzt abzuhalten.

In Deutschland hat das Auswärtige Amt bislang keine Reisewarnung für Mexiko ausgesprochen. Doch werden auf Flughäfen erste Alarmpläne aktiviert. Man sei sensibilisiert, sagte ein Sprecher des Münchner Flughafens. Fluggäste und Crewmitglieder mit entsprechenden Symptomen würden gemäß eines Alarmplans in ein Krankenhaus gebracht.

Spanische Behörden melden drei Verdachtsfälle, von denen einer mit "hoher Wahrscheinlichkeit" auf den neuen Virustyp zurückgehe. Der Patient sei nach einer Mexikoreise erkrankt, aber erfolgreich mit Medikamenten behandelt worden. Bislang nicht bestätigt hat sich der Verdacht, dass zehn Schüler aus Neuseeland sich während einer Mexikoreise mit dem Schweinegrippe-Erreger infiziert haben.

© SZ vom 27.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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